Der „Völkische Messias“ im Leichenhaus. Der Bildhauer Daniel Stocker und seine Plastik Baldur und Erde – Symbol „germanischen Christentums“ und antisemitisches Bildwerk

Autor: Artinger, Kai

Veröffentlichungsdatum: 26 Apr 2024 09:04

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Daniel Stocker (1865–1957) stieg um 1900 zu einem der bekanntesten klassizistischen Bildhauer Stuttgarts und Württembergs auf. Es gibt von ihm Brunnen, Denkmale, Denktafeln, Porträtbüsten, Kleinststatuen, Reliefs und Gefallenendenkmale, die vor allem im Kaiserreich und in der Weimarer Republik entstanden. Zu seinen bekanntesten Werken gehören der Weißenburgbrunnen mit der Marmorplastik Sinnendes Mädchen (oder Nymphe, 1910), der Bocksprungbrunnen (1912) und das Kriegerdenkmal Ohnmacht und erwachender Wille (1929). In Vergessenheit geriet, dass Stocker mit seiner idealistisch geprägten Kunstauffassung auch Anschluss fand an die Kunst im Nationalsozialismus. Und das sehr erfolgreich. Mehrfach stellte er auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ im „Haus der Deutschen Kunst“ in München aus. Adolf Hitler erwarb 1938 und 1939 jeweils eine Bronzestatue von ihm. Stuttgart kaufte 1940 oder 1942 die Bronze Sportlerin (um 1940) für die städtische Kunstsammlung. Und 1938 schuf der Bildhauer im Auftrag der Stadt eines der merkwürdigsten und inhaltlich radikalsten Werke seines Oeuvres: die überlebensgroße antisemitische Steinplastik Baldur und Erde. Sie wurde 1940 anlässlich seines Geburtstages im Erweiterungsbau des Leichenhauses auf dem Pragfriedhof aufgestellt. Das Bildwerk überdauerte den Krieg und steht noch heute beim alten Leichenhaus. Der Aufsatz analysiert, wie sich Stockers Baldur und Erde aus den Ideen der im 19. Jahrhundert aufkommenden Bewegung für eine neuheidnische und deutschchristliche Religion erklärt, die das Ziel verfolgte, ein germanisches Christentum mit einem entjudaisierten, arischen Jesus zu errichten. Es wird gezeigt, wie sich der alte Künstler an den Nationalsozialismus anpasste, wie sein Werk in der Nachkriegszeit rezipiert und entideologisiert wurde und wie mit der Plastik heute umgegangen wird bzw. angesichts des aktuellen Diskurses über einen wiedererstarkenden Antisemitismus umgegangen werden sollte.

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Daniel Stocker, Baldur und Erde, 1938