›Künstlerische‹ und ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹. Ansätze zur Unterscheidung zweier Grundorientierungen der kunsthistorischen Praxis unter Berücksichtigung von Hans-Georg Gadamer und Karl Popper

Autor: Nille, Christian

Veröffentlichungsdatum: 13 Aug 2018 08:13

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Kurzfassung

Unter Berücksichtigung der beiden philosophischen Konzeptionen von Hans-Georg Gadamer auf der einen und von Karl Popper auf der anderen Seite werden in den vorliegenden Ausführungen Ansätze geliefert, um zwei Grundorientierungen der kunsthistorischen Praxis zu unterscheiden, nämlich: die ›künstlerische‹ und die ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹. Denn, so eine Hauptthese, wenn klar ist, welcher Grundorientierungen man folgt und wie diese beschaffen ist, dann verbessert dies die kunsthistorische Praxis, in der aktuell diverse Mischformen ›künstlerischer‹ und ›wissenschaftlicher Kunstgeschichte‹ anzutreffen sind. Die Grundthese des vorliegenden Textes besagt, dass es notwendig ist, bei der ›Kunstgeschichte‹ , also bei Aktivitäten, die gemeinhin als kunsthistorisch angesehen werden, zwei Grundorientierungen – man könnte auch von ›zwei Typen oder Kulturen der Kunstgeschichte‹ sprechen – klar zu unterscheiden, nämlich einerseits die ›künstlerische Kunstgeschichte‹ und andererseits die ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹, wobei letztere (aktuell) in geringerem Maße anzutreffen ist. Ausführlicher und genauer gesagt bedeutet dies, dass auf das Problem reagiert wird, dass sich in der kunsthistorischen (v.a. universitären) Praxis eine ›künstlerische‹ und eine ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹ vermischen, wodurch es zu einem Durcheinander kommt, dass die Kunstgeschichte als Disziplin sowie einzelne kunsthistorische Tätigkeiten mitunter zu willkürlichen und wirren Unternehmungen macht. Denn häufig erwartet der eine (implizit) etwas Künstlerisches und wird dann durch Wissenschaftliches enttäuscht, während der andere eine wissenschaftliche Arbeit erhalten möchte und mit einem künstlerischen Werk abgespeist wird – durch die Vermengung werden Anforderungen nie erfüllt. Zur Verdeutlichung des Dilemmas seien einige strukturanaloge Bemerkungen zum Alltag wiedergegeben: »Woher wissen wir, daß ein Taschentuch kein Aschenbecher ist? Weil wir unterscheiden. Und zum Unterscheiden müssen wir negieren: ›Taschentüchlein, du bist kein Aschenbecher!‹ Ohne das Negieren blubbert alles, was existiert, in ödem Brei grauer Indifferenz, bestimmungsloser Identität: Das Taschentuch wäre ein Tischbein wäre ein Federmäppchen wäre eine Tastatur wäre eine Zigarette wäre … […] Um negieren zu können, benötigen wir das Vergleichen: Die Merkmale, die zusammen ein Taschentuch ergeben, sind nicht dieselben wie jene, die eine Tastatur oder einen Slip ergeben.« Wer also, um das Zitierte auf die hier zu verhandelnde Problemsituation zu übertagen, nicht möchte, dass die kunsthistorische Praxis ein »öde[r] Brei grauer Indifferenz« ist, der muss unterscheiden und zwar zwischen einer ›künstlerischen‹ und einer ›wissenschaftlichen Kunstgeschichte‹. Hierzu gehört auch das Ziel, die Merkmale anzugeben, die zusammen die jeweilige Kunstgeschichte ergeben, indem sie sie klar von anderen Varianten unterscheiden. Da sich die Kunstgeschichte mit dieser Problematik kaum befasst, die Problematik kaum erkannt wurde, müssen andere Orientierungspunkte gewählt werden, über die sich die jeweilige Seite möglichst deutlich und konsequent darstellen lässt. Dies geschieht in Form der Arbeiten von Hans-Georg Gadamer für die ›künstlerische‹ und jenen von Karl Popper für die ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹. Ferner ist es in dieser Hinsicht ein Ziel, die Zusammenhänge zwischen einzelnen Annahmen und Umgangsweisen damit, also, wie man es nennen könnte, die ›Logik der künstlerischen und der wissenschaftlichen Kunstgeschichte‹ herauszuarbeiten. Im besten Fall zeigt sich dann, dass diese Umgangsweise mit Punkt a notwendig aus jener mit Punkt b folgt. Weiterhin ist zu beachten, dass die Begriffe ›künstlerische Kunstgeschichte‹ und ›wissenschaftliche Kunstgeschichte‹ zunächst viel Assoziationspotenzial bieten, das im Laufe der nachfolgenden Ausführungen durch klare Charakteristika ersetzt werden soll. Die Begriffswahl markiert den Umstand, dass die jeweilige Kunstgeschichte Merkmale aufweist, die man für gewöhnlich der ›Kunst‹ oder der ›Wissenschaft‹ zuspricht. All dies ist nicht von der Absicht getragen, das Eine gegen das Andere auszuspielen, im Sinne von: nur künstlerische/wissenschaftliche Kunstgeschichte ist gute Kunstgeschichte, so dass es die wissenschaftliche/künstlerische auszumerzen gilt. Nicht die Existenz dieser beiden Grundorientierungen ist das Problem, sondern ihre Vermengung. Sauber getrennt kommt beiden Varianten eine enorme kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung zu, die es schwer macht, auf eine jede verzichten zu wollen, wobei ersichtlich ist, dass es sich um zwei unterschiedliche kulturelle und gesellschaftliche Funktionen handelt – so wie ein Aschenbecher, und nicht ein Taschentüchlein, beim Rauchen seinen Dienst tut, wohingegen es bei einem Schnupfen ganz anders aussieht. Dies bedeutet ferner, dass eine solche Unterscheidung dazu führt, die jeweilige Funktion besser (oder überhaupt) zu erfüllen als es einer vermischten Kunstgeschichte möglich ist, da Unnötiges, Ablenkendes sowie Widersprüchliches wegfällt. Im Einzelnen werden folgende Punkte abgehandelt: Um das Problem zu verdeutlichen, werden zuerst drei Indizien präsentiert, die dafür sprechen, dass es in der kunsthistorischen Praxis (v.a. an der Universität) zu einer Durchmischung von ›künstlerischer‹ und ›wissenschaftlicher Kunstgeschichte‹ kommt (I–III). Dann werden der Reihe nach sechs Orientierungsgrößen thematisiert, die es erlauben, den Unterschied zwischen ›künstlerischer‹ und ›wissenschaftlicher Kunstgeschichte‹ klar zu fassen, indem gezeigt wird, welche Antworten eine jede der beiden Kunstgeschichten für Fragen bietet, die für die kunsthistorische Praxis konstitutiv sind, wodurch sich ihr jeweiliger Charakter Schritt für Schritt genauer zeigt (IV-IX). Es folgt eine Zusammenfassung des bis dahin Erarbeiteten (X). Da es sich bei all dem um ›Ansätze‹ handelt, werden abschließend, in einem Ausblick, einige Punkte herausgestellt, die es in Zukunft zu klären gilt (XI).

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