1. Internationales Renommee und berufliche Karriere

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Jacobus Johannes Pieter Oud war bereits in den 1920er Jahren eine der zentralen Figuren der Architekturgeschichte. In einer Vielzahl von Zeitschriften und Architekturbüchern wurden vor allem seine Wohnbauten, wie die Häuserzeilen in Hoek van Holland (Abb. 1) und die Siedlung Kiefhoek (Abb. 27), publiziert und als Höhepunkte der modernen Architektur gefeiert.

1 Oud Häuserzeile in Hoeck van Holland

Obwohl Oud mit Ausnahme seiner Reihenhäuser in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung ausschließlich in den Niederlanden gebaut hat, fanden seine Arbeiten zunächst im europäischen Ausland Verbreitung: Publikationen seiner Bauten und Entwürfe erschienen vor allem in deutschen, aber auch in englischen, französischen, italienischen, polnischen, spanischen, tschechischen und ungarischen Zeitschriften; 1928 veröffentlichte Henry-Russell Hitchcock in <The Arts> den Beitrag <The architectural work of J. J. P. Oud> und machte ihn damit auch in den USA bekannt. Allein in den 1920er Jahren erschienen annähernd 140 Publikationen zu Ouds Werk.  [1] Dazu kamen zahlreiche Lichtbildvorträge, in denen Oud seine Bauten einem internationalen Publikum vorstellte, sowie die weltweite Präsentation seiner Arbeiten auf Kunst- und Architekturausstellungen.  [2]

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Ganz im Gegensatz zu Ouds internationalem Renommee stand jedoch seine berufliche Karriere in den Niederlanden: Der 1890 in der holländischen Kleinstadt Purmerend geborene Oud hatte 1918 eine Stelle beim Gemeentelijke Woningdienst, dem Rotterdamer Wohnungsbauamt, erhalten, wo er bis 1933 tätig war. Den Höhepunkt seiner Karriere bildete 1925 die mit der Zusammenlegung von Wohnungsbauamt und Bauaufsicht erfolgte Berufung zum Abteilungsleiter. Keineswegs war er, wie bis heute vielfach in der Literatur zu lesen ist, Direktor des Wohnungsbauamtes oder gar Stadtbaumeister von Rotterdam.  [3] Auch sonst spiegelt sich Ouds internationales Renommee nicht in seiner Position innerhalb der niederländischen Architekturszene: Als Gemeindearchitekt erntete er vielfach Kritik für seine Bauten und musste seine Entwürfe zuweilen nach den Vorstellungen der Gemeinderatsmitglieder umgestalten. Mehrere seiner Arbeiten kamen erst gar nicht zur Ausführung, darunter alle Entwürfe für größere öffentliche Bauvorhaben wie die Börse und die Volkshochschule in Rotterdam.  [4] Aufgrund gravierender bautechnischer Mängel an seinen Wohnbauten mehrten sich ab 1930 Vorwürfe gegen Oud. Seine Entlassung aus dem Wohnungsbauamt, die von beißendem Spott in der niederländischen Fachpresse begleitet wurde, bedeutete das Ende seiner Arbeit als Gemeindearchitekt.  [5]

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Angesicht dieser schwierigen beruflichen Situation in Rotterdam erstaunt zunächst, wie es gleichzeitig zu der herausragenden internationalen Wertschätzung von Ouds Arbeiten kommen konnte. Ein wichtiger Aspekt ist zweifellos die zentrale Bedeutung des kommunalen Wohnungsbaus in den 1920er Jahren, Ouds ureigenstem Aufgabenbereich als Gemeindearchitekt seit 1918. Hinzu kommt, dass die Niederlande im Wohnungsbau insgesamt eine Vorreiterrolle einnahmen: Im Gegensatz zum Deutschen Reich, wo das Bauwesen im Zuge des Ersten Weltkriegs weitgehend zum Erliegen gekommen war, konnte in den neutralen Niederlanden - wenn auch unter Einschränkungen - weitergebaut werden. Aufgrund der Wohnungsnot zählte der Bau von Kleinwohnungen auch dort zu den wichtigsten kommunalen Aufgaben. Entsprechend wurden 1915 das Amsterdamer und 1917 das Rotterdamer Wohnungsbauamt gegründet und fand im Februar 1918, also noch während des Ersten Weltkrieges, in Amsterdam ein internationaler Wohnungsbaukongress statt.

2. Deutsche Architekten und der niederländische Wohnungsbau

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Die Führung im kommunalen Wohnungsbau übernahm die Stadt Amsterdam, die bereits 1914 den Bau von mehreren Tausend Arbeiterwohnungen beschlossen hatte und mit Arie Keppler einen Sozialdemokraten zum Direktor des Wohnungsbauamtes berief. Gestalterische Grundlage der neuen Wohngebiete war das zunächst in Deutschland formulierte städtebauliche Leitbild des einheitlich gestalteten Wohnblocks, das unter anderem in Walter Curt Behrendts 1911 erschienenem Buch <Die einheitliche Blockfront als Raumproblem im Stadtbau> seinen Ausdruck fand. Die mehrgeschossigen Amsterdamer Wohnblöcke, die im Sinne von <Arbeiterpalästen> die neue gesellschaftliche Stellung der Arbeiterschaft verdeutlichen sollten, zählen zu den frühesten konsequenten Umsetzungen dieses Leitbildes. Ein prominentes Beispiel ist das Stadterweiterungsgebiet Amsterdam-Zuid (Abb. 2), ausgeführt nach dem 1915 vorgelegten städtebaulichen Entwurf von Hendrik Petrus Berlage (1856-1934), ausgeführt jedoch von Vertretern der jüngeren Generation, den Architekten der Amsterdamer Schule. [6]

2 Bebauung an der Amstellaan (heute Vrijheidslaan), Amsterdam-Zuid, 1921-23

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Der zeitliche Vorsprung zusammen mit einer konsequent modernen Formensprache machte den niederländischen Wohnungsbau zum wichtigsten Vorbild für deutsche Architekten. Informationen erhielten diese über Ausstellungen und Publikationen, aber auch durch den persönlichen Austausch mit ihren niederländischen Kollegen, vor allem bei Reisen in das westliche Nachbarland. Da in Deutschland bis zur Währungsreform und Einführung der sog. Hauszinssteuer im April 1924 nur wenige Bauvorhaben realisiert wurden, nutzten viele Architekten ihre freie Zeit in diesem Sinne. Für die frühen 1920er Jahre sind entsprechend von zahlreichen Architekten Hollandreisen überliefert, so auch von den beiden für den Wohnungsbau der Weimarer Republik bedeutenden Architekten Gustav Oelsner (spätestens 1922) und Bruno Taut (Februar und September 1923). Letzterer äußerte sich bewundernd über die moderne und einheitliche Gestaltung der Stadterweiterungen: <<Es ist der Amsterdamer Stadtverwaltung zur grössten Ehre anzurechnen, dass sie bei der Errichtung ganz grosser Stadtteile, wie z. B. Amsterdam Plan-Zuid die architektonische Durchbildung fast ausschliesslich diesen modernen Architekten übertrug, die dort und in anderen Gegenden […] ganz Ungewöhnliches geleistet haben. Zu bewundern ist dabei die Kühnheit, mit der sie sich über die bisherigen Gewohnheiten des holländischen Häuserbaus […] hinweggesetzt und grosse Baublöcke in zusammenfassender Form aufgeführt haben […]>>  [7] . Seine Erläuterungen galten aber auch anderen niederländischen Städten wie zum Beispiel Rotterdam: <<Nach einem weniger guten Bebauungsplan wird ein Stadtviertel mit vierstöckigen Häusern […] errichtet, wobei künstlerisch gesehen die Arbeit des Stadtarchitekten J. J. P. Oud ganz besonders zu beachten ist.>>  [8] Ähnliche Erfahrungen machte Oelsner, der im Juli 1924 erneut in die Niederlande reiste und am internationalen Städtebaukongress in Amsterdam teilnahm.  [9] Auf einer der anschließenden Exkursionen zu aktuellen Beispielen des niederländischen Wohnungsbaus führte Oud die Gruppe zu seinen Wohnblöcken in den Rotterdamer Neubaugebieten Spangen (1918-23) und Tusschendijken (1920-23). An Stelle der expressionistischen Bauten der Amsterdamer Schule zeigte sich den Besuchern dort eine andere Spielart der modernen niederländischen Architektur mit typisierten Wohnblöcken in strengen reduzierten Formen (Abb. 3).  [10]

3 J. J. P. Oud: Wohnblöcke Tusschendijken, Rotterdam, 1921-23

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Ab 1924 waren die beiden deutschen Architekten selbst mit dem Bau großer Wohnanlagen betraut: Bruno Taut errichtete für die Berliner GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) mehrere Großsiedlungen, Oelsner wurde 1924 Bausenator der preußischen Stadt Altona und fungierte als treibende Kraft hinter dem Projekt eines <Groß-Altona>. Beide Architekten setzten in ihren eigenen Wohnbauten die in Holland gemachten Erfahrungen um (Abb. 4, 5). Ein Kennzeichen dafür sind die mehrgeschossigen Baublöcke mit Flachdächern und den für Holland typischen Fassaden in Sichtbackstein. Bei Oelsners Wohnanlage in der Helmholtz-/Bunsenstraße (Abb. 5) fällt zudem das in Material und Farbe abgesetzte und damit als Dachzone charakterisierte Trockengeschoss auf, ein Gestaltungselement, das offenbar auf Michel de Klerks Wohnblöcke am Spaarndammerplantsoen in Amsterdam (Abb. 6) zurückgeht.

4 Bruno Taut: Siedlung Schillerpark, Berlin, 1924-30

5 Gustav Oelsner: Wohnbauten Helmholtz-/Bunsenstraße, Altona, 1926/27

6 Michel de Klerk: Wohnblock am Spaarndammerplantsoen, Amsterdam, 1913-15

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Aber auch die Rotterdamer Neubauten fanden eine direkte Umsetzung in den Wohnsiedlungen des Deutschen Reiches, darunter den Bauten von Taut und Oelsner. Dies vor allem nach einer erneuten Hollandreise des Altonaer Bausenators im Jahr 1927, die er wohl zusammen mit seinem Kollegen Bruno Taut unternahm und bei der auch Ouds Wohnbauten besichtigt wurden. Oelsners Urteil über den niederländischen Kollegen fiel uneingeschränkt positiv aus: << […] einer der Besten, die Europa in neuerer Zeit gehabt hat.>>  [11] Konkret von Oud übernommen haben die beiden deutschen Architekten neben der reduzierten, klaren Formensprache vor allem dessen Konzeption der Wohnblöcke: Bestimmend für die Rotterdamer Wohnbauten ist der Kontrast zwischen den reduzierten, flächig gehaltenen Straßenfronten in Sichtbackstein, gegliedert allein durch die serielle Abfolge der Fenster (vgl. Abb. 3), und den großen halböffentlichen Innenhöfen (Abb. 7). Letztere zeigen als Neuheit einheitlich gestaltete Fassaden von durchaus repräsentativem Anspruch mit durchlaufenden Balkonreihen und großen Fensteröffnungen sowie symmetrisch angelegte Grünflächen mit Gemeinschaftseinrichtungen.  [12]

7 J. J. P. Oud: Innenhof eines Wohnblockes, Tusschendijken, Rotterdam, 1921-23

8 Gustav Oelsner: Innenhof des Wohnblockes am Bahrenfelder Steindamm, Altona, 1927

9 Bruno Taut: U-förmiger Hof der Wohnanlage Carl Legien, Berlin, 1929/30

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Wie die Bauten von Oelsner und Taut beispielhaft zeigen, war der Wohnbau im Deutschen Reich stark von der niederländischen Architektur beeinflusst und dabei ganz konkret von Ouds Bauten. Dem Rotterdamer Gemeindearchitekten kam in der Tat eine Sonderstellung zu: Als Angestellter des Wohnungsbauamtes konnte er, vergleichbar den Architekten der Amsterdamer Schule, bereits ab 1918 im größeren Umfang bauen und zwar Wohnbauten für mittlere und untere Einkommensschichten. Genau dieser Bauaufgabe galt das Hauptinteresse der deutscher Architekten, die sich für die großen Wohnungsbauprogramme der Weimarer Republik Anregungen aus dem westlichen Nachbarland holten. Zugute kam Oud auch, dass der wichtigste Vertreter der Amsterdamer Schule, der so talentierte wie produktive Michel de Klerk, 1923 mit gerade 39 Jahren gestorben war. Das Bauen im Stil der Amsterdamer Schule hatte sich zudem bald als zu teuer erwiesen und wurde abgelöst von den reduziert-sachlichen Lösungen im Sinne von Ouds Architektur, die sich auch für die Wohnungsbauprojekte der Weimarer Republik als geeignet erwiesen. Geschickt verstand Oud es zudem, seine Arbeiten auf Ausstellungen, durch Publikationen und den persönlichen Kontakt zu Kollegen, Kunsthistorikern und Publizisten bekannt zu machen: So baute er sich in den 1920er Jahren ein großes internationales Netzwerk auf, das er über Jahre hinweg intensiv pflegte. Zu seinen Bekannten und Freunden zählten nicht nur die wichtigsten Architekten der Zeit wie Otto Bartning, Walter Gropius, Erich Mendelsohn und Ludwig Mies van der Rohe, sondern auch einflussreiche Autoren, darunter Adolf Behne, Walter Curt Behrendt, Sigfried Giedion und Henry-Russell Hitchcock. Die Liste der Namen lässt vermuten, dass Oud ganz gezielt den Kontakt mit Vertretern und Vermittlern der Moderne suchte, und zwar nicht primär mit Niederländern, sondern mit ausländischen bzw. auf internationaler Ebene tätigen Akteuren. Vor allem der große Nachbar Deutschland war mit seiner lebendigen Kunst- und Architekturszene und den großen Wohnungsbauprojekten als Einflussgebiet für ihn hoch interessant.

3. Ausstellungen und Publikationen in der Weimarer Republik

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Ouds Engagement in eigener Sache ging jedoch über die Netzwerkbildung und die Verbreitung seiner Bauten in Ausstellungen und Publikationen hinaus. So verfasste er architekturhistorische und kunsttheoretische Schriften, die seine Vorstellung von moderner Architektur beschreiben und gleichzeitig seine eigenen Arbeiten als wichtige Wegmarken in der aktuellen Kunstentwicklung präsentieren. Darüber hinaus war Oud an der Konzeption mehrerer internationaler Ausstellungen und Publikationen zur zeitgenössischen Architektur beteiligt. Damit hatte er nicht nur die Möglichkeit, seine eigenen Bauten im Ausland vorzustellen, sondern konnte aufgrund seiner zahlreichen persönlichen Kontakte auch andere niederländische Architekten empfehlen oder vorschlagen. Oud hatte somit entscheidenden Einfluss darauf, was das Ausland und speziell Deutschland als aktuelle holländische Architektur präsentiert bekam. Da den niederländischen Beiträgen ohnehin ein relativ großer Anteil in Ausstellungen und Publikationen zukam, nahmen die von Oud ausgewählten Arbeiten - darunter natürlich auch seine eigenen - eine zentrale Position ein.

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Die Architekturausstellungen und -publikationen des Deutschen Reiches präsentierten die zeitgenössische Architektur mehrheitlich als eine internationale Bewegung, in die sich die deutschen Architekten nach dem verlorenen Krieg eingliedern wollten.  [13] Eines der frühesten Beispiele hierfür ist die viel beachtete <Internationale Architekturausstellung>, die vom 15. August bis 30. September parallel zur <großen Bauhausausstellung 1923> in Weimar gezeigt wurde. Ziel des Bauhaus-Direktors Walter Gropius war es, die <<Entwicklung der modernen Architektur nach einer dynamisch-funktionellen Seite hin>>  [14] zu präsentieren, was ganz bewusst anhand internationaler Beispiele erfolgen sollte. Allerdings wählte Gropius nur Bauten aus, die ähnliche Gestaltungsprinzipen aufwiesen und damit den <neuen Baugeist> zum Ausdruck bringen konnten.  [15] Eine wichtige Rolle kam dabei, wie zu erwarten, der holländischen Architektur zu. Im Vertrauen auf sein Urteil bat er Oud geeignete niederländische Vertreter zu benennen.  [16] Nach erneuter Absprache mit Gropius forderte dieser schließlich mehrere Architekten zur Teilnahme auf, darunter die bereits zu Anfang von ihm vorgeschlagenen Gerrit Thomas Rietveld und Jan Wils, seine ehemaligen Kollegen in der Künstlergruppe <De Stijl>, sowie Johannes Bernardus van Loghem. Insgesamt wurden zehn holländische Arbeiten gezeigt, neben u. a. 14 Arbeiten aus Deutschland und sechs aus Frankreich.  [17]

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Während der Bauhauswoche, die gleichzeitig zur Bauhaus-Ausstellung vom 15. bis 19. August 1923 stattfand, durfte Oud einen der drei Festvorträge übernehmen. Seine Rede war offenbar identisch mit dem für ein deutsches Publikum konzipierten Vortrag <<Die Entwicklung der modernen Baukunst in Holland>>, den er bereits am 21. März in Berlin gehalten hatte. Der in den folgenden Jahren mehrfach in anderen deutschen Städten, meist in Verbindung mit einer Ausstellung zur modernen Architektur, wiederholte Vortrag wurde 1926 mit aktualisierten Beispielen publiziert.  [18] Oud schlägt dort einen Bogen von Petrus Josephus Hubertus Cuypers und Hendrik Petrus Berlage, den <Vätern der niederländischen Moderne>, über Bauten der Amsterdamer Schule bis zur zeitgenössischen <rationalistischen> Strömung mit unter anderem seinen eigenen Arbeiten. Dass Oud auf der internationalen Bauhaus-Ausstellung, die Vertreter zahlreicher Ländern vorstellte, eine nationale Erzählung präsentierte, erklärt sich aus der besonderen Rolle der niederländischen Architektur, galt diese doch in den 1920er Jahren per se als Qualitätsmerkmal. Auch Ouds Bekanntheit im Ausland und speziell in Deutschland gründete zunächst auf seiner Herkunft aus den Niederlanden und seiner Tätigkeit im kommunalen Wohnungsbau. Erst im Kontext der Bauhaus-Ausstellung erschien der holländische Architekt nun zugleich auch als führender Vertreter einer internationalen Moderne. Nur so wird schließlich verständlich, dass Oud als einziger Außenstehender neben Walter Gropius und dem Bauhaus-Meister Wassily Kandinsky einen der Festvorträge halten durfte. Das berühmte Pressefoto der drei Vortragenden im Direktorenzimmer des Bauhauses zeigt entsprechend Kandinsky und Gropius, wie sie sich mit großer Konzentration dem Gast aus Holland zuwenden (Abb. 10). Während Kandinsky in etwas erhöhter Position an den linken Rand des Bildes rückt, sind der Bauhaus-Direktor in der Mitte und der berühmte niederländische Gast auf der rechten Bildseite auf einer Höhe in fast gleicher Körperhaltung und einander direkt zugewandt als Hauptpersonen hervorgehoben. Ouds Präsenz auf der Ausstellung und während der Bauhauswoche führte zu einer weiteren gesteigerten Aufmerksamkeit beim deutschen Publikum. Die große Beachtung, die der Holländer am Bauhaus genoss, wurde im Nachhinein von Gropius bestätigt. Kurz nach Schließung der Ausstellung schrieb er nach Rotterdam: <<Im übrigen muß ich Ihnen gestehen, daß Sie hier bei all unseren Leuten auf der ganzen Linie gesiegt haben. Alle sprachen von Ihnen mit besonderer Liebe und Achtung.>>  [19]

10 Kandinsky, Gropius und Oud (v. l.) im Direktorenzimmer des Bauhauses, 1923

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Ausgehend von der internationalen Bauhaus-Ausstellung publizierte Walter Gropius 1925 das erste Bauhausbuch mit dem Titel <Internationale Architektur>. Wie bei der Ausstellung sollte hier die Entwicklung einer neuen internationalen Architektur demonstriert werden: <<Die nach besonderer Auswahl abgebildeten Werke tragen neben ihren verschiedenen individuellen und nationalen Eigentümlichkeiten gemeinsame, für alle Länder übereinstimmende Gesichtszüge. Diese Verwandtschaft, die jeder Laie feststellen kann, ist […] Vorbote eines allgemeines Gestaltungswillens von grundlegender neuer Art, der seine Repräsentanten in allen Kulturländern der Erde findet.>>  [20] Die <Internationale Architektur> zeigt ganze fünf Abbildungsseiten zu Ouds Bauten, dazu kommen Fotografien unter anderem zu Arbeiten von Rietveld, Wils und Van Loghem, das heißt den von Oud bereits für die Ausstellung vorgeschlagenen niederländischen Architekten. Auf Basis seines großen Erfolges in Weimar und seines wachsenden internationalen Ruhms durfte Oud schließlich das zehnte Bauhausbuch publizieren, das 1926 unter dem Titel <Holländische Architektur> erschien. Nach dem ersten Bauhausbuch von Gropius wurde hier erstmals wieder ein übergeordnetes Architekturthema gewählt.

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Ouds <Holländische Architektur> zeigt beispielhaft, wie er die niederländische Moderne definierte und einer deutschen Leserschaft vermitteln wollte. In der ersten Ausgabe von 1926 publiziert er dazu drei ältere Beiträge: Seine bereits 1923 formulierte nationale Erzählung <Die Entwicklung der modernen Baukunst in Holland>, sein <Architekturprogramm> von 1921 mit einer Beschreibung der damals erst am Anfang der Entwicklung stehenden Formensprache des International Style und einen dritten erstmals 1925 publizierten Artikel über den Einfluss des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright auf die europäische Architektur.  [21] Trotz des Titels handelt es sich bei dem reich bebilderten Beitrag <Die Entwicklung der modernen Baukunst in Holland> keineswegs um eine isolierte Darstellung der niederländischen Architektur. Vielmehr wird diese eingebettet in die internationale Entwicklung, wo sie - wie zu erwarten - eine wichtige Position einnimmt. Bereits bei Ouds persönlichem Mentor Berlage wird ein Vergleich mit internationalen Architekturgrößen gezogen: <<In dieser Breite der Auffassung begegnete er [der Rationalismus Berlages: EvE] sich von selbst [sic] mit den in vieler Hinsicht gleichgesinnten Bestrebungen ausländischer Bahnbrecher, wie Wagner, Behrens, Van de Velde, usw. Es wurde die Baukunst demnach in ihren Absichten aufs neue eine Angelegenheit internationaler Art, wenn sich auch die Resultate vorläufig noch sehr national differenziert zeigten.>>  [22] Der gerade in Deutschland so berühmten und beliebten Amsterdamer Schule, die auf internationaler Ebene durchaus eine Konkurrenz zu Oud darstellte, spricht er eine ambivalente Rolle zu: So leugnet er zwar nicht das große Talent von Michel de Klerk, der tatsächlich mit acht Abbildungen gewürdigt wird (Abb. 12), meint aber gleichzeitig einen Rückschritt in der Entwicklung zu erkennen: <<Es ist die sogenannte Amsterdamer Schule, neben deren begabtestem Vertreter De Klerk noch Kramer und Van der Mey zu nennen sind, welche die Baukunst völlig ins Romantische und Phantastische schleppt […]>>  [23]..Eine Strömung, die laut Oud dagegen unmittelbar zur neuen internationalen Baukunst führt bzw. Teil dieser ist, wird vor allem durch ihn selbst (mit insgesamt sieben Abbildungen) sowie durch Rietveld, einem seiner besten Freunde (mit fünf Abbildungen) vertreten: <<Es wurde im Laufe des Vortrags versucht, zu zeigen, wo es in der Evolution der holländischen Baukunst Anknüpfungspunkte mit der großen Linie der Entwicklung gibt.>>  [24] An internationalen Vergleichen nennt Oud Bauten des Bauhaus-Direktors Walter Gropius und von Le Corbusier, einem der gefragtesten Architekten der Zeit. Insgesamt erscheint alles, was vor seinem eigenem Werk liegt, als bloße Vorstufe dieser neuen internationalen Baukunst, so auch die Arbeiten des bereits verstorbenen Ausnahmetalentes De Klerk. Oud wird dadurch zum Vollender des von seinem Landsmann so hoffnungsvoll beschrittenen Weges und steht schließlich international auf gleicher Höhe mit Le Corbusier (Abb.13).

11 Schutzumschlag des zehnten Bauhausbuches von Oud, 1926

12 Doppelseite aus Ouds Bauhausbuch mit Wohnbauten von Michel de Klerk

13 Doppelseite aus Ouds Bauhausbuch mit Plänen der Häuserzeilen in Hoek van Holland und Le Corbusiers Landhaus in Vaucresson

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Ouds Bauhausbuch war zwar eine der bekanntesten deutschen Architekturpublikationen zur niederländischen Moderne, steht in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre jedoch keineswegs isoliert. Dem großen Interesse am Bauwesen des Nachbarlandes entsprechend wurden bereits in den frühen 1920er Jahren Artikel zur holländischen Architektur in deutschen Fachzeitschriften veröffentlicht.  [25] Allerdings markiert Ouds Bauhausbuch den Beginn einer ganzen Reihe von Monografien zur aktuellen holländischen Architektur. So erschienen ebenfalls 1926 die <Holländische Architektur des 20. Jahrhunderts> des Niederländers J. P. Mieras sowie Emil Emanuel Strassers <Neuere Holländische Baukunst>; ein Jahr später folgte Gustav Brandes <Neue Holländische Baukunst>. Auch Ouds Verbindung einer nationalen niederländischen Bautradition mit einer aktuellen internationalen Architekturentwicklung findet sich in diesen Publikationen: So sah Mieras in der holländischen Architektur sowohl nationale Eigenarten als auch einen <kosmopolitischen> Charakter  [26] , während Brandes das Zusammentreffen von nationalen Kennzeichen und internationaler Entwicklung beschreibt: <<In der holländischen Baukunst der Gegenwart, welche die Augen des ganzen Abendlandes auf sich gelenkt hat, begegnet sich eingeborener nationaler Formentrieb mit einem allen Anscheine nach im Werden begriffenen Weltstil.>>  [27] Inwieweit Ouds Bauhausbuch hier einer bestimmten Deutung - die zentrale Rolle der niederländischen Architektur einschließlich seiner eigenen Bauten für die Entwicklung der internationalen Moderne - zum Durchbruch verholfen hat, müssen weitere Untersuchungen klären.

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Die Vorstellung, dass die niederländische Architektur einen zentralen Beitrag zur internationalen Moderne leistet, prägte auch die zeitgenössischen Architekturausstellungen. Eine viel beachtete Präsentation war die 1927 parallel zur Mustersiedlung auf dem Weißenhof gezeigte <internationale Plan- und Modellausstellung Neuer Baukunst>. Oud, der als einer der ersten Architekten für die Mustersiedlung ausgewählt worden war und für seine Reihenhäuser einen der prominentesten Bauplätze erhielt, sollte nun, aufgefordert von dem künstlerischen Leiter Ludwig Mies van der Rohe, auch das Ausstellungsmaterial der niederländischen Architekten zusammenzustellen.  [28] Wie bei der Bauhaus-Ausstellung konnte Oud damit die Auswahl der Architekten wie auch der zu präsentierenden Werke mitbestimmen. Zu den beteiligten Niederländern zählten wiederum seine ehemaligen De Stijl-Kollegen Rietveld und Wils sowie er selbst. Von den laut Katalog 531 ausgestellten Werken waren 18 Arbeiten von Oud.  [29] Unter den ausländischen Vertretern konnte er damit nach Le Corbusier, dem unangefochtenen Star der Weißenhofsiedlung, die meisten Abbildungen präsentieren. Ähnlich der Mustersiedlung auf dem Weißenhof, die sich aus Einzelbauten internationaler Architekten zusammensetzt, versammelte die <Plan- und Modellausstellung> Werke aus zahlreichen Ländern. Ziel der Ausstellung war es, die Wohnbauten auf dem Weißenhof als beispielhaft für eine internationale Architektur und nicht als temporäre nationale Erscheinung zu präsentieren. Entsprechend der in der Presse als <Bild moderner Weltarchitektur> bezeichneten <Plan- und Modellausstellung>  [30] wurde tatsächlich das einheitliche Erscheinungsbild der Weißenhofsiedlung als Sinnbild für die internationale Moderne verstanden und verbreitet. Auch die <Plan- und Modellausstellung> fand mit mehr als einer halben Million Besuchern große Beachtung und ging anschließend als Wanderausstellung in insgesamt 17 Städte des In- und Auslandes.

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Wie am Beispiel der Bauhaus-Ausstellung und der <Plan- und Modellausstellung> deutlich wird, hat Oud durch sein aktiv betriebenes Netzwerk und seine konkrete Einflussnahme bei der Auswahl von Architekten bzw. bestimmter Arbeiten das international, vor allem aber in Deutschland vermittelte Bild der niederländischen Moderne maßgeblich geprägt. Da die niederländischen Bauten oftmals auf Ausstellungen zur internationalen Architektur präsentiert wurden, entstand eine auf den ersten Blick paradoxe Situation: So hat Oud nicht allein entscheidenden Anteil an unserem Bild der niederländischen Moderne, sondern auch an dem der modernen Architektur insgesamt. Bis heute wird sowohl die herausragende Stellung der niederländischen Architektur für die internationalen Moderne akzeptiert, als auch der von Oud mitgestaltete Kanon von Bauten einschließlich seiner eigenen Werke.

4. Der von Oud geprägte Kanon der Moderne und die Fotografie

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Die in den 1920er Jahren erschienenen Publikationen zur modernen niederländischen Architektur zeigen mehrheitlich eine bestimmte Auswahl von Arbeiten. So beginnen die meisten Darstellungen mit Cuypers Rijksmuseum und Berlages Amsterdamer Börse, gefolgt von Bauten von Karel P. C. de Bazel, dem Hilversumer Stadtarchitekten W. M. Dudok, den Architekten der Amsterdamer Schule und schließlich den Bauten von J. J. P. Oud. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch einzelne Fotografien immer wieder verwendet wurden. Damit wiederholten sich nicht nur einzelne Bauten, sondern auch ganz bestimmte Ansichten dieser Werke. Bis zur Mitte der 1920er Jahre mag hier auch die beschränkte Anzahl von Aufnahmen eine Rolle gespielt haben. Besondere Bedeutung kam somit den Fotografien des Engländers Frank R. Yerbury (1885-1970) zu, der in eigener Sache sowie 1924/25 im Auftrag des Wasmuth-Verlages zahlreiche Neubauten in den Niederlanden aufnahm und für Publikationen zur Verfügung stellte.  [31] Yerburys Amateurfotografien unterscheiden sich in einigen Punkten stark von zeitgleichen Aufnahmen niederländischer und deutscher Architekturfotografen wie beispielsweise Bernadus F. A. Eilers oder Arthur Köster.  [32] Während dort menschenleere und möglichst neutrale Aufnahmen überwogen, zeichnen sich Yerburys Fotografien durch die Wiedergabe von Menschen sowie starke Schattenbilder aus, die oftmals einen ganz eigenen Rhythmus in die Darstellung einbringen. Auch Ouds Bauten wurden in dieser Form von Yerbury fotografiert und in Fachzeitschriften und Buchpublikationen verbreitet (z. B. Abb. 7).

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Durch die beschränkte Auswahl der Bauten und Ansichten wurde ein ganz bestimmtes Bild der modernen Architektur vermittelt, das jedoch keineswegs immer mit der Realität übereinstimmte. Dies gilt auch für die Arbeiten von Oud. Zwei der insgesamt fünf Fotografien auf dem Schutzumschlag des Bauhausbuches <Holländische Architektur> (Abb. 11) sind Bauten von ihm selbst.  [33] Es handelt sich in beiden Fällen um die Wohnblöcke in Tusschendijken (1921-23), die Mitte der 1920er Jahre zu den am häufigsten publizierten Arbeiten von Oud zählten. Die mittlere Fotografie, die durch das gelbe Band mit Schriftzug besonders hervorgehoben wird, zeigt zwei der mehrgeschossigen Wohnblöcke in dem Rotterdamer Stadterweiterungsgebiet. Die klare reduzierte Formensprache wie auch die Größe des Bauprojekts und die Wiederholung eines typisierten Wohnblocks betonen in erster Linie die Modernität von Ouds Architektur und den großstädtischen Charakter Rotterdams als Hauptwirkungsstätte von Oud. Auch die zweite Fotografie, einer der Innenhöfe der Tusschendijkener Wohnblöcke, steht mit der großen, einheitlich gestalteten Grünanlage und den durchlaufenden Balkonreihen für Anspruch und Modernität der Bauten. Der erhöhte Standpunkt des Fotografen ermöglicht einen großen Ausschnitt und betont damit die Tiefenerstreckung und Symmetrie des Innenhofes als wichtige gestalterische Kennzeichen. Entsprechend wurde hier auch nicht auf Yerburys Aufnahme zurückgegriffen (Abb. 7), die eine Nahansicht des Hofes aus Perspektive der Bewohner samt spielenden Kindern zeigt und damit mehr ein Stimmungsbild gibt als die Modernität der Bauten hervorzuheben.

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Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wohnkomplex Tusschendijken besaß jedoch auch in architektonischer Sicht andere, weniger modern erscheinende Seiten. Ein Blick auf die Entwürfe zeigt eine deutlich differenziertere Anlage als die Fotografien vermuten lassen (Abb. 3, 11). So waren jeweils zwei Wohnblöcke zu einer städtebaulichen Einheit verbunden und besaßen die einzelnen Bauten je zwei unterschiedlich gestaltete Langfronten (Abb. 14): Während so dreigeschossige Fassaden mit Schrägdach und Dachgauben die verkehrsärmeren Straßen flankieren, finden sich viergeschossige flachgedeckte Hausfronten an den größeren Verkehrsachsen. Aufgrund des Satteldachs wirken die Fassaden der <Wohnstraßen> (Abb. 15) deutlich konventioneller als die flach abschließenden und um ein Geschoss höheren Fassaden an den Verkehrsstraßen.

14 Lageplan, Wohnblöcke Tusschendijken, Rotterdam, 1920

15 J. J. P. Oud, Aufriss einer <Wohnstraße>, Tusschendijken mit Satteldach und Balkonen

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Während zahlreiche Fotografien die <moderneren> viergeschossigen Straßenfronten mit Flachdach zeigen, so auch das Bild auf dem Umschlag des Bauhausbuches (Abb. 11), existiert kein Foto mit Blick in eine der <Wohnstraßen>. Diese entsprachen offenbar weniger dem gewünschten Bild der großstädtischen Moderne, mit dem sich Oud international präsentieren wollte. Nur auf einer einzigen Fotografie ist das Schrägdach, wenn auch nur im Ansatz, zu erkennen (Abb. 16). Aus stilistischen Gründen ist die Aufnahme dem Amateurfotografen Yerbury zuzuschreiben, der hier – wie auch bei der Darstellung des Innenhofes (Abb. 7) – weniger die Modernität der Anlage als ein lebendiges Stimmungsbild mit starken Schlagschatten und der komplexen Ecksituation samt angeschnittener <Wohnstraße> gibt. Bezeichnenderweise findet sich dieses Bild, wie auch Yerburys Hofansicht, im Innern von Ouds Bauhausbuch und nicht auf dem Umschlag.  [34]

16 J. J. P. Oud: Holländische Architektur, 1926 mit angeschnittener <Wohnstraße> (li)

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Zu den zahlreich publizierten Arbeiten von Oud zählt auch die 1923/24 auf dreieckigem Grundriss errichtete Siedlung Oud-Mathenesse. Die von den Bewohnern liebevoll <Witte Dorp> (<Weißes Dorf>) genannte Anlage erinnert mit ihren eingeschossigen, aus traditionellen Materialien errichteten Satteldachhäusern, die sich um einen zentralen Platz gruppieren, an ein niederländisches Dorf oder hofje.

17 J. J. P. Oud, Siedlung Oud-Mathenesse (<Witte Dorp>), Rotterdam, 1923/24

In zeitgenössischen Fotografien wird jedoch auch hier der internationale Charakter der Architektur betont. Entsprechend erschien die Siedlung 1925 im ersten Bauhausbuch von Walter Gropius mit dem Titel <Internationale Architektur>. Im Gegensatz zu einer Fotografie im Oud-Archiv des Nederlands Architectuurinstituut Rotterdam (NAi), die seit den 1920er Jahren vielfach publiziert wurde (Abb. 18), zeigt das von Gropius ausgewählte Bild einen anderen, kleineren Ausschnitt (Abb. 19). Als Folge davon nimmt die Wandfläche der links zu sehenden Ladenzeile deutlich mehr Platz in der Darstellung ein und erscheint durch eine stärkere Aufsicht zudem als neutrale weiße Fläche, auf der sich die Passanten als dunkle Silhouetten abzeichnen. Da der Abschluss der Häuserzeile bei dieser Aufnahme links außerhalb des Bildes liegt, entsteht der Eindruck, als ob sich die weiße Wandfläche noch weiter fortsetzen würde. Auch das Schrägdach, ein von den Vertretern der internationalen Moderne mehrheitlich abgelehntes Bauglied, ist aufgrund des gewählten Betrachterstandpunktes nicht sichtbar. Das von einem bisher nicht identifizierten Fotografen stammende Bild betont damit geradezu vorbildlich die Kriterien der <internationalen> oder <weißen Moderne>, während die traditionellen Elemente wie die Schrägdächer, der insgesamt kleine Maßstab der Häuser und der Dorfcharakter der Siedlung nicht in Erscheinung treten.

18 Siedlung Oud-Mathenesse, Blick auf die Ladenzeile (li) und den zentralen Platz (re)

19 Seite aus dem ersten Bauhausbuch von Walter Gropius, Internationale Architektur, 1925

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Zum Kanon der internationalen Moderne zählt neben den makellos weißen Wandflächen und einer sich dynamisch in die Tiefe erstreckenden Häuserzeile auch die Asymmetrie. Die Siedlung Oud-Mathenesse ist als Gesamtkomposition jedoch streng symmetrisch aufgebaut mit einer durch die Spitze der Anlage verlaufenden Spiegelachse (vgl. Abb. 17). Im Oud-Archiv des NAi befindet sich ein Lageplan der Siedlung mit insgesamt sieben Pfeilen zur Markierung verschiedener Blickrichtungen (Abb. 20) samt zugehörigen Fotografien (vgl. Abb. 18). Auffallend ist, dass die frontale Sicht auf ein Gebäude oder eine Häuserfront von einer Ausnahme abgesehen (Blickrichtung A, Abb. 21) vermieden wurde. Durch die Bevorzugung von Schrägansichten wird die bestehende Symmetrie der Gesamtanlage wie auch der einzelnen Gebäude einschließlich der zu spiegelsymmetrischen Einheiten verbundenen Wohnhäuser (vgl. Abb. 22) weniger sichtbar. Zweifellos handelt es sich dabei um einen bewussten Kunstgriff, um den gestalterischen Prämissen der Moderne besser zu entsprechen.

20 Siedlung Oud-Mathenesse, Ausschnitt Lageplan mit eingetragenen Blickachsen (A – F)

21 Siedlung Oud-Mathenesse, Fotografie nach Blickachse <A>

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Was durch die zumeist menschenleeren Schwarz-Weiß-Fotografien der 1920er Jahre ebenfalls nicht vermittelt wird, sind der kleine Maßstab der Bauten sowie deren Farbigkeit. Seit der Zusammenarbeit mit seinen De Stijl-Kollegen im Jahr 1917 erhielten alle Bauten von Oud farbige Elemente.  [35] Die Farbrekonstruktion der Wohnhäuser in Oud-Mathenesse (Abb. 22) zeigt die mit roten Ziegeln gedeckten Dächer, Sockel aus gelbem Stein, blaue Türblätter und Fensterrahmen in Gelb und Weiß. Die kleinformatigen farbigen Wohnbauten finden in den zeitgenössischen Fotografien der Siedlung damit keine Entsprechung. Die hohen Kosten von Farbabbildungen in den 1920er Jahren kamen hier sicherlich dem gewünschten und in den Schwarz-Weiß-Fotografien vermittelten Bild der <Weißen Moderne> entgegen.

22 Farbrekonstruktion von zwei Normhäusern der Siedlung Oud-Mathenesse

<24>

Kaum ein Gebäude der 1920er Jahre entsprach dem Bild der <Weißen Moderne> so gut wie die 1924 entworfenen und 1926/27 ausgeführten Häuserzeilen in Hoek van Holland. Unmittelbar nach Fertigstellung wurden die Wohnbauten publiziert und als Beispiele der internationalen Moderne vor allem im Ausland verbreitet. Dass sogar Fotografien der noch unfertigen Bauten in Zeitschriften und Architekturpublikationen erschienen, unter anderem 1927 in der zweiten Auflage von Gropius‘ Bauhausbuch (Abb. 23), zeigt die Begeisterung gerade des deutschen Publikums für dieses Werk.  [36]

23 Walter Gropius: Internationale Architektur, 2. Auflage 1927, mit Ouds Wohnzeilen in Hoek van Holland

<25>

Entsprechend dem Kanon der internationalen Moderne wurden die 1927 fertiggestellten Wohnzeilen als eine asymmetrische, strahlend weiße Architektur mit elegant gebogenen Glasfronten, schlanken Rundstützen und dynamisch vorkragenden Balkonen präsentiert (Abb. 1). Auf diese Weise erschienen sie auch 1932 auf der viel beachteten Ausstellung <Modern Architecture - international exhibition> im Museum of Modern Art in New York (Abb. 24, Mitte). Die beiden Fotografien der Häuserzeilen in Hoek van Holland wurden dort ergänzt durch Aufnahmen anderer Wohnbauten von Oud wie der Siedlung Kiefhoek in Rotterdam (Abb. 24, re) und den Reihenhäusern auf der Stuttgarter Weißenhofsiedlung (Abb. 24, li), zogen zweifellos jedoch die meiste Aufmerksamkeit auf sich. So schrieb Philip Johnson, zusammen mit Henry-Russell Hitchcock Initiator der Ausstellung, an seinen Rotterdamer Freund: <<Es ist sehr interessant, daß Du und Mies van der Rohe die beiden europäischen Architekten sind, die den meisten Beifall in unserer Ausstellung erhielten. Du weitgehend auf Grund Deiner Arbeit als Wohnungsbauarchitekt in Hoek van Holland und Mies van der Rohe weitgehend wegen der luxuriösen Ausführung des Tugendhat-Hauses. >>  [37]

24 Ausstellungsraum im Museum of Modern Art, New York, 1932, während der Ausstellung <Modern Architecture - international exhibition>

<26>

Oud wurde neben Le Corbusier, Gropius und Mies van der Rohe als einer der <four leaders of modern architecture> gefeiert, die den neuen Architekturstil zum Durchbruch geführt hatten.  [38] In der begleitenden Publikation <The international style: Architecture since 1922> erscheinen Ouds Bauten entsprechend als Musterbeispiele der zuvor formulierten Stilprinzipien, darunter der <modularen Regelmäßigkeit> an Stelle von Symmetrien.  [39] Tatsächlich bilden die Häuserzeilen in Hoek van Holland jedoch eine streng symmetrische Anlage mit zwei identischen, zu Seiten eines U-förmigen Zwischenbaus axialsymmetrisch angeordneten Häuserreihen, die jeweils in einem Halbrund enden (Abb. 25, 26). Mit Ausnahme eines Grundrisses, der für alle publizierten Objekte obligatorisch war, wurden in der Ausstellung und dem begleitenden Buch ausschließlich extreme Schrägansichten oder Ausschnitte der Bauten gezeigt, in denen die Symmetrie der Anlage nicht erkennbar ist. Auch die Existenz farbiger Bauelemente, wie die gelben Sockel, die blauen bzw. roten Türblätter, die blauen Geländer und Lampen in Gelb und Rot, blieben dem Ausstellungsbesucher und Leser verborgen.

25 J. J. P. Oud, Lageplan der Häuserzeilen in Hoek van Holland

26 J. J. P. Oud, Verbindungsbau der Häuserzeilen in Hoek van Holland

<27>

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Siedlung Kiefhoek, die zwischen 1928 und 1930 im Süden Rotterdams entstand. Auf den gängigen Fotografien (z. B. Abb. 27) wird der Anschein von langgestreckten Zeilenbauten mit Fensterbändern vermittelt, die sich dynamisch und scheinbar endlos in die Tiefe erstrecken. Ein Blick auf den Lageplan oder ein Luftbild (Abb. 28) zeigt jedoch, dass vier der insgesamt sechs parallel verlaufenden Häuserzeilen zwei weitgehend geschlossene Wohnblöcke mit innenliegenden Privatgärten umfassen. Die Wohnräume liegen zudem wie bei einer traditionell geschlossenen Blockrandbebauung alle zur Straße und nicht wie beim Zeilenbau einheitlich nach Westen bzw. Süden. Die Struktur der Siedlung war damit konventionell und bei Fertigstellung 1930 eigentlich längst überholt. Auch bei der Siedlung Kiefhoek stimmen das durch Fotografien vermittelte Bild und die gebaute Realität somit nicht überein: statt eines modernen Zeilenbaus wurde hier eine Blockrandbebauung realisiert und finden weder die Symmetrien noch die Farbigkeit der Bauten (Abb. 29) in den Fotografien einen Ausdruck.

27 J. J. P. Oud, Siedlung Kiefhoek, Rotterdam, 1925-30

28 Siedlung Kiefhoek, Luftbild, 1930er Jahre

29 J. J. P. Oud, Siedlung Kiefhoek, Rotterdam, Wohnhaus für Großfamilien

<28>

1927 tritt ein weiterer namentlich bekannter Fotograf auf, der für die internationale Verbreitung von Ouds Bauten eine zentrale Rolle gespielt hat: Der niederländische Architekturfotograf Evert Marinus van Ojen (1886-1964) war offenbar seit Fertigstellung der Häuserzeilen in Hoek van Holland für Oud tätig (Abb. 1) und fotografierte in der Folge auch die Siedlung Kiefhoek (Abb. 27) und die Wohnräume der Stuttgarter Reihenhäuser.  [40] Seine Fotografien betonen die makellos weißen Fassaden im hellen Sonnenlicht, aber auch die Plastizität der Baukörper durch starke Licht- und Schattenkontraste. Besondere Kennzeichen seiner Aufnahmen sind die Dynamik der Bauten durch Schrägaufnahmen sowie eine extreme Nah- und Untersicht. Frontalaufnahmen existieren kaum, auch Menschen treten bei Van Ojen nur selten auf. In den 1920er Jahren griffen vor allem die Vertreter einer internationalen Moderne auf diese Aufnahmen zurück, beispielsweise Ludwig Hilberseimer in seinem Buch <Internationale neue Baukunst> von 1927 und Leo Adler in seinen <Neuzeitlichen Siedlungen und Mietshäusern> von 1931. Letzterer arrangierte die prominenten Fotografien auf einer Doppelseite zu einer eindrucksvollen Bildkomposition der <Weißen Moderne> (Abb. 30)

30 Leo Adler, Neuzeitliche Siedlungen und Mietshäuser, Berlin 1931, mit Ouds Häuserzeilen in Hoek van Holland (li) und der Siedlung Kiefhoek (re)

<29>

Oud versuchte seinerseits durch die gezielte Verbreitung dieser Aufnahmen dem propagierten Bild der internationalen Moderne zu entsprechen.  [41] Er folgte damit einem internationalen Trend, der das Charakteristische seiner Bauten nicht widerspiegelt oder sogar verdeckt: Weder die Symmetrie noch die Funktion und das städtische Umfeld seiner Wohnbauten - Unterkünfte für die unteren Einkommensschichten der Hafenstadt Rotterdam - werden in Van Ojens Fotografien vermittelt. So wirken die Häuserzeilen in Hoek van Holland (Abb. 1) wie eine elegante Wohnanlage der städtischen Oberschicht, in Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Aneinanderreihung von Kleinstwohnungen für die Arbeiter des nahegelegenen Hafenbetriebs.

<30>

Oud hat die zeitgenössische niederländische Architektur durch sein aktives Mitwirken bei der Konzeption von Ausstellungen und Publikationen vor allem im Nachbarland Deutschland bekannt gemacht und verbreitet. Dabei wählte er einzelne Vertreter oder Arbeiten aus, die bald einen Kanon der niederländischen Moderne bildeten. Infolge der zunehmend auf Internationalität zielenden Ausstellungen und Publikationen hat er damit nicht nur das Bild der niederländischen Moderne, sondern auch das der internationalen Moderne maßgeblich geprägt. Seinen eigenen Bauten kam in der Entwicklungsgeschichte der modernen Architektur und dem internationalen Kanon ein zentraler Stellenwert zu. Die in ihrer Suggestivkraft beeindruckenden Fotografien der 1920er Jahre, vor allem die wohl in Ouds Auftrag entstandenen Aufnahmen von Evert Marinus Van Ojen, wurden auch für spätere Publikationen herangezogen.  [42] Die wenigen, immer wieder reproduzierten Fotografien transportieren das in den 1920er Jahren von Oud geprägte Bild der niederländischen und internationalen Moderne bis heute ungebrochen weiter (Abb. 31, 32).

31 Buchumschlag, W. C. Behrendt: Modern Building, 1937 mit Umzeichnung einer Fotografie Van Ojens (Abb. 30)

32 Buchumschlag, Ed Taverne u. a.: J. J. P. Oud, 2001 mit Fotografie Van Ojens

5. Bildnachweis

Leo Adler: Neuzeitliche Siedlungen und Mietshäuser, Berlin 1931, Fotograf E. M. van Ojen: Abb. 1, 27, 30.

Walter Curt Behrendt: Modern Building, New York 1937: Abb. 31.

Carel Blotkamp, Red.: De vervolgjaren van De Stijl 1922 1932, Amsterdam/Antwerpen 1996: Abb. 28.

Maristella Casciato: The Amsterdam School, Rotterdam 1996: Abb. 2, 6.

Bernard Colenbrander, Endred.: Oud-Mathenesse, Het Witte Dorp 1923-1987, Rotterdam 1987: Abb. 21, 22.

Sjoerd Cusveller, Hrsg.: J. J. P. Oud. De Kiefhoek. Een woonwijk in Rotterdam, Laren 1990: Abb. 17.

Eva von Engelberg-Dočkal: Abb. 26, 29.

Eva von Engelberg-Dočkal: J. J. P. Oud. Zwischen De Stil und klassischer Tradition. Arbeiten von 1916 bis 1931, Berlin 2006: Abb. 14, 15, 20, 25.

Walter Gropius: Internationale Architektur, München 1925: Abb.19, 23.

Hamburg und seine Bauten mit Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg 1918-1929, hrsg. vom Architekten- und Ingenieurverein zu Hamburg, Hamburg 1929, Altona – Wohnhausbauten: Abb. 5.

Ernst van der Hoeven: J. J. P. Oud en Bruno Taut. Ontwerpen voor een nieuwe stad. Rotterdam – Berlijn, Rotterdam 1994: Abb. 8.

Gaetano Minnucci: L’Abitazione moderna popolare nell’architettura contemporanea olandese, Roma 1926: Abb. 18.

Online-Diathek der TU Dresden, Institut für Kunstgeschichte: Abb. 4.

J. J. P. Oud: Holländische Architektur, München 1926, Fotograf F. R. Yerbury: Abb. 7, 11-13, 16 (hier stilistisch zugeschrieben).

Paul Overy: De Stijl, London 1991: Abb. 3.

Terence Riley: The International Style: Exhibition 15 and the Museum of Modern Art, New York 1992: Abb. 24.

Ed Taverne u. a.: J. J. P. Oud: 1890-1963. Poëtisch functionalist, 1890-1963, compleet werk, Rotterdam 2001: Abb. 32.

Klaus-Jürgen Winkler, Hrsg.: Bauhaus-Alben, 4, Weimar 2009, darin: Die Bauhaus-Ausstellung 1923, S. 10-61: Abb. 10.

6. Zur Autorin

Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Neueren deutschen Literatur in München und Bonn, Forschungsaufenthalt am Niederländischen Architectuurinstituut in Rotterdam, Promotion an der Universität Augsburg mit einer Arbeit über J. J. P. Oud. Wissenschaftliches Volontariat am Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, Lehrauftrag an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Assistentin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HafenCity Universität Hamburg, seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität Weimar. Habilitationsprojekt über die Baupolitik unter Frederik VI. mit Schwerpunkt auf den Herzogtümern Schleswig und Holstein.

Postadresse: Dr. phil. Eva von Engelberg-Dočkal, Rheingaustraße 137, 65203 Wiesbaden

Mail: evavonengelberg@web.de



[1] Ausführliche Bibliografie zu Oud: Donald Langmead: J. J. P. Oud and the International Style, A Bio-Bibliography, Westport, Connecticut/London 1999.

[2] Neben zahlreichen deutschen Städten hielt Oud Vorträge u. a. in Bern, Brünn, Osaka, Paris, Prag, Tokyo, Warschau, Wien und Zürich. Vgl. Ed Taverne, Cor Wagenaar, Martien de Vletter: J. J. P. Oud: Poëtisch functionalist 1890-1963, compleet werk, Rotterdam 2001, v. a. S. 15-51; Eva von Engelberg-Dočkal: J. J. P. Oud. Zwischen De Stil und klassischer Tradition. Arbeiten von 1916 bis 1931, Berlin 2006, v. a. S. 8, S. 30-40.

[3] <Oud als Architekt des Woningdienst>: Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 173f.

[4] Vgl. Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 183f.; Kat.Nr. 27, 22, 28, 31.

[5] <Kritik und Entlassung aus dem Woningdienst>: Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 192-194.

[6] The housing districts of Amsterdam: urban models and architectural concepts, in: Maristella Casciato: The Amsterdam School, Rotterdam 1996 (erste Ausgabe Bologna 1987), S. 121ff.; Vladimir Stissi: De woningbloken van De Klerk, in: Manfred Bock, Sigrid Johannisse, Vladimir Stissi: Michel de Klerk. Bouwmeester en tekenaar van de Amsterdamse School 1884-1923, Rotterdam 1997, S. 56-93; Nancy Stieber: Housing design and society in Amsterdam. Reconfiguring urban order and identity 1900-1920, Chicago/London 1998.

[7] Bruno Taut: Architektonische Vortragsreise (Februar 1923) im besetzten Gebiet Deutschlands und in Holland, in: Bouwkundig Weekblad, Jg. 44, 23.6.1923, Nr. 25, S. 292-295, hier S. 294f.

[8] Taut 1923 (wie Anm. 7) S. 293.

[9] Christoph Timm: Gustav Oelsner und das Neue Altona. Kommunale Architektur und Stadtplanung in der Weimarer Republik, Hamburg 1984, S. 69.

[10] Eva von Engelberg-Dočkal: Moderne und Heimatschutz – Oelsners Wohnbauten unter dem Einfluss Hollands und der lokalen Bautradition, in: Gustav Oelsner. Stadtplaner und Architekt der Moderne, hrsg. von Burcu Dogramaci, Hamburg 2008, S. 53-66.

[11] Zitiert nach Erich Lüth, Hrsg.: Gustav Oelsner, Porträt eines Baumeisters, Hamburg 1960, S. 21.

[12] Engelberg 2008 (wie Anm. 10).

[13] Die Frage nach der Existenz eines internationalen Gestaltungswillens wurde durchaus kontrovers diskutiert. Die Außenwahrnehmung dominierten seit Mitte der 1920er Jahre jedoch die Vertreter eines einheitlichen formalen Baustils: vgl. Magdalena Bushart: Adolf Behne, Walter Gropius und die Stildebatte des Neuen Bauens, in: Nation, Style, Modernism: proceedings of the international conference under the patronage of Comité International d'Histoire de l'Art, 6.-12.09.2003, hrsg. von Jacek Purchla und Wolf Tegethoff, Krakau/München 2006, S. 199-220.

[14] Brief von Gropius an Mies van der Rohe vom 4.06.1923, zitiert nach Klaus-Jürgen Winkler: Das Staatlichte Bauhaus und die Negation der klassischen Tradition in der Baukunst. Die Architekturausstellungen in Weimar 1919, 1922, 1923, in: Klassik und Avantgarde. Das Bauhaus in Weimar 1919-1925, hrsg. von Hellmuth Th. Seemann und Thorsten Valk, Göttingen 2009, S. 261-284, hier S. 276.

[15] Vgl. Bushart 2006 (wie Anm. 13), S. 209ff.

[16] Brief von Gropius an Oud vom 31.5.1923, Oud-Archiv, Nederlands Architectuurinstituut Rotterdam; Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 30. Gropius kannte Ouds Arbeiten wohl seit 1920, spätestens jedoch seit Theo van Doesburgs Auftreten am Bauhaus 1921/22 und dem gleichzeitig stattfindenden Wettbewerb um Haus Kallenbach in Berlin-Grunewald, bei dem Oud und Gropius als Konkurrenten auftraten: Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 77; Kat.Nr. 16. Laut Gruhn-Zimmermann vermittelte Adolf Behne den Austausch zum Bauhaus: Antonia Gruhn-Zimmermann: <Das Bezwingen der Wirklichkeit>. Adolf Behne und die moderne holländische Architektur, in: Magdalena Bushart, Hrsg.: Adolf Behne. Essays zu seiner Kunst- und Architektur-Kritik, Berlin 2000, S. 117-145, hier S. 118; S. 130.

[17] Klaus-Jürgen Winkler, Hrsg.: Bauhaus-Alben, 4, Weimar 2009, darin: Die Bauhaus-Ausstellung 1923, S. 10-61, hier S. 15. Verbindliche Angaben über die Teilnehmer und die ausgestellten Arbeiten existieren nicht.

[18] J. J. P. Oud: Die Entwicklung der modernen Baukunst in Holland: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft (ein Vortrag), in: ders.: Holländische Architektur, München 1926, S. 8-62. Zu Ouds Vortrag von 1923: Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 30; Winkler 2009a (wie Anm. 14), S. 275; Winkler 2009b (wie Anm. 17), S. 16. Vgl. Brief von Van Doesburg an Rietveld vom 10.08.1923: Maristella Casciato: Avant-garde en architectuur, in: Toke van Helmond, Red.: I 10 sporen van de avant-garde, Heerlen 1994, Anm. 7, S. 102.

[19] Brief von Gropius an Oud vom 15.10.1923, Oud-Archiv, Nederlands Architectuurinstituut Rotterdam.

[20] Walter Gropius: Internationale Architektur, München 1926, S. 5.

[21] Oud 1926 (wie Anm. 18). Dort auch: <<Über die zukünftige Baukunst und ihre architektonischen Möglichkeiten (Ein Programm)>> und <<Der Einfluss von Frank Lloyd Wright auf die Architektur Europas (Ein Essay)> >. Ouds <Architekturprogramm> erschein 1921 auf Niederländisch: Over de toekomstige bouwkunst en hare architectonische mogelijkheden, in: Bouwkundig Weekblad, Jg. 42, 11.6.1921, Nr. 24, S. 147-160.

[22] Oud 1926 wie Anm. 18, S. 21.

[23] Oud 1926 wie Anm. 18, S. 27.

[24] Oud 1926 wie Anm. 18, S. 62.

[25] Z. B. Adolf Behne: Von holländischer Baukunst, in: Feuer II, 1920/21, S. 279-292; ders.: Holländische Baukunst in der Gegenwart, in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst, VI, 1921/22, 1/2, S. 1-38; Heinrich de Fries: Von niederländischer Baukunst, in: Die Baugilde, 6, 1924, Heft 13, S. 204-210; Herman Sörgel: Reisebericht über neue holländische Baukunst, in: Baukunst, I, Mai 1925, S. 82-97.

[26] J. P. Mieras: Holländische Architektur des 20. Jahrhunderts, Berlin 1926, XII. Das Buch erschien gleichzeitig in einer deutschen und einer englischen Ausgabe.

[27] Gustav Brandes: Neue holländische Baukunst, Bremen o. J. (1927), S. 3.

[28] Briefe von Mies van der Rohe an Oud vom 9.4.1927 und 4.5.1927, Oud-Archiv, Nederlands Architectuurinstituut Rotterdam. Vgl. Engelberg 2006 (wie Anm. 2), S. 301f. Ouds Unterstützung wird auch im Katalog vermerkt: Amtlicher Katalog der Werkbundausstellung Die Wohnung, Stuttgart 1927, zur Plan- und Modellausstellung S. 101-112, hier S. 101.

[29] Amtlicher Katalog 1927 (wie Anm. 28).

[30] Karin Kirsch: Die Weißenhofsiedlung, Werkbundausstellung <Die Wohnung>, Stuttgart 1987, Anm. 41, S. 27.

[31] So stammen alle Fotografien in Mieras Publikation von Yerbury: Mieras 1926 (wie Anm. 26). Yerbury arbeitete bei der Londoner Architectural Association und fotografierte in erster Linie für seine Studenten: Michael Stöneberg, Arthur Köster: Architekturfotografie 1926-1933. Das Bild vom <Neuen Bauen>, Berlin 2009, zu Yerbury S. 333ff.

[32] Zu Köster: Stöneberg 2009 (wie Anm. 31). Eilers war Hausfotograf mehrerer Architekten der Amsterdamer Schule wie Michel de Klerk, Piet Kramer und J. M. van der Mey: Stöneberg 2009 (wie Anm. 31), S. 323f.

[33] Der Umschlag der ersten (1926) und der zweiten Auflage (1929) sind identisch. Mit Dank für diesen Hinweis an das Bauhaus-Archiv, Berlin.

[34] Eine weitere Publikation findet sich in Brandes 1927 (wie Anm. 27), S. 52, neben einer gesichert von Yerbury stammenden Fotografie der Siedlung Oud-Mathenesse.

[35] Vgl. Engelberg 2006 (wie Anm. 2), v. a. <Ouds Bauten als De Stijl-Architektur>, S. 98-144.

[36] So auch in Wasmuths Monatshefte für Baukunst, 1927, XI, Heft 7, S. 295.

[37] Brief von Johnson an Oud vom 16.4.1932: zitiert nach Günther Stamm: J. J. P. Oud, Bauten und Projekte, 1906-1963, Mainz/Berlin 1984, S. 77.

[38] Henry-Russell Hitchcock und Philip Johnson: The international Style: Architecture since 1922, New York 1932, S. 28, 33.

[39] <concerning regularity>: Hitchcock/Johnson 1932 (wie Anm. 38) S. 56-68; <modulare Regelmäßigkeit> nach Ulrich Conrads, Hrsg.: Henry-Russell Hitchcock und Philip Johnson: The international Style, Braunschweig/Wiesbaden 1985, S. 54.

[40] Van Ojen machte sich 1923 als Fotograf selbständig. Er übernahm Aufträge für zahlreiche Architekten unterschiedlicher architektonischer Ausrichtung, darunter A. J. Kropholler, Jan Duikers und das Büro Brinkman & Van der Vlugt, nicht jedoch für Architekten der Amsterdamer Schule: Stöneberg (wie Anm. 31), S. 331, 364. Abbildungen der Stuttgarter Innenräume: Richard Pommer, Christian F. Otto: Weißenhof 1927 and the modern movement in architecture, Chicago/London 1991, Abb. 217, 210. Die bekannten Außenaufnahmen stammen dagegen von Otto Lossen.

[41] So u. a. in mehreren Aufsätzen seit 1927 in den Zeitschriften <Die Form> und <Der Baumeister>: vgl. Langmead 1999 (wie Anm. 1) und Engelberg 2006 (wie Anm. 2).

[42] Vgl. für die Architektur der Weimarer Republik: <In architekturgeschichtlicher Literatur wurden und werden die Auftragsfotos der Architekten allerdings bis in die jüngste Gegenwart abgebildet. Die Auswirkungen dieser bislang meist unreflektierten Verwendung der Aufnahmen für die Architekturhistoriografie werden rezeptionsästhetische Studien aufdecken müssen.>: Stöneberg 2009 (wie Anm. 31), S. 281, vgl. S. 11.

Lizenz

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Empfohlene Zitierweise

Von Engelberg-Dockal E.: <Holländische Architektur> - J. J. P. Oud Als Vermittler der niederländischen Moderne. In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2011-4 (urn:nbn:de:0009-23-28138).  

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