<1>

San Lorenzo in Florenz beansprucht als erster Kirchenbau Brunelleschis und mithin ›frühester der Renaissance‹ seit je einen festen Platz in der architekturgeschichtlichen Handbuchliteratur (Abb. 1). In großen Teilen der Spezialforschung herrscht jedoch seit langem Konsens, dass Brunelleschi den Bau nicht ex novo entwerfen konnte, sondern an Anfänge im Querhausbereich gebunden war, die auf der Grundlage von Manettis Brunelleschi-Vita dem Prior des Kapitels von San Lorenzo, Matteo di Bartolomeo Dolfini, zugeschrieben werden.  [1] Matthew Cohen hat nun jüngst sogar dafür plädiert, die Kirche gleichermaßen als Werk Dolfinis und Brunelleschis anzusehen.  [2] Auf der Basis einer genauen Vermessung der Basilika, die weiteren Forschungen zur Kirche eine ganz neue Materialgrundlage bietet, konnte er ein Proportionssystem ermitteln, dessen geometrische Grundlegung sowie numerische und arithmetische Umsetzung er vor dem Hintergrund des mathematischen Wissens der Zeit eingehend untersucht. Dieses Proportionssystem schreibt Cohen Dolfini zu. Brunelleschi habe es mit lediglich partiellen Modifikationen übernommen und in seiner neuen, antikischen Formensprache artikuliert, als er die Bauleitung übernahm.

1 Florenz, San Lorenzo, Grundriß,
mit Numerierung der Säulen und Pilaster und
Angabe der Kapellenpatrone 1422 bzw. 1442
(Cohen 2008, Abb. 1)

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Volker Herzner hat zu Cohens Aufsatz einen Kommentar verfasst, in dem er sich auf die Zuschreibungsproblematik konzentriert.  [3] Er bietet allerdings kaum mehr als eine verknappte Wiederholung der Thesen seines eigenen Aufsatzes von 1974, denen zufolge man bis 1465 lediglich eine Erweiterung der alten Kirche San Lorenzo angestrebt habe und Brunelleschi ab initio der Architekt dieses Projektes gewesen sei.  [4] Dabei bleiben nicht nur wichtige Teile von Cohens Argumentation (insbesondere die in einem im Aufsatz angekündigten und mittlerweile elektronisch publizierten Appendix enthaltenen Überlegungen zu Alt-San Lorenzo  [5] ausgeblendet, sondern auch jüngere Beiträge und Beobachtungen anderer Autoren.

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Der folgende Kommentar bezieht sich auf Herzners jüngsten Beitrag (und damit notwendigerweise auch immer wieder auf die Argumentation in seinem Aufsatz von 1974). Er konzentriert sich auf die Punkte, die für Herzners Argumentation entscheidend sind: Plante man, als die quattrocentesken Baumaßnahmen an San Lorenzo anliefen, zunächst nur einen Erweiterungsbau oder von vornherein eine ganz neue Kirche? Und kommt Dolfini als Planer in den Jahren vor Brunelleschis Beteiligung wirklich in Betracht? Dabei ist auch die Frage nach Lage und Gestalt von Alt-San Lorenzo zu diskutieren. Ausgeklammert bleiben hingegen sämtliche Aspekte des Proportionssystems, das von Herzner nicht in Zweifel gezogen wird.

1 Erweiterung oder Neubau?

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Zunächst seien hier die Anfänge des quattrocentesken Bauvorhabens in San Lorenzo nach den Quellen in aller Kürze skizziert. Nachdem bereits seit 1384 der Gedanke eines Ausbaus der alten, um 1060 errichteten Kirche verfolgt worden war, traten die Planungen 1416 in ein konkreteres Stadium ein.  [6] Am 22. Dezember 1418 genehmigte die Signoria ein Gesuch des Kapitels, das Gelände westlich der alten Kirche – San Lorenzo ist gewestet – zu enteignen und freizuräumen, da diese auf einer Länge von 65 braccia und einer Breite von 110 braccia vergrößert werden sollte.  [7] 1419 soll, so erinnerte sich im Jahr 1440 der Prior Benedetto Schiattesi, der die Ereignisse als Augenzeuge mitbekommen hatte, mit dem Bau der capella maior begonnen worden sein.  [8] Doch erst für den 10. August (den Laurentiustag) 1421 ist eine feierliche Fundamentaushebung »dietro al Campanile« überliefert, die mit einer »seconda colazione« begangen wurde.  [9] Sie dürfte den eigentlichen Baubeginn bezeichnen, zumal erst im Herbst 1422 (und vereinzelt bis in den Mai 1423 hinein) die Abbrucharbeiten im Bereich des neuen Querhauses bezeugt sind.  [10] 1425 – wiederum nach der Erinnerung Schiattesis – wurden die Bauarbeiten eingestellt, nachdem das Kapitel wegen Kriegsabgaben in einen finanziellen Engpass geraten war. Allein die von Giovanni d’Averardo (»di Bicci«) de’ Medici gestiftete Sakristei sowie die angrenzende Kapelle desselben Stifters an der südlichen Stirnseite des neuen Querhauses wurden bis 1428 vollendet.  [11] Im November 1440 lud das Kapitel die Reichen des Pfarrbezirks zu einem Treffen, um einen Stifter für die Vollendung der capella maior zu finden. Da mit Cosimo de’ Medici der reichste und mächtigste Bürger des Sprengels und der ganzen Stadt fehlte, war der Anlass offenbar fingiert, um seine großangelegte Patronatsübernahme vorzubereiten.  [12] Am 13. August 1442 war es dann soweit: Der Medici verpflichtete sich, »dicta capella maior et navis in medio ecclesie existens usque ad altare maius antiquum [...] cum omni edificio et constructione hucusque facta usque in dictum locum« innerhalb von sechs Jahren ausführen zu lassen. Dafür wurden ihm das exklusive Bestattungsrecht in den von ihm übernommenen Bauteilen sowie das Recht der Wappenanbringung eingeräumt. Eine der traditionsreichsten Florentiner Kirchen war damit zur Begräbniskirche der Medici geworden.  [13]

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Worauf zielte das Baugeschehen dieser Jahre? Nur auf eine Erweiterung der alten Basilika, so Herzners Kernthese in dem Aufsatz von 1974 wie auch in seinem jüngsten Kommentar, oder von Anfang an auf einen vollständigen Neubau, wie Cohen annimmt?  [14] Da Herzner seine These in erster Linie auf Schriftquellen gründet, ist zunächst zu fragen, ob diese wirklich so klar, wie er meint, auf ein nur partielles Neubauprojekt hinweisen.

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Tatsächlich ist in einigen wichtigen Quellen nur von einer ›Erweiterung‹ der alten Kirche die Rede: So heißt es in dem Beschluss der Signoria vom 22. Dezember 1418, das Kapitel wolle »S. Laurentii Ecclesiam ampliare, et pulcherrimis edificiis reformare«.  [15] Und nach der Darstellung des Priors Schiattesi anlässlich des Treffens im November 1440 habe man um 1419 mit dem Bau der »capella major« der Kirche begonnen »pro ampliando dictam Ecclesiam, et templum secundum convenientiam ejusdem«.  [16] Die Frage liegt nahe, warum man hier nicht einfach von einem völligen Neubau – »pro rehedificando dictam Ecclesiam a fundamentis« o.ä. – gesprochen hat, sollte ein solcher denn geplant gewesen sein.

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Eine andere Quelle scheint jedoch umso deutlicher für einen kompletten Neubau zu sprechen. In dem Notariatsakt vom August 1442, der Cosimos Verpflichtungen festhält, heißt es, man habe 23 Jahre zuvor begonnen, »edificare novam ecclesiam S. Laurentii ex latere superiori« etc.  [17] Ich würde übersetzen: »die neue Kirche des hl. Laurentius von oben [d.h. von der capella maior] her zu erbauen«. Warum dies nur einen Anbau an die bestehende Kirche meinen soll, wie Herzner behauptet, ist mir nicht ersichtlich.  [18] Auch aus den von Cosimo eingegangenen Verpflichtungen geht das nicht hervor: Sie umfassen »dicta capella maior et navis in medio ecclesie existens usque ad altare maius antiquum [...] cum omni edificio et constructione hucusque facta usque in dictum locum« innerhalb von sechs Jahren.  [19] Das könnte einen Erweiterungsbau, ebenso gut aber auch den ersten Abschnitt eines vollständigen Neubaus meinen, den allein Cosimo sich anfangs zu finanzieren verpflichtet.  [20] Ich vermute, es ging nicht zuletzt darum, das Langhaus in der ersten Etappe soweit auszuführen, dass es als Widerlager der geplanten Vierungskuppel dienen konnte.

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Das Bild, das sich aus diesen (und anderen, hier nicht genannten) Quellen ergibt, ist also ambivalent. Man muss sich aber fragen, ob man mit dem Anspruch auf Eindeutigkeit, den Herzner an die Quellen richtet, nicht Maßstäbe an sie heranträgt, die an den Intentionen ihrer Verfasser vorbeigehen. Denn das Entscheidende war aus deren Sicht zweifellos die Tatsache, dass die Kirche gegenüber dem bestehenden Bau erheblich vergrößert werden sollte. Zum Vergleich sei der Neubau von St. Peter in Rom herangezogen. In den zahlreichen Ablassbullen und -breven aus den frühen Jahren finden sich zahlreiche Formulierungen für die geplante bzw. begonnene Baumaßnahme. Ich nenne nur einige: »reparare et exornare«, »funditus rehedificare: atque novo, et decenti opere instaurare«, »in suis structuris et edificijs reformare augere et ampliare«, »restauratio et ampliatio«, »per ampliarla assai, renovarla et exaltarla«, »reparare« etc.  [21] Der Wortlaut allein könnte auf durchaus verschiedene Dinge schließen lassen, aber gemeint ist immer das Gleiche: ein vollständiger Neubau.

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Zurück zu San Lorenzo: Wie ein 1978 veröffentlichtes Dokument (das Herzner in seinem jüngsten Beitrag seltsamerweise mit keinem Wort erwähnt) belegt, hatten bereits 1434 »certi homines et persone, devoti dicte ecclesie,« die Absicht geäußert, Kapellen an den Langhausflanken zu stiften.  [22] Das höchst bemerkenswerte Dokument enthält eine genaue Beschreibung des Planes (der freilich nicht in dieser Form ausgeführt wurde). Der Kerngedanke bestand darin, die Kapellen – und mit ihnen die Seitenschiffsjoche – konform mit den Querhauskapellen zu gestalten: »que sint conformes aliis capellis iam inceptis et in futurum edificandis in dicta ecclesia«. Bereits 1431 hatte das Kapitel die Absicht geäußert, künftig (»aliquo unquam tempore«) alle Kapellen »conformes et ordinatas« zu gestalten.  [23] Vor allem aus dem Dokument von 1434 ergibt sich die Frage, warum man so nachdrücklich auf ›Konformität‹ als Leitgedanken der Planung insistiert haben sollte, wenn man doch gleichzeitig ein zwangsläufig wenig ›konformes‹ Kompositum aus Alt- und Neubau plante. Das spricht meines Erachtens klar gegen Herzners Erweiterungsthese.

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Ab 1442 entstanden die westlichen Teile von San Lorenzo gemäß der von Cosimo eingegangenen Verpflichtung; kurz vor 1457 wurde dieser Abschnitt mit dem Bau der Vierungskuppel durch Manetti Ciaccheri abgeschlossen. 1457-61 entstand, ebenfalls im Auftrag Cosimos, das Kanonikat südlich der neuen Kirche. 1461 wurde der Hochaltar geweiht; erst danach kam es zur Vollendung des Langhauses der neuen Kirche.  [24] Schon aus diesen Quellen ergibt sich, dass das Langhaus in zwei Bauphasen errichtet worden sein muss. Cohen hat bei seinen Messungen die Grenze zwischen ihnen klar zwischen dem dritten und vierten Säulenpaar von Westen bestimmt. Östlich davon konnte er in der Ausführung der Bauskulptur sowie in der Messgenauigkeit der Hausteinelemente einen so deutlichen Qualitätsabfall gegenüber dem westlichen Abschnitt beobachten, dass an diesem Befund nicht zu zweifeln ist.  [25] Bestätigt wird er durch die von Morolli an den Außenmauern des Langhauses beobachteten Abbruchkanten: Sie verlaufen im südlichen Seitenschiff (im nördlichen stand der Campanile im Weg) zwischen drittem und viertem Joch (also entsprechend dem Befund an der Langhausarkade), im Obergaden indes jeweils zwischen dem zweiten und dritten Joch und gehen ebenfalls mit einer substantiellen Qualitätsverminderung im Mauerwerk einher.  [26]

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Morollis und Cohens Beobachtungen zeigen, dass man die Seitenschiffe inklusive der Mittelschiffsarkaden in der ersten Bauphase um ein Joch bzw. eine Fensterachse weiter geführt hatte als den Obergaden. Morolli erklärt diesen bemerkenswerten Befund im Sinne einer baukonstruktiv motivierten Absicherung des Obergadens.  [27] Er ist aber auch im Hinblick auf unsere Fragestellung nach dem Umfang der Baumaßnahmen an San Lorenzo von Interesse: Wäre nämlich während der ersten Bauphase tatsächlich nur ein Erweiterungsbau geplant gewesen, der ›nahtlos‹ an Alt-San Lorenzo hätte anschließen sollen, so wäre ihr beschriebener Abschluss gänzlich unverständlich; man hätte vielmehr einen einheitlichen vertikalen Abschluss der vermeintlichen Erweiterung annehmen müssen.

2 Zu Alt-San Lorenzo

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Spätestens an diesem Punkt stellt sich freilich mit Nachdruck die Frage, ob ein ›nahtloser‹ Anschluss des Neubaus von der Lage und Gestalt der alten Basilika her überhaupt möglich gewesen wäre. Dies ist die Prämisse von Herzners ›Erweiterungsthese‹, die von ihm weder diskutiert noch begründet, geschweige denn graphisch veranschaulicht wird (und im Kern von den meisten Autoren geteilt wird).  [28] Cohen hingegen geht davon aus, dass Alt-San Lorenzo wesentlich schmaler als der bestehende Bau und zudem deutlich nach Norden aus dessen Achse verschoben war (Abb. 2). Die Möglichkeit eines Erweiterungsbaues ist für ihn daher ausgeschlossen.  [29]

2 Rekonstruktion des Grundrisses von Alt-San Lorenzo (unter Verwendung des leicht modifizierten und maßstäblich vergrößerten Grundrisses von SS. Apostoli in Florenz) im Verhältnis zu dem von Neu-San Lorenzo (schwarz: Bauphasen 1421-1457, grau: spätere Bauphasen), unter Angabe zweier möglicher Deutungen der Längenangabe von 65 br. nach der Provision vom 22. Dezember 1418
(Cohen 2008, Appendix 8, Abb. 3)

 

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Was wissen wir über die ›romanische‹ Basilika von San Lorenzo? Der Bau ist seiner äußeren Erscheinung nach in einer vergleichsweise detaillierten Ansicht im Codex Rustici überliefert (Abb. 3): Diese zeigt eine dreischiffige, querhauslose Basilika mit eingeschossigem Fassadenportikus und einem hinter dem nördlichen Seitenschiff hoch aufragenden Campanile.  [30]

3 Marco di Bartolomeo Rustici: Ansicht von San Lorenzo aus der Vogelschau,
in: Dimostrazione dell'andata a viaggio al Santo Sepolcro
Florenz, Seminario Arcivescovile Maggiore, Ms. cart., c. 10v

Was leider fehlt, sind Grabungsbefunde, durch die sich der Rustici-Darstellung konkrete Maße zuordnen ließen. Einen umso wertvolleren Anhaltspunkt könnte die Position des Campanile liefern, da er nach dem Codex Rustici die Grenze der Westerstreckung der alten Kirche definiert. Sie ist jedoch ebenfalls umstritten. Saalman und Ruschi nehmen sie im Bereich des siebten nördlichen Seitenschiffjoches an und berufen sich dabei insbesondere auf ein Fundament, das unterhalb der Arkade zwischen dem siebten Seitenschiffsjoch und der zugehörigen Seitenkapelle (also auf Höhe des Nordportals) im Bereich des Untergeschosses von San Lorenzo erhalten ist.  [31] Weder Zuordnung noch Datierung dieses Fundamentes sind indes gesichert.  [32] Herzner hingegen hatte den Campanile im Bereich der sechsten nördlichen Seitenkapelle lokalisiert, jener Kapelle, die Benedetto di Antonio di Giovenco de’ Medici 1465 »in loco, ubi de presenti est Campanile«, gestiftet hat.  [33] Cohen untermauert dieses Argument durch eine in der fraglichen Kapelle angebrachte Inschrifttafel von 1760 sowie durch einen Zahlungsbeleg von 1448, in dem eine »porta del campanile«, also das nördliche Seitenportal, erwähnt wird.  [34] Da der Campanile ja erst nach 1465 abgerissen wurde, kann, so Cohen, das Portal nicht an dessen Stelle stehen.

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Herzners These eines ›nahtlos‹ anschließenden Erweiterungsbaus enthält stillschweigend eine Reihe wichtiger Prämissen zu Lage und innerer Disposition des mittelalterlichen Baues: Zwingend müssen zumindest grosso modo die Längsachse von Alt- und Neubau sowie die Breiten der drei Schiffe übereinstimmen. Nicht zwingend wäre grundsätzlich die Übereinstimmung von Fußbodenniveau, Arkadenschritt und Raumhöhen, doch lässt das dokumentierte Streben nach Konformität in der Architektur des Neubaues hier ebenfalls keine allzu großen Zäsuren zu. Was ist über die hier genannten Parameter in Alt-San Lorenzo in Erfahrung zu bringen?

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Schedler und Cohen haben betont, dass die Rustici-Ansicht im Obergaden genau sieben Fenster zeigt (an der Genauigkeit der Darstellung zu zweifeln, besteht hier kein Anlass). Dies lässt, wenn nicht zwingend, so doch mit sehr gutem Grund vermuten, dass die Kirche auch sieben Arkaden hatte: Auch in San Pier Scheraggio, San Miniato und Santi Apostoli sitzen die Obergadenfenster jeweils in der Achse der Mittelschiffsarkaden. Dies belegt zum einen, dass der Arkadenschritt von Alt- und Neubau nicht kompatibel gewesen sein kann.  [35] Und zum anderen: Wären Mittel- und Seitenschiffe von Alt-San Lorenzo, die ja nur bis zum fünften Seitenschiffsjoch des bestehenden Baues gereicht haben können, tatsächlich so breit gewesen wie dieser, so hätte sich die Kirche als ein Bau von erstaunlich breiten, im Grundriss geradezu untersetzt wirkenden Proportionen dargestellt. Cohen macht zu Recht geltend, dass solche Proportionen im Kontext der Florentiner Romanik um 1060 ohne Beispiel wären, und schließt daraus, dass die alte Kirche deutlich schmaler gewesen sein müsse als der quattrocenteske Bau.  [36] Da freilich der Campanile im Bereich der heutigen sechsten Langhauskapelle stand, folgt daraus, dass die Längsachse der alten Kirche um einiges nördlich derjenigen des Neubaus gelegen haben muss.  [37]

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Die Rustici-Ansicht liefert weitere Anhaltspunkte dafür, dass die alte Kirche auch in Höhe und Breite deutlich kleiner gewesen sein dürfte, wenn auch nicht ganz eindeutig: Rechts neben dem Campanile erscheint die Cappella Marco di Luca, erkennbar am charakteristischen Übereinander von Rechteckfenster und Oculus. Ihre Höhe entspricht derjenigen des Seitenschiffes, was, für sich genommen, auf eine Identität der Höhenmaße von Alt- und Neubau schließen lassen könnte. Alle weiteren Indizien sprechen jedoch nachdrücklich dagegen:

  • Der hinter und neben der Kapelle erkennbare Bauteil, der nur das neue Querhaus meinen kann, hat noch kein Dach (ob die Traufhöhe bereits erreicht ist, bleibt offen), überragt das Traufgesims des Obergadens der alten Kirche aber bereits deutlich.

  • Hinter dem Mittelschiff ragt die Kuppel der Alten Sakristei empor; die Ansatzhöhe ihres konischen Daches scheint etwa in Firsthöhe des alten Obergadens zu liegen. Am bestehenden Bau entspricht dies in etwa dem Anschlagniveau der Pultdächer der Seitenschiffe an den Obergaden; das Firstniveau des Mittelschiffs korrespondiert hingegen in etwa dem der Laternenspitze der Alten Sakristei (Abb. 4).

4 Querschnitt durch Querhaus und Alte Sakristei von San Lorenzo, Florenz
(Zeichnung: M. C. Cipriani)

  • Das Nordportal der alten Basilika reicht in der Rustici-Zeichnung bis knapp unterhalb der Seitenschiffstraufe, jedenfalls deutlich in die Fensterzone hinein. Entspräche die Höhe der alten Seitenschiffe derjenigen der neuen, so müsste dieses Portal nahezu doppelt so hoch wie das heutige Nordportal ausgefallen sein, was praktisch undenkbar ist.

Bei aller gebotenen Vorsicht scheint mir all dies doch sehr für die Vermutung zu sprechen, dass das alte Mittelschiff etwa die Höhe der heutigen Seitenschiffe und die alten Seitenschiffe diejenige der bestehenden Kapellen erreicht haben. Entsprechend muss der Bau deutlich schmaler als sein quattrocentesker Nachfolger (und, wegen des Campanile, tatsächlich auch nach Norden versetzt) gewesen sein.

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Ein weiteres Argument betrifft die Fußbodenhöhe. 1978 wurde ein Fußboden aufgedeckt, der nur minimal oberhalb des Paviments des heutigen Untergeschosses lag und mittelalterliche Bestattungen enthielt.  [38] Von einem Untergeschoß der alten Kirche ist aber in keiner Quelle die Rede.  [39] Das Untergeschoß kam also offensichtlich erst beim Neubau hinzu, d.h. man müsste eine Höhendifferenz von ca. 6 br. (ca. 3,50 m) zwischen Alt- und Neubau annehmen, wenn man von einem Erweiterungsbau ausginge. Nun gibt es in San Miniato al Monte eine Krypta mit entsprechend erhöhtem Presbyterium. Die Arkaden setzen in diesem Bereich jedoch bereits auf Kryptenniveau an, setzen die Bogenstellung des Langhauses also tatsächlich ›nahtlos‹ fort. In San Lorenzo müsste man jedoch, wenn Herzner mit seiner These Recht hätte, ein um gut 3,50 m höheres Ansatzniveau der Arkaden im neuen Westteil postulieren: ein seltsames Szenario, zumal angesichts der Betonung der ›conformità‹ in den Dokumenten von 1431 und 1434.

3 Zur Datierung der zweiten Bauphase des Langhauses

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Wichtig für die Beurteilung der Bauabsichten an San Lorenzo sowie der Gestalt und Lage der alten Basilika ist schließlich die Frage, wann und wie nach der Hochaltarweihe und der Fertigstellung der Canonica 1461 die Vollendung des Langhauses ins Werk gesetzt wurde. Herzner und Morolli datieren sie in die Jahre 1465-69, also in die Zeit, als Piero der Gichtige Familienoberhaupt der Medici war.  [40] Cohen hingegen schreibt zumindest den Beginn des Weiterbaus noch Cosimo selbst zu. Den von ihm beobachteten Qualitätsabfall der Bauausführung im Bereich der vier östlichen Säulenpaare erklärt er überzeugend damit, dass der alternde Cosimo hier auf eine rasche Bauausführung gedrängt habe, um den Bau möglichst noch zu Lebzeiten zu Ende zu bringen.  [41]

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Unter den verfügbaren Quellen kommt angesichts dieser Uneinigkeit dem Bericht Vespasiano da Bisticcis entscheidende Bedeutung zu. Der Florentiner Buchhändler erklärt in seiner Vita Cosimo de’ Medicis, dieser habe nach Vollendung des Kanonikerhauses die Fortsetzung der Kirche begonnen und einen guten Teil davon vor seinem Tod 1464 fertiggestellt: »Finita la casa, cominciò a seguitare la chiesa, e fenne una buona parte inanzi che morissi.«  [42] Diese eindeutige Aussage, die Herzner ohne weiteres als Irrtum abtut,  [43] lässt keinen Zweifel, dass der Ausbau des Langhauses zwischen 1461 und 1464 begonnen worden sein muss.

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Ab April 1463 ist der Bau der südlichen Langhauskapellen dokumentiert, d.h. spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Ausbau des Langhauses tatsächlich im Gang gewesen sein.  [44] Am 14. April 1465 räumte das Kapitel Piero dem Gichtigen das Recht ein, »d’allogare a qualunque cittadino, che a lui parrà, tutte le cappelle che di nuovo s’hanno a murare nella parte della chiesa verso la tramontana, cioè inverso il casamento della Stufa«. Weiter heißt es, dass die Kapellen an der südlichen Langhausflanke »al presente sono murate«, aber »non sono interamente fornite«.  [45] Die südliche Kapellenreihe war damals also im Rohbau abgeschlossen, die nördliche hingegen noch nicht begonnen. Im Oktober 1464 hatte die alte Basilika noch bestanden;  [46] sie muss nach 1465 abgerissen worden sein.  [47]

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Auch diese Dokumente bestätigen die von Cohen vorgeschlagene Rekonstruktion und Lage der alten Basilika: Denn wenn 1461 das Kanonikerhaus abgeschlossen war, erst 1463 mit dem Bau der südlichen Kapellenreihe begonnen wurde, die alte Basilika aber im folgenden Jahr noch stand, dann kann sie nicht bis an die Nordgrenze der Kapellen (also die Südwand des südlichen Seitenschiffes der bestehenden Kirche) gereicht haben: Eingepfercht auf dem verbleibenden, nur ca. 2,5 m breiten Streifen hätte man die Kapellen nicht errichten können. Die alte Kirche muss also schmaler und nach Norden verschoben gewesen sein; dies war auch der Grund dafür, dass der Weiterbau des Langhauses im Süden begonnen wurde.  [48] Durch Vespasianos klare Aussage erledigt sich aber auch Herzners Deutung der beiden Baufugen an der Fassade, von denen seine Untersuchung ihren Ausgang genommen hatte und die er sich so entstanden dachte, dass zunächst die Seitenkapellen an das alte (noch zur Erhaltung bestimmte) Langhaus angebaut worden seien.  [49] Dass im übrigen nicht jede Baufuge zwingend auf einen Planwechsel hindeutet, hat jüngst Livio Volpi Ghirardini anhand eines sehr instruktiven Beispiels an den Treppentürmen von Sant’Andrea in Mantua zeigen können: Hier finden sich durchgehende Fugen, die nur in großen Abständen von durchgehenden Lagen im Mauerwerk überbrückt werden, obwohl sie unzweifelhaft zum selben Projekt gehören.  [50] Solche überbrückenden Lagen gibt es nun auch an den Baufugen der Fassade von San Lorenzo (Abb. 5, 6). Dies spricht dafür, dass diese eher auf Etappen der Ausführung hinweisen als auf unterschiedliche Planungsphasen.

5 Florenz, San Lorenzo, Fassade, Baufuge zwischen
südlicher Kapellenreihe und südlichem Seitenschiff

6 Florenz, San Lorenzo, Fassade, Baufuge zwischen
südlicher Kapellenreihe und südlichem Seitenschiff, Detail

4 Dolfini

<22>

Cohen vertritt, wie gesagt, die These, dass Brunelleschi erst in einem zweiten Schritt mit dem Neubau der Basilika betraut worden sei, während die ursprünglichen Entwürfe vom ehemaligen Prior des Kapitels, Matteo Dolfini, gezeichnet worden seien. Dagegen hatte Herzner bereits 1974 vermutet, Dolfini sei kein Architekt, sondern vielmehr derjenige gewesen, der Brunelleschi von Anfang an mit der vermeintlich geplanten ›Erweiterung‹ betraut habe. Auch in seiner Entgegnung auf Cohens Aufsatz hält er an dieser Meinung fest.  [51] Die Frage, die sich hier stellt, ist also letztlich eine doppelte: Gab es an San Lorenzo überhaupt einen Architekten vor Brunelleschi, i.e. Dolfini? Und wenn ja, was wäre ihm im Einzelnen zuzuschreiben?

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Zunächst zur ersten Frage. Grundlage für die Diskussion ist der bekannte Bericht über die Anfänge des Baues in Antonio di Tuccio Manettis Brunelleschi-Vita, in dem es heißt, der damalige Prior habe einen Neubau mit Pfeilern aus Ziegeln begonnen: »la chiesa di San Lorenzo di Firenze, principiato pe’ popolani di quella e fattone capomaestro el priore della chiesa che v’era in que’ tempi, che era oppenione ch’egli intendessi secondo gli altri architettori di que’ tempi, e avevala cominciata di pilastri di mattoni.« Dieser Prior war, wie sich aus den Quellen ergibt, eben Matteo Dolfini (s.u.). Brunelleschi entwarf nach Manetti zunächst nur die Sakristei sowie »una capella« – gemeint ist offenbar die Cosmas-Damian-Kapelle an der südlichen Querhausstirn –, die beide von Giovanni di Bicci gestiftet wurden. Nachdem Giovanni »le nuove e belle invenzioni di Filippo« gesehen habe, sei er mit seinem Architekten »in ragionamenti di tutta la chiesa« eingetreten; Brunelleschi habe sich anerboten, die Kirche schöner und reicher zu gestalten, und mehrere Entwürfe (»più modi«) dafür vorgelegt, die sich besonders durch ihren Reichtum an »conci« (also Haustein) ausgezeichnet hätten. Daraufhin habe der Medici sich mit den wichtigen Familien des Gonfalone Lion d’Oro beraten und beschlossen, das Begonnene abzureißen und den Bau nach einem der Entwürfe Brunelleschis errichten zu lassen. Ferner habe er angeboten, neben der Sakristei und seiner Querhauskapelle die capella maior sowie »tutto il chorpo della chiesa« mit Ausnahme der Kapellen auf eigene Kosten errichten zu lassen.  [52]

<24>

Dass Giovanni tatsächlich ein solches Angebot gemacht hat, ist ganz unwahrscheinlich und wäre unerhört gewesen; dass es angenommen wurde, muss, wie zu Recht betont wurde, als völlig unmöglich gelten.  [53] Anderenfalls hätten die Dokumente von 1440 und 1442 – der Bericht über das Treffen des Kapitels mit den Granden des Gonfalone und der Vertrag mit Cosimo – darauf zwingend Bezug nehmen müssen, und dann würden auch die weiteren, wiederholt dargelegten Vorgänge dieser Jahre unverständlich bleiben.  [54] Offenbar projiziert Manetti hier die von Cosimo 1442 übernommenen Pflichten auf seinen Vater zurück, vermutlich, um den Neubau der Kirche schon in seinen Anfängen als Medici-Stiftung zu präsentieren.

<25>

Es wäre jedoch zu einfach, Manetti (der ja erst in den 1480er Jahren schrieb) mit Herzner einfach als unzuverlässige Quelle abzutun. Zu oft erweist er sich als gut informiert und lässt immer wieder sein authentisches Interesse an einer exakten Darstellung der Ereignisse erkennen.  [55] Zudem muss man sich fragen, warum er ohne Grund einen Teil der berühmten Kirche einem anderen Meister als seinem Helden zuschreiben sollte. Eine Involvierung in das Unternehmen von Anfang an hätte sich für diesen ja umso ehrenvoller dargestellt. Und weiter: Warum sollte Manetti als ersten Meister ausgerechnet den damaligen Prior des Kapitels nennen, wenn er nicht über entsprechende Informationen verfügte? Warum sollte er überhaupt eine solche Geschichte ›erfinden‹?

<26>

Die bekannten Dokumente stehen der von Manetti beschriebenen Rolle Dolfinis in keiner Weise entgegen. Im Gegenteil. Im Dezember 1418 muss bereits ein zumindest in den Grundzügen ausgearbeiteter Plan vorgelegen haben, wie die entsprechenden Maßangaben in der Provision der Signoria beweisen. Am 10. August 1421 ist die Fundamentaushebung »dietro al Campanile« überliefert. Anfang 1422 muss Dolfini gestorben sein.  [56] Am 1. Oktober 1422 wurde der Baugrund der Alten Sakristei freigeräumt.  [57] Erst in den Monaten vor diesem Datum muss man Brunelleschis Wirken an San Lorenzo zwingend annehmen, und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass er tatsächlich zunächst nur, wie Manetti schreibt, für das definitive Projekt der Alten Sakristei verantwortlich war.  [58] Was liegt da näher als die Annahme, dass nach dem Tod des Priors Giovanni di Bicci die Initiative ergriff, Brunelleschi als neuen Leiter der verwaisten Baustelle vorschlug und es zu einem Planwechsel kam, der allerdings das bereits Gebaute – und damit zumindest im Grundriss auch das zuvor Geplante – berücksichtigte?  [59]

<27>

Es gibt, soweit ich sehe, also keinen Grund zu bezweifeln, dass Dolfini tatsächlich der Architekt der ersten Planungs- und Bauphase von Neu-San Lorenzo gewesen ist. Damit stellt sich die Frage, wie viel des bestehenden Baues auf ihn zurückgeht. Sie kann in diesem Rahmen nicht eingehend diskutiert (oder gar geklärt) werden; hier seien lediglich abschließend jene Indizien zur Klärung dieser Frage aufgeführt, die in der Literatur diskutiert werden:

<28>

1. Ferdinando Ruggieri beobachtete 1738 bei der Vorbereitung zu Restaurierungsarbeiten, dass die Untergeschosse der südwestlichen Querhauskapellen sehr schlecht und mit ungünstigem Bogenprofil konstruiert seien: »Quivi trovatisi quei fondamenti fatti ad Archi, essere malissimo impostati, e di cattiva, e bassa curva, e groppa e malamente costruiti.« Er schreibt dies dem »primo Architetto, che fu un certo Priore della med(esima) Chiesa«, zu. Gewiss steht Manettis Bericht dahinter; aber zumindest müssen sich die fraglichen Fundamente qualitativ so deutlich von den übrigen unterschieden haben, dass Ruggieri sie einem anderen Architekten zuschreiben zu müssen glaubte.  [60]

<29>

2. Gargiani beobachtete drei unterschiedliche Versatztechniken für die Pilaster/Pfeiler im Querhausbereich der Kirche: (a) Schichtung aus Blöcken unterschiedlicher Höhe, gleichsam an die Wand grenzende Pfeiler; (b) der Wand vorgelegte Platten, d.h. es handelt sich auch konstruktiv um Pilaster; (c) Kombinationen beider Techniken.  [61] Technik (b) findet sich nur am westlichen Vierungspfeilerpaar sowie an den Pfeilern der Trennwände zwischen den flankierenden Kapellenpaaren, während etwa die Pilaster der südlichen Stirnwandkapelle (Cosmas- und Damian-Kapelle Giovanni di Biccis) sowie an den Südwänden der Cappella da Fortuna und der Cappella degli Operai, die alle gemeinsam mit der Alten Sakristei erbaut wurden,  [62] der Technik (a) entsprechen. Gargiani schließt daraus, dass sich dort, wo die Technik (b) zum Einsatz kam, die von Dolfini begonnenen Anfänge befunden haben, die dann eben nicht abgebrochen, sondern durch Verkleidungen der neuen Architektur angepasst worden seien. Technik (c) sei erst in einer späteren Bauphase zum Einsatz gekommen.

<30>

3. Schedler verweist auf Unstimmigkeiten im Querhaus:  [63] (a) die von ihr so genannten Rücklagen der westlichen Vierungspfeiler in der capella maior sowie ihre symmetrischen Pendants in deren hinteren Ecken und in den Querarmwinkeln. Sie tragen keinen Bogen, da die Hochräume flachgedeckt sind, und seien allein dadurch zu erklären, dass die westlichen Vierungspfeiler den kreuzförmigen östlichen Vierungspfeilern formal zu entsprechen hatten (und dann ihrerseits Pendants in den Kreuzarmwinkeln forderten); (b) die von Vasari so genannten ›hinkenden‹ Pilaster an den Langhausflanken, d.h. die Tatsache, dass die Pilaster um zwei Stufen höher ansetzen als die ihnen entsprechenden Säulen: Die Ursache liegt, wie Schedler zeigt, im Querhaus, dessen Westwand entsprechend erhöht ist – so, wie es in Florentiner Ordenskirchen des späten Mittelalters (s. etwa Santa Croce oder Santa Trinità) üblich ist; (c) die Scheintür in der östlichen Ecke der beiden Querhausstirnwände, die aus der Disposition der Sakristei resultiert. Auch diese geht ja, wie längst erkannt wurde, auf Kirchen wie die beiden genannten zurück. All dies zeige, dass Brunelleschi mit Präexistenzen zu tun gehabt habe, die der Logik seiner Architektur eigentlich zuwiderliefen.

<31>

4. Cohen betont, wie schon andere vor ihm, die Übereinstimmung der Abmessungen der Westpartie mit den in der Provision von 1418 enthaltenen Maßen: Von der Rückwand des Campanile bis zur Rückwand der neuen capella maior beträgt der Abstand 65 br., während die Breite des Querhauses inklusive der Alten Sakristei gut 110 br. misst.  [64] Wenn man also den bestehenden Bau für ein vollständig und ausschließlich von Brunelleschi geplantes Gebäude halten will, müsste man (mit Herzner) annehmen, dass er bereits vor Dezember 1418 der Architekt des Unternehmens war, doch dafür gibt es, wie gesagt, keinerlei Hinweis.  [65]

<32>

5. Cohen führt die Hauptmaße des von ihm ermittelten Proportionssystems der Langhausarkaden auf eine boethianische Zahlenfolge zurück (1, 5, 9, 13, 17, ...).  [66] Die ersten fünf Zahlen lassen sich, jeweils ergänzt um 2/3 br., an den Arkaden in San Lorenzo wiederfinden, mit einer Ausnahme: Der Wert 5 2/3 fehlt. Nach Cohen bildet diese ›Lücke‹ ein Indiz für eine nachträgliche Modifikation des Systems: Die 5 2/3 br. haben vermutlich im ursprünglichen Entwurf die Höhe der spitzbogigen Arkaden bezeichnet, die Brunelleschi dann durch rundbogige ersetzt habe.  [67]

<33>

6. Cohen weist ferner auf die Modifikation des Proportionssystems in Santo Spirito hin, die er als »disrespectful« bezeichnet: Brunelleschi sei beim Entwurf der Augustinerkirche (die Cohen ebenfalls neu vermessen hat) zwar von dem System in San Lorenzo ausgegangen, doch seien essentielle Bestandteile des letzteren weggefallen. Dies zeige ein Ausmaß an »disregard« gegenüber dem System von San Lorenzo, das darauf schließen lasse, dass Brunelleschi dieses nicht entworfen haben könne.  [68]

<34>

7. Cohen geht ferner davon aus, dass Brunelleschi, als er Dolfini im Amt des capomaestro nachfolgte, dessen Proportionssystem auch deshalb übernahm, weil er nicht genügend Zeit zur Verfügung gehabt habe, ein ganz neues zu entwerfen (zumal er sich mit den von Dolfini bereits begonnenen Bauteilen im Westen – und seien es lediglich die Fundamente gewesen – zu arrangieren hatte).  [69]

<35>

Die hier zusammengetragenen Indizien geben, wie mir scheint, in der Summe ein gutes Fundament für die Annahme, dass Brunelleschis Planung von materiell vorhandenen Anfängen Dolfinis auszugehen hatte und sich auch über diese hinaus an dessen Planung orientierte. Das wäre auch im Sinne des Strebens nach Konformität, das seiner Architektur im allgemeinen und, wie die Dokumente von 1431 und 1434 zeigen, in Bezug auf San Lorenzo auch im speziellen inhärent war, gleichsam natürlich. Wo genau im bestehenden Bau Dolfinis Anteil aufhört und derjenige Brunelleschis beginnt, wird weiter zu diskutieren sein.

 

Bildnachweis

Autor: Abb. 5, 6

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/06/Codice_rustici,_san_lorenzo.jpg: Abb. 3

Reproduktionen nach

Cohen 2008 (wie Anm. 2), Abb. 1: hier Abb. 1; Appendix 8, Abb. 3: hier Abb. 2

Pacciani 1994 (wie Anm. 9), S. 89, Abb. 5: hier Abb. 4

 



[1] Matthew Cohen sei für seine Bereitschaft zur Diskussion sowie zur Lektüre einer ersten Fassung dieses Kommentars herzlich gedankt.
Siehe etwa Cornel von Fabriczy: Filippo Brunelleschi. Sein Leben und seine Werke, Stuttgart 1892, S. 158 f.; Hans Folnesics: Brunelleschi. Ein Beitrag zur Entwicklung der Frührenaissance-Architektur, Wien 1915, S. 31; Riccardo Pacciani: San Lorenzo, in: Eugenio Battisti: Filippo Brunelleschi, Mailand 1976, S. 179-196, hier 179 f.; Howard Saalman: Filippo Brunelleschi: The Buildings, London 1993 (Studies in Architecture 27), S. 112; Uta Schedler: Giovanni di Bicci, Filippo Brunelleschi und der Bau von S. Lorenzo in Florenz, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. F., 44, 1993, S. 47-71; Arnaldo Bruschi: Filippo Brunelleschi, Mailand 2006, S. 108.

[2] Matthew A. Cohen: How Much Brunelleschi? A Late Medieval Proportional System in the Basilica of San Lorenzo in Florence, in: Journal of the Society of Architectural Historians 67, 2008, S. 18-57. Die Appendices 3-9 sind in elektronischer Form einzusehen unter www.spokane.wsu.edu/Academics/Design/CohenMatthew .

[3] Volker Herzner: »How much Brunelleschi?« Matthew Cohen und sein Phantom-Architekt von San Lorenzo in Florenz, in: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2009-26 (um:nbn:de:0009-23-18120):
www.kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2009/herzner.
Vgl. bereits Herzners »Letter to the Editor«, in: Journal of the Society of Architectural Historians 67, 2008, S. 10, auf den Cohen ebd., S. 10 f., mit einem »Reply« antwortet.

[4] Volker Herzner: Zur Baugeschichte von San Lorenzo in Florenz, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 37, 1974, S. 89-115. Die These einer alleinigen Autorschaft Brunelleschis vertrat bereits Piero Ginori Conti: La Basilica di S. Lorenzo di Firenze e la Famiglia Ginori, Florenz 1940, S. 52.

[5] Wie Anm. 2.

[6] Pier Nolasco Cianfogni: Memorie istoriche dell’Ambrosiana R. Basilica di S. Lorenzo di Firenze, hg. v. Domenico Moreni, Florenz 1804, S. 175, 182 f. u. 226 f., Dok. XXIV; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 46, 232-234; Saalman 1993 (wie Anm. 1), S. 109; Pietro Ruschi: San Lorenzo prima del Brunelleschi, in: San Lorenzo 393-1993: L’architettura. Le vicende della fabbrica, hg. v. Gabriele Morolli u. Pietro Ruschi, Florenz 1993, S. 37-40, hier S. 38.

[7] Cianfogni 1804 (wie Anm. 6), S. 228-230; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 234-236, Dok. IV.

[8] Domenico Moreni: Continuazione delle memorie istoriche dell’Ambrosiana Imperial Basilica di S. Lorenzo di Firenze, 2 Bde., Florenz 1816-1817, Bd. 2, S. 341-345, hier S. 341; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 236-240, Dok. V, hier S. 236.

[9] Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 56; Riccardo Pacciani: Testimonianze per l’edificazione della basilica di San Lorenzo a Firenze, 1421-1442, in: Prospettiva 75-76, 1994, S. 85-99, hier S. 94, Doc. 1.

[10] Pacciani 1994 (wie Anm. 9), S. 94 f.

[11] Dieser schreibt 1440: »quod jam sint anni quindecim, vel circa, quod in dicta majori capella non fuerit aliquid edificatum«. Moreni 1816-17 (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 342; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 237. Das Vollendungsdatum der Alten Sakristei (1428) bestätigt eine auf der Laterne eingeritzte Datumsangabe.

[12] Wie Anm. 7. Vgl. Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 94 f.; Saalman 1993 (wie Anm. 1), S. 158-160; Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 57 f.

[13] Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), II, S. 345-349, Nr. III, hier 347; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 240-245, Dok. VI, hier 241.

[14] Herzner (s. vorige Anmerkungen); Cohen 2008 (wie Anm. 2), S. 41 f.; ders. 2008, Appendix 8,
www. spokane.wsu.edu/Academics/Design/CohenMatthew (8.7.2009).

[15] Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 234-236, Dok. IV, hier 235.

[16] Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 341; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 237.

[17] Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 346; Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 242 f.

[18] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 93.

[19] Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 242 f.

[20] So gegen Herzners Erweiterungsthese bereits Schedler 1993 (wie Anm. 1), hier S. 58.

[21] Die Quellen bei Christoph Luitpold Frommel: Die Peterskirche unter Papst Julius II. im Licht neuer Dokumente, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 16, 1976, S. 57-136; ich nenne die Nummern der im Anhang zitierten Dokumente: 12, 27, 54, 108, 139, 173. Weitere Quellen könnten genannt werden.

[22] Jeffrey Ruda: A 1434 Building Programme for San Lorenzo in Florence, in: Burlington Magazine 120, 1978, S. 358-361, hier S. 361, App. – Zu dem Dokument Howard Saalman: »San Lorenzo: the 1434 Chapel Project, ebd., S. 361-364; Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 61-63.

[23] Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 374-380, hier S. 375; vgl. Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 94. Ihm zufolge »mag sich [die Bestimmung] auf gleichförmige Altar- und Ädikulaaufbauten beziehen«.

[24] Vgl. Saalman 1993 (wie Anm. 1), S. 175-187, mit weiteren Quellen.

[25] Matthew Cohen: Ugly little angels: deliberately uneven construction quality in the Basilica of San Lorenzo in Florence, in: arq: Architectural Research Quarterly 11, 2007, S. 277-289; ders. 2008 (wie Anm. 2), S. 19-23. Die Differenzen in der Qualität der Bauskulptur erkannte bereits Gabriele Morolli: Le fasi del San Lorenzo, in: Franco Borsi, Gabriele Morolli u. Francesco Quinterio: Brunelleschiani, Rom 1979 (Fonti e documenti per la storia dell’architettura 7), S. 77-140, hier S. 115-119.

[26] Erstmals bemerkt von Morolli 1979 (wie Anm. 25), S. 113-115; ders.: San Lorenzo da Piero a Lorenzo (1465-1480 circa), in: San Lorenzo 393-1993 (wie Anm. 6), S. 73-80, hier S. 74. Siehe ferner Piero Roselli u. Orietta Superchi: L’edificazione della Basilica di San Lorenzo. Una vicenda di importanza urbanistica, Florenz 1980, S. 71.

[27] Morolli 1979 (wie Anm. 25), S. 114; ders. 1993 (wie Anm. 26), S. 74.

[28] Vgl. etwa Roselli u. Superchi 1980 (wie Anm. 26), S. 64 (Roselli), 133 f. (Superchi); Ruschi 1993 (wie Anm. 6), S. 39; Pacciani 1994 (wie Anm. 9), S. 85, u.a.

[29] Cohen 2008 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 7-11 u. Abb. 3; s. auch Matthew A. Cohen: Ugly Little Angels Revisited: Deliberately Uneven Construction Quality in the Basilica of San Lorenzo in Florence, in: Quality Out of Control: Standards for Measuring Architecture, hg. v. Allison Dutoit, Juliet Odgers u. Adam Sharr, London/New York voraussichtlich 2010, Kap. »Cosimo’s Delay« u. Abb. 6, mit verbesserter Rekonstruktion. Ich danke Matthew Cohen herzlich für die Erlaubnis zur Einsichtnahme in diesen Aufsatz, eine revidierte Fassung von Cohen 2007 (wie Anm. 25).

[30] Marco di Bartolomeo Rustici (1392/93-1457): Dimostrazione dell’andata o viaggio al Santo Sepolcro; Florenz, Biblioteca del Seminario Arcivescovile Maggiore. Die Ansicht muß um 1450 entstanden sein; vgl. zuletzt Pietro Ruschi, in: Michelangelo architetto a San Lorenzo: quattro problemi aperti, Ausst.kat. Casa Buonarotti, Florenz, hg. v. Pietro Ruschi, Florenz 2007, S. 54.

[31] Howard Saalman: The New Sacristy of San Lorenzo before Michelangelo, in: Art Bulletin 67, 1985, S. 199-228, hier S. 207 f.; ders. 1993 (wie Anm. 1), S. 194 f.; Ruschi 1993 (wie Anm. 6), S. 38, Anm. 14; Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 58 u. 69, Anm. 87. Saalman 1993 (wie Anm. 1), S. 195 u. 439 f., Dok. 12-15, führt zudem einige Dokumente der Jahre 1481-1485 an, die aber meines Erachtens in der Frage der Lokalisierung des Campanile nichts besagen.

[32] Giuliano De Marinis: San Lorenzo – i dati archeologici, in: San Lorenzo 393-1993 (wie Anm. 6), S. 31-36, hier S. 33. Eine klare Zuordnung und Datierung des Mauerfragments ist demnach nicht möglich; De Marinis weist aber ausdrücklich darauf hin, dass es älter ist als ein (bei der Grabung entfernter) Fußboden, in dem sich ein von ihm zwischen dem 6./7. und mindestens dem 12. Jahrhundert datiertes Grab befand (zu dessen Datierung ebd., S. 32).

[33] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 97; Cohen 2008 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 3 f. Dort auch die im folgenden genannte Inschrift.

[34] Cohen 2008 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 3 f.; der Zahlungsbeleg bei Isabelle Hyman: Fifteenth Century Florentine Studies: The Palazzo Medici, and a Ledger for the Church of San Lorenzo, Ann Arbor 1977 (Diss. New York University 1968), S. 350 f., 487.

[35] Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 58 f.; Cohen 1998 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 8. San Pier Scheraggio wird dort nicht erwähnt. Vgl. die immer noch nützliche Synopse der Längsschnitte bei Walter Horn: Romanesque Churches in Florence: A Study in Their Chronology and Stylistic Development, in: Art Bulletin 25, 1943, S. 112-131, hier S. 127. Zu San Pier Scheraggio s. Piero Sanpaolesi: San Pier Scheraggio, in: Rivista d’arte 15, 1933, S. 129-150, hier bes. S. 139 f. (zur Axialität der Arkaden und Obergadenfenster), u. 16, 1934, S. 1-28; s. ferner die Ergänzungen und Korrekturen bei Friedrich Oswald: Über San Pier Scheraggio und sein Verhältnis zur Florentiner Inkrustationsarchitektur, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 44, 1990, S. 67-75.

[36] Cohen 1998 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 8. Vgl. etwa Santi Apostoli, San Miniato al Monte, San Pier Scheraggio (alle Florenz). Weniger gravierend stellt sich das Problem in den Rekonstruktionen Pietro Ruschis und Paccianis dar, der den Campanile ja im siebten Seitenschiffsjoch annimmt. Vgl. Ruschi 1993 (wie Anm. 6), S. 39; ders.: La Sagrestia Nuova, metamorfosi di uno spazio, in: Michelangelo architetto a San Lorenzo 2007 (wie Anm. 30), S. 15-49; Pacciani 1994 (wie Anm. 9), S. 85, Abb. 1.

[37] Cohen 2008, Appendix 8 (wie Anm. 2), 7-11; ders. 2010 (wie Anm. 29).

[38] De Marinis 1993 (wie Anm. 32).

[39] So Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 68 f., Anm. 73, die vor allem auf das Schweigen des Rechnungsbuches von 1442 und des Sepultuars von 1463 verweist. Die ebd., S. 59, als Beleg herangezogenen 15 Bögen scheinen aber nicht zur alten Basilika zu gehören, sondern älter zu sein; s. De Marinis 1993 (wie Anm. 32), S. 31 u. 34 f.

[40] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 102.

[41] Cohen 2007 (wie Anm. 25), S. 286 u. passim. Dagegen hatte Morolli 1979 (wie Anm. 25), S. 113-119, und 1993 (wie Anm. 26) diese Bauphase in die Zeit Piero di Cosimos (1464-1469) datiert, im Widerspruch zu Vespasianos Angabe.

[42] Vespasiano da Bisticci: Le vite, hg., eingef. u. komment. v. Aulo Greco, 2 Bde., Florenz 1970-1976, Bd. 2, S. 182.

[43] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 98 f. Vgl. dagegen zu Recht Cohen 2010 (wie Anm. 29).

[44] Das geht aus dem von Piero di Michele am 9. Juni 1453 eröffneten Ausgabenbuch bei Roselli u. Superchi 1980 (wie Anm. 26), S. 104, hervor; dazu Cohen 2010 (wie Anm. 29). – Die südlichen Kapellen entstanden also nicht, wie Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 100, meinte, gemeinsam mit dem Kanonikerhaus zwischen 1457 und 1461.

[45] Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), Bd. 1, S. 19, Anm. 1; vgl. auch Ginori Conti 1940 (wie Anm. 4), S. 72 f., und Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 112 f., Anm. 63.

[46] Das geht aus dem Testament des Orlando di Giovanni Orlandi vom 9. Oktober 1464 hervor, in dem dieser Geld für den Unterhalt einer Öllampe vor dem an der zweiten Säule der Basilika angebrachten Marienbild stiftet; der Wortlaut bei Moreni 1816-1817 (wie Anm. 8), Bd. 1, S. 133, Anm. 1, vgl. auch Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 111, Anm. 40. Cohen 2007 (wie Anm. 25), S. 286, und Cohen 2008 (wie Anm. 2), S. 21-23 m. Anm. 12, hatte das Testament zunächst irrtümlich auf die neue Basilika bezogen und damit den Abschluss der zweiten Neubauphase 1464 begründet, was von Herzner 2009 (wie Anm. 3), Abs. 9, zu Recht zurückgewiesen wurde. Das Testament kann sich nur auf den Altbau beziehen, da als Lokalisierungsangabe auch ein nördliches Seitenportal angegeben ist, das in dem fraglichen Bereich nur an Alt-San Lorenzo bestanden hat (vgl. die Ansicht im Codex Rustici); s. dazu Cohen 2010 (wie Anm. 29), Kap. »Cosimo’s Delay«. Unbegründet ist die These von Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 98, wonach das Dokument belege, dass im Oktober 1464 an einen Abbruch von Alt-San Lorenzo noch nicht gedacht gewesen sei: Zweifellos rechnete Orlandi mit einer Übertragung des Marienbildes in die neue Kirche (so, wie es auch geschah: s. Walter u. Elisabeth Paatz: Die Kirchen von Florenz. Ein kunstgeschichtliches Handbuch, 6 Bde., Frankfurt 1939-1954, Bd. 2, S. 500 u. 569 f., Anm. 219) und damit, dass seine Stiftung auch dort unverändert fortbestehen würde.

[47] Cohen 2010 (wie Anm. 29), Anm. 33.

[48] Cohen 2010 (wie Anm. 29), Kap. »Cosimo’s Delay«.

[49] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 89-92; ders. 2009 (wie Anm. 3), Abs. 4, 10.

[50] Livio Volpi Ghirardini: Il Sant’Andrea dell’Alberti: questioni aperte, in: Leon Battista Alberti: architetture e committenti (Kongressakten Florenz – Rimini – Mantua 2004), hg. v. Arturo Calzona, Joseph Connors, Francesco Paolo Fiore u. Cesare Vasoli, 2 Bde., Florenz 2009, Bd. 2, S. 709-742, hier 720 f. u. 722, Abb. 14.

[51] Herzner 1974 (wie Anm. 4), S. 106-108; ders. 2009 (wie Anm. 3), Abs. 7, 12-13.

[52] Antonio Manetti: Vita di Filippo Brunelleschi, preceduta da La Novella del Grasso, hg. v. Domenico de Robertis m. einer Einführung u. Anmerkungen v. Giuliano Tanturli, Mailand 1976, S. 106 f.

[53] So schon Fabriczy 1892 (wie Anm. 1), S. 158 f.; s. ferner Pacciani, in: Battisti 1976 (wie Anm. 1), S. 186, oder Saalman 1993 (wie Anm. 1), S. 146 f.

[54] S.o. Unverständlicherweise schließt sich Schedler 1993 (Anm. 1), S. 50 f., nachdrücklich der von Manetti überlieferten Erzählung an.

[55] So beschreibt er ausführlich Brunelleschis noch vorhandenen Entwurf für das Ospedale degli Innocenti (der ihm als Mitglied der Arte della Seta, die den Bau betreut hatte, offenbar noch erreichbar war): »quel disegno discrepanti che Filippo aveva lasciato, che ancora si possono vedere, chi gli ricercassi«. Vgl. Manetti 1976 (wie Anm. 52), S. 100 (meine Hervorhebung).

[56] Das geht aus einem von Elam veröffentlichten Dokument hervor, demzufolge Dolfini am 28. Februar 1422 (st.c.) noch Prior war: An diesem Tag hatten die Operai, »absente M. domino Matteo Dolfini tunc priore dicte ecclesie«, eine Kapelle vergeben. Anfang April war ein Bertolomeo da Vinci Prior, dem Benedetto Schiattesi vor dem 11. November 1422 nachgefolgt war. Siehe Caroline Elam: Cosimo de’ Medici and San Lorenzo, in: Cosimo ›Il Vecchio‹ de’ Medici, 1389-1464. Essays in Commemoration of the 600th Anniversary of Cosimo de’ Medici’s Birth, hg. v. Francis Ames-Lewis, Oxford 1992, S. 157-180, hier S. 165, Anm. 35, u. S. 161, Anm. 17 f.

[57] Pacciani 1994 (wie Anm. 9), S. 95, Dok. 14: »la sesta chasa posta nella via de’ preti [...]. Andò a terra e disfessi per fare la sagrestia adì primo d’ottobre 1422.«

[58] Da die Alte Sakristei in der 1418 beschriebenen Breitenausdehnung des Neubaus von 110 br. enthalten ist, müssen zumindest ihre Hauptmaße noch auf Dolfini zurückgehen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Hauptraumbreite (19 br.) der Breite der Vierung entspricht. Vgl. Cohen 2008 (wie Anm. 2), S. 40 f.

[59] Cohen 2008 (wie Anm. 2), S. 42. Giovanni di Bicci gehörte zu den sechs operai, die 1416 für eine Dauer von drei Jahren ernannt worden waren. Im April 1423 wurde er als einer von vier »actores factores et certos nunptios speciales« der Kirche benannt. Siehe Elam 1992 (wie Anm. 56), S. 178 f.

[60] Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 54 u. 66 f., Anm. 36. Der Bericht Ruggieris ist publiziert in Roselli u. Superchi 1980 (wie Anm. 26), hier S. 55.

[61] Roberto Gargiani: Princìpi e costruzione nell’architettura italiana del Quattrocento, Rom/Bari 2003, S. 28 f.

[62] Howard Saalman: Filippo Brunelleschi: Capital Studies, in: Art Bulletin 40, 1958, S. 113-137, hier S. 124 f.

[63] Schedler 1993 (wie Anm. 1), S. 55-57.

[64] Cohen 2008 (wie Anm. 2), Appendix 8, S. 1-7. Vgl. bereits Pacciani, in: Battisti 1976 (wie Anm. 1), S. 179; Roselli u. Superchi 1980 (wie Anm. 26), S. 68, u.a.

[65] Cohen, »Reply« (wie Anm. 3), S. 11.

[66] Cohen 2008 (wie Anm. 2), S. 29 f.

[67] Ebd., S. 28, 42.

[68] Ebd., S. 34, 42.

[69] Ebd., S. 43.

Lizenz

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Empfohlene Zitierweise

Niebaum J.: Phantom oder Architekt? Zur Diskussion zwischen Matthew Cohen und Volker Herzner um Matteo Dolfini und San Lorenzo in Florenz (Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion 2009-26). In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2009-44 (urn:nbn:de:0009-23-20471).  

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Kommentare

  1. Herzner, Volker | 24.08.2009

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