Einleitung: Gegenwart und Geschichte  [1]

 

Es wird das Jetzt gezeigt, dieses Jetzt.
Jetzt, es hat schon aufgehört zu sein, indem es gezeigt wird.

Hegel

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Im Jahre 1800 ließ Friedrich Schlegel in seiner Zeitschrift Athenäum den Satz drucken: »Der Historiker ist ein rückwärts gekehrter Prophet.« Der Ausspruch zeugt von der Vorliebe Schlegels für alles Paradoxe und ist ein oft zitiertes Beispiel für die ›romantische Ironie‹ in seiner Denkweise. Zugleich ist er mehr als das, denn bloß kurios, ironisch oder widersinnig scheint der Satz nur dem, der Geschichte für nichts anderes hält als die Kunde vom Geschehenen und Vergangenen. Aber diese Geschichtsauffassung gehört selber der Vergangenheit an. Sieht man Geschichte, wie sie heute weithin verstanden wird, als Kunde vom ›Gewordenen und Fortwirkenden‹, so gewinnt Schlegels Aperçu Aktualität. Frage ich nämlich, wie Ereignisse geworden sind, so gehe ich zwar nach wie vor rückwärts in die Tiefe der Vergangenheit, aber wenn ich mich dort unten umsehe, so tue ich das mit dem Blick ins Künftige, dann versuche ich die Geschehnisse als Ankündigungen und Vorhersagen später eintreffender Zustände zu lesen. Ich bin dann zwar noch lange kein Prophet, aber ich ziele in die gleiche Richtung wie er, nur mit dem Unterschied, daß ich in der Gegenwart haltmache, dem letzten ›Zeit-Punkt‹, den ich ins Bewußtsein heben und beurteilen kann.

<2>

Diese dynamische Auffassung des geschichtlichen Geschehens kann sich nicht damit begnügen, nur die Fakten möglichst vollständig zu sammeln. Nach dem Sammeln kommt das ›Sichten‹. »Ein geschichtliches Bild beruht zwar empirisch auf einer Fülle einzelner, gehäufter Daten, aber entsteht nicht daraus allein. Erst im Verstehen gewinnen wir die Anschauung von allem geschichtlichen Geist [...]. Verstehen aber ist seinem Wesen nach immer zugleich Werten« (Karl Jaspers  [2] ). Geschichtliches Verstehen fragt nach dem Gewordenen und Fortwirkenden. Es wertet, es stellt eine Rangordnung auf.

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Diese Rangordnung ist – das muß in Kauf genommen werden – nicht wertbeständig. Sie kann es nicht sein, wenn man sich bewußt macht, was eigentlich ›geschieht‹, wenn etwas geschieht. Hans Sedlmayr hat für die Kunstgeschichte einleuchtend dargestellt, wie unbrauchbar, weil unzureichend, die übliche »noch weithin verbreitete Auffassung des historischen Geschehens« ist. Nach dieser (veralteten) Auffassung »kommen neue Gebilde (Gebilde mit neuen Eigenschaften) zu den alten Gebilden rein additiv hinzu; die alten Gebilde bleiben ungeändert. Hat man aber eingesehen, daß schon zu einem einzigen Gebilde mit neuen Eigenschaften eine neue ›Einstellung‹ untrennbar gehört, so wandeln sich von der neu entstandenen Einstellung her die Eigenschaften – und der relative Wert – aller, auch der schon vorher existierenden Gebilde.«  [3]

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Nimmt man diese These an, so wird dem geschichtlichen Verstehen zugleich die Bereitschaft zugemutet, ständig abzuwerten, aufzuwerten, umzuwerten. Der Ort, wo sich solche Umwertungen vor den Augen der Öffentlichkeit am anschaulichsten vollziehen, ist das Museum. Jeder Museumsleiter, der den Auftrag hat, Gegenwartskunst zu sammeln, kennt sein Risiko. Nahsicht, mangelnder Abstand verzerren die Perspektiven. Wer könnte mit Sicherheit sagen, was von den gegenwärtig geschaffenen Kunstwerken zum fortwirkenden Bestand gehört? Sicherheit gibt es nur in dem einen Punkt: Vieles von dem, was jetzt an den Wänden hängt, wird später im Magazin gestapelt. Die ›Zeit‹ wird es ausjurieren, und so ist es ganz verständlich, wenn die Mehrzahl der Kunsthistoriker das abwartet, die Gegenwart beiseite läßt und ihr Pensum dort abschließt, wo der Streit der Meinungen beginnt.

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Aber es wandern nicht nur Bilder von der Ausstellungswand ins Magazin, der Vorgang vollzieht sich auch umgekehrt. Als am Ende des vorigen Jahrhunderts der norwegische Kunstgelehrte Aubert zur Dresdener Gemäldegalerie reiste, um Bilder von Caspar David Friedrich zu sehen, wurde ihm von dem damaligen Galeriedirektor bedeutet, er müsse sich irren, einen derartigen Maler gäbe es nicht. Aubert wurde wütend, denn er kannte den Maler und seine Bildtitel aus den Briefen des norwegischen Landschaftsmalers Joh. Chr. Dahl. Die lautstarke Auseinandersetzung ermutigte einen alten Museumsdiener: »Ich bitte um Verzeihung, wenn ich störe […], aber wir haben Friedrich in der Galerie. Als ich vor vierzig Jahren hier eintrat, hing Friedrich noch, die Bilder sind im Magazin, ich kann sie den Herren zeigen.«  [4]

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Zu den wichtigsten Wiederentdeckungen ehemals völlig vergessener Künstler gehören El Greco, Vermeer van Delft, Georges de la Tour, zu den jüngsten die Maler des Manierismus, deren Werke gegenwärtig – so in Wien und Rom – aus dem Magazin genommen, gereinigt und den Galerien einverleibt werden. Es ist deutlich, daß solche Aufwertungen und Neuwertungen von der künstlerischen Situation der (jeweiligen) Gegenwart bedingt sind. Jedes gegenwärtige künstlerische Schaffen hat mehr oder minder die ›Einstellung‹ und das geschichtliche Verstehen gegenüber den Kunstwerken der Vergangenheit beeinflußt und revidiert. Sagten wir vorhin, daß es ›verständlich‹ sei, wenn Kunsthistoriker darauf verzichten, sich mit der Kunst der Gegenwart zu beschäftigen, so sehen wir jetzt, daß dies – geschehe es grundsätzlich und generell – geradezu unverzeihlich wäre.

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Denn wissen wir auch nicht, was fortwirken wird – das Gewordene jeder Gegenwart ist den historischen Methoden erreichbar, und jede dahin gerichtete Bemühung kann zu einem wichtigen Korrektiv des geschichtlichen Verständnisses auch der Vergangenheit werden. Wenn wir nach den Wurzeln, Ankündigungen, Vorformen und Vor-Bildern der gegenwärtigen Malerei fragen, so fördern wir womöglich Geschehnisse der Vergangenheit ans Licht, die vorher übersehen wurden, übersehen werden mußten, einmal, weil man ihre heute wirksame Bedeutung damals nicht erkennen konnte – eine Weissagung wird als solche ja auch erst durch ihre Erfüllung erkannt –, zum anderen, weil Anfänge in der Regel unscheinbar sind und sich zu verbergen wissen.

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Es ist wohl diese Unscheinbarkeit der Anfänge schuld, wenn öfter, als uns begründet scheint, das Entstehen neuer bildnerischer Ausdrucksformen dem spontanen Einfall eines Einzelnen zugeschrieben wird. »Im Jahre 1910 schuf Kandinsky das erste abstrakte Bild, ein Aquarell.« Dieser oft zitierte Satz, der, wie sich zeigen wird, objektiv nicht stimmt, wurde und wird noch von vielen so verstanden, als sei die gesamte gegenstandslose Malerei auf den genau datierbaren spontanen Akt dieses Künstlers zurückzuführen. Zwar hat die Behauptung viel an Gewicht verloren, seitdem sich herausstellte, daß zu annähernd gleicher Zeit andernorts auch andere Künstler gegenstandslose Bilder schufen (wie Larionow, Hoelzel, Kupka, Picabia), doch wurde dann meist hinzugesetzt, daß dies »unabhängig von einander«, also ebenso spontan geschehen sei. Kandinskys eigene Bemerkungen, an deren Aufrichtigkeit kein Mensch zweifeln wird, könnten die Annahme der Spontaneität bestärken. Danach habe ein eigenes Bild, das verkehrt stand, so daß er nichts Gegenständliches erkennen konnte, ihn in einer Weise fasziniert, daß er zu dem Schluß kam, der Gegenstand schade seinen Bildern. Es scheint doch eher, daß es sich hier um eine Art Rationalisierung vorerst noch unbewußter Vorstellungen handelt, deren Herkunft indessen angegeben werden kann: Kandinsky arbeitete in jener Zeit an seinem Buch Über das Geistige in der Kunst, das wesentlich von Goethes Farbenlehre, den Ideen der Romantiker und vom Symbolismus angeregt ist.  [5] Der Romantik um 1800 aber war, wie sich aufzeigen läßt, abstrakte Kunst als Denkmöglichkeit erstaunlich vertraut.

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Gewiß wird man den Gedanken nicht völlig ausschließen, daß auch in der Kunst Neues »sprunghaft und unvermittelt aufblitzen« kann. »Wenn die Geschichte der Lebewesen Sprünge der Natur, die Mutationen, hinnehmen muß, darf eine Geschichte von den Produkten des Menschen in dieser Hinsicht nicht deterministischer sein wollen.«  [6] Aber auch nicht großzügiger! Die Mutation ist die Ausnahme im Evolutionsgeschehen, und über ihren entwicklungsgeschichtlichen Wert wird angesichts so vieler tödlicher und schädlicher Mutationen noch gestritten. ›Mutationen‹ haben sich bislang im Entwicklungsgang der bildenden Kunst an keiner Stelle nachweisen lassen. Vorstufen, so scheint es, finden sich immer, wenn man nach ihnen sucht. Bis zum Beweis des Gegenteils stellen wir uns auf den Standpunkt, »daß kein Künstler unabhängig von Vorläufern und Denkweisen, unabhängig von Traditionen und vorstrukturierten Problemen existiert«, wie unlängst Ernst Kris in aller Schärfe formulierte.  [7] Es gehört zu den Aufgaben der Kunstgeschichte, dies aufzuzeigen.

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Es wäre ein großes Mißverständnis, wollte man darin eine Einschränkung dessen sehen, was doch den eigentlichen Rang des Kunstwerkes ausmacht: seine Originalität, Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit. Um Irrtümer zu vermeiden, sollte man auch in der Kunst die Unterscheidung treffen, die für die Naturgeschichte geläufig ist: ›Ontogenese‹ für die Entstehung des Kunstwerkes selbst, z. B. eines Gemäldes vom ersten Pinselstrich bis zum letzten, ›Phylogenese‹ für seine Abstammung und Stellung im Lauf der Geschichte. Im ersten Falle ist es eine in sich abgeschlossene »Welt im Kleinen« (Sedlmayr) und kann als solche durchaus in einem spontanen Akt entstehen. Im anderen Fall ist es ein »Beziehungswesen« (Whitehead), Kettenglied zwischen Herkunft und Zukunft.

<11>

Natürlich besteht zwischen beiden Situationen Korrelation. Kant definiert Kunst als »Produkt des Genies«, wonach folglich »Originalität seine erste Eigenschaft sein müsse«. Mit dem Umstand, »daß es auch originalen Unsinn geben kann«, wird er in folgender Weise fertig: Er verlangt von den Produkten des Genies, daß sie »zugleich Muster, d. i. exemplarisch sein müssen, mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen doch dazu, d. i. zum Richtmaße […] dienen«. Die Schar der Nachfolger, die »Schule«, hätte danach die originale Schöpfung zu sanktionieren.  [8]

<12>

Man liest das mit starken Bedenken. Dies würde bedeuten, daß kein Zeitgenosse zeitgenössische Kunst als ›wahre‹ Originalität feststellen könnte, bevor sie in die Hände der Nachahmer fällt. Der Historiker, der darauf wartete, wäre in der Tat ein rückwärts gekehrter Prophet in der nur lächerlichen Bedeutung des Wortes. Aber sind nicht gerade Kunsthistoriker, Museumsdirektoren wie Tschudi oder Sauerlandt, für Cézanne oder Nolde mit kämpferischem Elan eingetreten, ehe diese durch Nachfolger sanktioniert wurden? Woher nahmen sie ihre Sicherheit? Und könnte nicht auch »originaler Unsinn« Schule machen?

<13>

Anders urteilte – deutlich gegen Kant – Goethe. Er fragte nach der Herkunft. Auch Goethe sah die Sendung des Künstlers »im Erfinden, im Beschließen«, im »Mut, das Unbekannte zu wagen«. Aber nach seiner Meinung »geht durch die ganze Kunst eine Filiation«. Jede originale Tat sei angekündigt. Ihr Echtheitszeichen liege in ihrer Verknüpfbarkeit mit den Vordermännern: »Der Künstler muß eine Herkunft haben, er muß wissen, wo er herstammt.«  [9]

<14>

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß diese Überlegungen nicht mehr gelten. »Mere change without conservation is a passage from nothing to nothing«, schrieb A. Whitehead, ohne dabei speziell an Kunst zu denken. Ein ›avantgardistischer‹ Maler, dessen Aufstieg erst im letzten Jahrzehnt erfolgte, Georges Mathieu, nennt die »wahre Avantgarde« diejenige, die die »wahre Tradition am logischsten und folgerichtigsten fortsetzt«, und er bereichert eine seiner programmatischen Schriften mit dem Zitat Eliots: »Nichts, was nicht in der Grundlage traditionell ist, kann wirklich neu sein.«  [10]

<15>

Vielleicht liegt der Hauptgrund für die Tatsache, daß breite Schichten auch des sonst ›kunstfreudigen‹ Publikums die abstrakte Kunst für eine Absurdität halten, in der mangelnden Kenntnis ihrer Grundlagen. Vielleicht ist der beste Weg zu ihrem Verständnis der geschichtliche: der geistige Nachvollzug ihres allmählichen Keimens, das Aufsuchen ihrer Wurzeln, die wenigstens eineinhalb Jahrhunderte in die Zeit hinabreichen. Die Unscheinbarkeit der Anfänge einerseits, die fast explosionsartige Ausbreitung und rasche Vermehrung der abstrakten Kunst andererseits, dazu das prometheische Auftreten ihrer Erzeuger haben den Gedanken kaum aufkommen lassen, daß es solche Wurzeln und Keime gibt. Da muß der Kunsthistoriker in die Rolle des »Epimetheus« schlüpfen, jener seltsamen Gestalt, die Goethe im Fragment Pandora mit den Worten einführt:

Denn Epimetheus nannten mich die Zeugenden, Vergangenem nachzusinnen, Raschgeschehenes zurückzuführen, mühsamen Gedankenspiels, zum trüben Reich Gestalten-mischender Möglichkeit.

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Gestaltenmischende Möglichkeiten – man muß sich in der Tat darauf gefaßt machen, daß Ursachen, Vorformen, Vorboten und ›Vor-Bilder‹ einer neuen Bilderwelt nicht unbedingt gemalte und gerahmte Bilder sein müssen. Sie kann z.B. dichterische Wurzeln haben, wie das für Kunstwerke der Vergangenheit mehrfach nachgewiesen ist. Bekannt ist die dichterische Herkunft der plastischen Andachtsbilder des Mittelalters: Das Vesperbild, der Schmerzensmann, die Christus-Johannes-Gruppe gehen auf geistliche Lyrik rheinischer Nonnen zurück. Doch nicht nur Inhalte der Ikonographie, auch formale Elemente der Anschauung können in der Dichtung vorbeschrieben sein (Dantes Raumvisionen!) und einer kommenden Bildkunst das Feld bereiten. Auch die reine Theorie (Alberti), philosophische Konzeptionen und Denkmodelle (die concetti der Manieristen) haben nachweislich vorbildhaft gewirkt, und es wird sich zeigen, wie oft (und wie lange) Bilder, die eines Tages realiter auftreten, vorher als Wunschbilder und rein utopische Vorstellungen im Bewußtsein waren. Ernst Bloch hat einen ganzen Katalog solcher Utopien zusammengestellt, die sich eines Tages verwirklichten.  [11] Danach ist die Gralsburg in der frühmittelalterlichen Dichtung der gotischen Kathedrale nicht nachgebildet, sondern vorgebildet, so sind die Märchenphantasiebauten von 1001 Nacht um Jahrhunderte älter als die Alhambra, pompejanische Wandmalereien zeigen Architektur, wie sie erst zwei Generationen später unter Hadrian gebaut wurde, und so fort. Denk- und Wunschbilder, also echte Utopien, haben die unwiderstehliche Neigung, in Erfüllung zu gehen, denn »was denkbar ist, ist auch möglich« (Ludwig Wittgenstein), und was möglich ist, wird eines Tages versucht.

<17>

Hier aber, im Bereich des Möglichen, nicht des Wirklichen und Vorhandenen, wurzelt die Kunst. »Der Künstler entwirft sich in die Möglichkeit und macht sich zum Beförderer dessen, was sein wird«, sagte Valéry. Ernst Bloch nennt Kunst ein »Laboratorium« und ein »Fest ausgeführter Möglichkeiten« und zitiert Kierkegaard: »Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, so wünschte ich mir weder Reichtum noch Macht, sondern die Leidenschaft der Möglichkeit.«  [12]

<18>

Das Kunstwerk ist danach als gewordene, ausgeführte Möglichkeit zur Gegenwart gebrachte Geschichte. »Nun deutet sich aber noch ein dritter zeitlicher Bezug an: der auf Zukunft. Wir erkennen heute, daß das Kunstwerk nicht nur Produkt eines vergangenen Geschehens, nicht nur in sich ruhende ›ewige‹ Gegenwart ist, sondern daß es unbeschadet seines In-sich-Ruhens Keime des Künftigen in sich trägt. Die großen Kunstwerke haben oft prophetische Funktion. Diese Keime des Künftigen sichtbar zu machen, ist eine dritte sehr große Aufgabe der Kunstgeschichte« (Sedlmayr  [13] ).

<19>

Wir versuchen in der vorliegenden Arbeit, uns dieser Aufgabe, soweit es in unseren Kräften liegt, zu unterziehen. Nicht indem wir aus der gegenwärtigen Kunst »Keime des Künftigen« herauslesen wollen, sondern indem wir – in Richtung auf diese unsere Gegenwart – die Kunst der Vergangenheit auf ihre mögliche ›prophetische‹ Funktion befragen. Von dem Wunsch, Prognosen zu stellen, ist diese Untersuchung völlig frei. Nach der Weise einiger Geschichtsphilosophen (Spengler, Toynbee), Kunstgeschichte im voraus zu bestimmen, wäre aus dem oben Gesagten aus wenigstens zwei Gründen widersinnig. Einmal hieße das, die Kunst aus der Seinskategorie der Möglichkeit wieder zu entlassen und in die der Notwendigkeit zu versetzen. Zum anderen gilt noch immer das Urteil Kants, daß zwar »im Wissenschaftlichen […] der größte Erfinder vom mühseligsten Nachahmer und Lehrlinge nur dem Grade nach«, in der Kunst jedoch »spezifisch unterschieden sei«. Für das Genie fordert er »Originalität« als »seine erste Eigenschaft« – damit also das Gegenteil des Vorausbestimmbaren.  [14]

<20>

Zwar wird dem Geniebegriff der klassischen Ästhetik heute mit Mißtrauen begegnet. Er kommt in der Begriffsbildung der nichtklassischen modernen Ästhetik kaum noch vor. In der Sache ändert sich dadurch nichts. Nach der Terminologie der am weitesten ›links‹ stehenden modernen Ästhetik, nach der sogenannten Informationstheorie, leistet das Kunstwerk ästhetische Information. Information ist Innovation, d. h. sie bringt Neues, Unbekanntes zum Vorschein; Originalität ist also auch ihre erste Eigenschaft. Information kann natürlich nur unter der Voraussetzung übermittelt werden, daß etwas Bekanntes gegeben ist (z. B. die Sprache). ›Maximale Information‹, d. h. Information, die nur aus Innovation, nur aus Unbekannten besteht, ist nicht wahrnehmbar. Maximale Originalität in der ästhetischen Information müßte notwendigerweise unvernommen bleiben, sie wäre Whiteheads »Schritt vom Nichts ins Nichts«. Der maximale Informationsbetrag muß auf ein Maß herabgesetzt werden, das die Wahrnehmbarkeit noch erlaubt. Dieser notwendige Abzug heißt in der Nachrichtentechnik Redundanz. Max Bense übernimmt den Ausdruck in seine Informationstheorie der Kunst.  [15]

<21>

Redundantes findet sich im Kunstwerk einerseits in seinen außerkünstlerischen Bezugssystemen, sowohl im Inhalt (z. B. seiner wiedererkennbaren Gegenständlichkeit) als auch in der Form (z. B. in der Symmetrie und anderen Proportionsgesetzlichkeiten). Zu fordern sind aber andererseits Redundanzen in der künstlerischen Sprache selbst, damit es zu einer Verständigung kommen kann. Die Redundanzen in der ästhetischen Information müssen logischerweise in jenen Bahnen liegen, auf welchen sich die ästhetische Information bewegt. Wenn nun nach Bense die zunehmende Information die geschichtliche Drift der Kunstwerke bewirkt,  [16] so folgt, daß in allem, was geschichtlich bereits herangetrieben ist, Redundanzen liegen (ein Schluß, den wir allerdings bei Bense bisher nicht ausdrücklich formuliert fanden). Ästhetische Botschaften können verstanden werden, weil sie auf Evolution beruhen, weil kein Kunstwerk ein »Etwas für sich« ist, sondern ein »Beziehungswesen«, ein Beziehungswesen eben auch hinsichtlich seiner zeitlichen Herkunft und Zukunft (Goethes »Filiation«). Die künstlerische Sprache eines Originals ist verständlich, weil es seine Vordermänner hat. Bei diesen hat das Drama schon begonnen, die Akteure sind vorgestellt, die Handlung ist bereits im Gange, der Zuschauer macht sich Gedanken über ihren wahrscheinlichen Verlauf.

<22>

Je wahrscheinlicher aber eine Nachricht, um so geringer ist ihr Informationsbetrag; ist sie im voraus bekannt, so ist er Null. Der Auftritt des originalen Künstlers überrascht uns durch den ungeahnten, den unwahrscheinlichen Verlauf, den er der weiteren Handlung gibt – wäre es anders, so gäbe es keine ästhetische Information, also keine Kunst. Vorausbestimmbar ist da um so weniger, je größer die Originalität des Künstlers ist, denn diese wächst ja mit der Unwahrscheinlichkeit seiner ästhetischen Botschaft. Der Zuschauer ist bestürzt, weil er sie so nicht erwartet hat. Ist er aber dem Gang der Handlung – der ›Phylogenese‹ des künstlerischen Geschehens – gefolgt, so überrascht das Unwahrscheinliche der Botschaft durch ihre schließliche Begreifbarkeit.

Dichter als Maler und Zeichner  [17]

Laurence Sterne  [18]

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Die ersten uns bisher bekannt gewordenen, nicht gedachten, sondern gemachten und bereits im modernen Sinne rein gegenstandslosen Bilder entstehen im 18. Jahrhundert. Ihr Urheber war kein berufsmäßiger Maler, sondern ein Dichter, der zuweilen malte (und viel musizierte): der irisch-englische Landpfarrer Laurence Sterne. In seinem Tristram Shandy findet man am Ende des 36. Kapitels von Teil III zwei abstrakte farbige Darstellungen, und zwar sowohl in der ersten englischen Originalausgabe von 1761 wie in der von Bode besorgten deutschen Übersetzung von 1774, bzw. in der bei Carl Ernst Bohne in Hamburg erschienenen zweiten, verbesserten Auflage (Abb. 1, 2).

1  Laurence Sterne (1713-1768): aus Tristram Shandy, Erstausgabe 1761

2  Laurence Sterne (1713-1768): aus Tristram Shandy, Erstausgabe 1761

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Die Darstellungen in den drei Ausgaben sind unterschiedlich. Die der englischen Urausgabe, farbige Reproduktionen einer vermutlich von Sternes Hand stammenden Malerei, wirken wie imitierter Marmor und sind auch so gemeint. Die deutschen Ausgaben zeigen da wesentlich abstraktere Formen. Es sind Dreifarben-Holzschnitte mit durch Überdruck erzielten Zwischentönen, darin Vorläufer eines graphischen Verfahrens, dessen Erfindung man erst unserem Jahrhundert zuschreiben wollte. Stilistisch finden wir in der Tat Ähnliches erst in den plans superposés des Spätkubismus und in Bildern der jüngsten abstrakten Epoche. Den beiden Reproduktionen der ersten englischen Ausgabe liegen zwei verschiedene Malereien zugrunde, die deutschen variieren einfach durch Verschiebung und Umkehrung der Druckplatten.

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1856 ist bei Hoffmann & Campe eine neue deutsche Ausgabe erschienen. Sie enthält die Farbblätter nicht mehr. In dieser Zeit, die sich zwischen akademischem Klassizismus und naturalistischer Illustration bewegt, wird statt ihrer ein Ornamentblatt mit tapetenartigem Rapportmuster in Schwarz-Weiß eingefügt. Damit sind Sternes Absichten, die man offensichtlich nicht mehr begriff, in das Gegenteil verkehrt.

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Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war jedenfalls allen Gebildeten eine in unserem Sinne abstrakte Bildkomposition vor Augen gekommen (was immer sie sich dabei gedacht haben mögen); denn jeder Gebildete kannte den Tristram Shandy. Besonders in Deutschland hatte Sterne bekanntlich beispiellosen Erfolg. Lessing gab Ratschläge für seine Übersetzung, Wieland, Herder, Goethe bewunderten ihn zeitlebens. Heines Harzreise ist ohne Sterne nicht denkbar; sie gleicht in der Erzähltechnik völlig Sternes Empfindsamer Reise. Neben reinen Nachahmungen des Shandy wie den inzwischen vergessenen damaliger Zeitgrößen mit den Namen Wezel, Schummel und Hippel gab es Nachfolge aus tieferem Verständnis, etwa Justinus Kerners Reiseschatten von Schattenspieler Lux. E. T. A. Hoffmann und vor allem Jean Paul geben ein Beispiel für die echte, ja geniale Umwandlung Sternes in das Wesen einer anderen Nationalität und einer veränderten Epoche.

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Im 20. Jahrhundert vollzieht sich eine Sterne-Renaissance, und es wird sofort verstanden werden, warum. Neue Sterne-Kommentare erscheinen in Fülle; um so erstaunlicher ist es, daß in der riesigen Sterne-Literatur, soweit wir sie überblicken konnten, auf die hier angeführten bildnerischen Beilagen so gut wie gar nicht eingegangen ist. Auch Sterne selbst kommentiert sie nur mit einem einzigen Satz, und der ist, im populären Sinne, eindeutig ironisch, indem er das Gegenteil von dem meint, was er besagt: »Ohne viel Belesenheit, worunter, wie Ew. Hochwürden wissen, ich viel Gelehrsamkeit verstehe, werden Sie ebensowenig imstande sein, die Moral des nächstfolgenden Marmorblattes (ein buntes Sinnbild meines Werkes!) herauszubringen, als die Welt mit allem ihrem Scharfsinn imstande gewesen ist, die vielen Meinungen, Abhandlungen und neuen Wahrheiten zu enthüllen, welche noch bis auf diese Stunde unter dem dicken Schleier des schwarzen Blattes mystisch verborgen liegen.«

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Des schwarzen Blattes? Hier müssen wir zurückblättern. Sterne hatte nach dem 12. Kapitel des ersten Teils ohne jeglichen Kommentar zwei »graphische« Darstellungen folgen lassen, die aus nichts anderem bestehen als aus zwei schwarzen Rechtecken, allerdings mit der leichten Strukturierung versehen, wie sie durch das Drucken vom Holzstock entsteht (Abb. 3).

3  Laurence Sterne: aus Tristram Shandy, 1761

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Was haben wir hier? Nichts als einen ›dadaistischen‹ Witz? Der Verdacht regt sich, daß der Witz verdecken oder verdrängen soll – einen Zweifel, einen Schauder vor – Nichts? Denn die schwarzen Blätter folgen auf das Begräbnis des armen Yorick; sie symbolisieren den Tod.

<30>

Gewiß gehören sie außerdem zu den vielen sonstigen extravaganten Neuerungen des Buches: zu den seitenlangen Folgen von Gedankenstrichen, den vertauschten Kapiteln, den Sternchen für ausgelassene nicht gesellschaftsfähige Bemerkungen, die einzufügen der Kühnheit des Lesers überlassen bleibt, zu den dem Schriftsetzer abverlangten typographischen Späßen. Sie sind Bestandteil einer Darstellungstechnik, die zum erstenmal in der Literatur einen Prosatext so formt, daß selbst der beste Vortragskünstler ihn nicht zu ›Gehör‹ bringen kann; man muß ihn ›sehen‹.

<31>

Damit hat Sterne ein Verfahren eingeleitet, das erst in der Moderne breiten Boden gewinnt – es ist nicht das einzige. Sternes Technik der »digression«, seine Ausbrüche aus der Haupthandlung, die dennoch ›unterirdisch‹ weiterläuft; das ›Zeitlupentempo‹ seines Vorgehens; seine Fähigkeit, winzige Anlässe dergestalt ins Bewußtsein zu heben, daß sich geradezu eine Dämonie des Trivialen ergibt; seine Assoziationstechnik, die sich einfachster, leitmotivisch verwendeter Dinge bedient (einer Tabakdose etwa) und damit die physiognomische Zeichnung seiner Figuren verstärkt; die Weise, wie er nichts als eine Gebärde beschreibt, aber in dieser ›Abbreviatur‹ die gesamte psychische Situation erraten läßt –: dies alles ist von den neueren Kommentatoren mit Nachdruck als Vorspiel der modernen Romantechnik bezeichnet worden. James Joice, Proust, Thomas Mann, Virginia Woolf, Gertrude Stein und viele andere werden als nächste Verwandte in die engste Nachbarschaft zu Sterne gerückt. Ja, man geht so weit, in den sich über Bände erstreckenden Ausführungen von der ›pränatalen‹ Existenz des Tristram, der ja erst gegen Ende des dritten Bandes geboren wird, einen »Vorgriff auf seelenkundliche Erkenntnisse« der Moderne zu sehen.  [19]

<32>

Soviel wenigstens mußte hier gestreift werden, damit unsere Tendenz, Sternes abstrakte bildnerische Einlagen mit modernen Augen zu sehen, an Verwegenheit verliert. Gewiß ist Sternes Darstellungsstil zu einem guten Teil zeitgebunden. Sterne ist von der Assoziationspsychologie seiner Zeitgenossen Locke, Hume und Hartley stark beeinflußt. Aber einmal nimmt diese Theorie ihrerseits Ergebnisse der modernen Gestaltpsychologie voraus – trotz wesentlicher Verschiebung in der Grundeinstellung –, zum anderen geht Sternes unbedingte Behauptung der Freiheit über jede Theorie hinaus, zumal sich seine Assoziationspsychologie mit einem Spieltrieb verbindet, der in der Tat geradezu dadaistisch anmutet (auch in Sternes äußeren Lebensformen, so in seinem Verkehr mit den »Demoniacs«, einem Freundeskreis, der im Hause John Hall-Stevenson, im »Crazy Castle«, die kuriosesten Streiche verübte).

<33>

Es ist Sternes Assoziationslust, die ihn dazu führt, innere und äußere Vorgänge mit möglichster Präzision nicht nur zu beschreiben, sondern zur besseren Verdeutlichung in ein anderes Zeichensystem als das der Sprache zu übersetzen. Er übte sich, wie er selbst schrieb, in der »Fertigkeit«, die verschiedenen Bewegungen der Blicke und Glieder, mit allen ihren Zeichnungen und Wendungen, in klare Worte zu übertragen. »Was mich betrifft«, sagte er, »so ist es mir aus einer langen Gewohnheit so mechanisch geworden, daß ich beständig translatiere, wenn ich in London durch die Straßen gehe; und mehr als einmal bin ich in großen Gesellschaften gewesen, wo nicht drei Worte gesprochen wurden, und ich doch wohl zwanzig verschiedene Dialoge mit hinwegnahm, die ich recht gut hätte niederschreiben und beschwören können.«  [20]

<34>

Nun ›translatiert‹ er umgekehrt im »Marmorblatt« (»dem bunten Sinnbild meines Werkes«) den Roman in ein sichtbares Symbol. Wir könnten versuchen, es wiederum ins Wort zurück zu übersetzen. Dann ließe sich sagen: Das Bild hat keine ›Form‹, denn es fehlen Schwerpunkt, Zentrum, Aufbau. Proportionen sind gleichgültig, darum ist die willkürliche Verschiebung der Druckplatten und die unterschiedliche Wahl des Ausschnitts bei den verschiedenen Buchausgaben ohne große Bedeutung. Kein Bildelement ist wichtiger als das andere. Wichtig ist die Struktur, nicht der Inhalt der Sache. Nicht ›Klarheit‹ ist Ziel der Darstellung, sondern Komplexität und Nuance: Die Elemente kommen sich in die Quere, berühren sich, schneiden sich, verdecken einander. Das ist in der Tat im streng wörtlichen Sinne »art informel«, nämlich »die zur Form erhobene Formlosigkeit«. Mit diesem letzteren Ausdruck zitieren wir wieder. Aber wir zitieren nicht etwa eine Bemerkung zu Sternes Farbblatt. »Zur Form erhobene Formlosigkeit« ist eine von Goethe bis zu den jüngsten Sterne-Kommentatoren immer wieder verwendete Bezeichnung seines schriftstellerischen Stils. Auch die folgende Erklärung bezieht sich auf Sternes Romantechnik, nicht auf sein abstraktes Bild, das in dem betreffenden Kommentar überhaupt nicht erwähnt wird: »Zunächst […] meint man einer völligen Formlosigkeit gegenüberzustehen […]. Erst dem forschenden Blick ordnet sich allmählich das auseinanderstrebende Gewirr zu einem Muster, dessen verschlungene Linienführung mit Kunstverstand und keineswegs nur in genial-regelloser Improvisation, wie man lange Zeit meinte, angelegt ist. Heute hat man überdies erkannt, daß diese Zickzacklinie der Darstellung […] mehr und anderes ist als ein geistvoll-exzentrisches Spiel mit neuen Kunstmitteln und etwas höchst Modernes bedeutet: den Versuch, die gebrochene Linie menschlichen Erlebens mit seinen Gedankensprüngen, seinen sonderbaren Windungen, Überschneidungen und Querverbindungen im Material der Sprache nachzubilden.«  [21]

<35>

Sterne und die modernen Abstrakten verwenden dafür außerdem das Material von Farbe und Form.

<36>

Sterne hat schließlich, soweit man sieht, als erster ein anderes modernes Problem angefaßt und auf seine Weise gelöst: die Direktübertragung der Bewegung, und damit der Zeit, in die Linie. Im Tristram Shandy finden wir folgende Zeichnungen:

4a  Laurence Sterne (1713-1768): aus Tristram Shandy

4b  Laurence Sterne (1713-1768): aus Tristram Shandy

4c  Laurence Sterne (1713-1768): aus Tristram Shandy

<37>

Abb. 4a stellt dar, wie der Korporal Trim in der Erregung seinen Spazierstock schwingt; erst hundert Jahre später wird Wilhelm Busch für diese Art von Bewegung noch andere Zeichen finden.  [22]

<38>

Abb. 4b zeigt die vier Linien, nach denen sich Sterne durch den ersten, zweiten, dritten und vierten Band bewegte. »Im fünften Bande«, sagte Sterne, »hab ich mich sehr gut aufgeführt. Die genaue Linie, die ich in demselben beschrieben, sieht so aus: (Abb. 4c) Woraus erhellt, daß ich, die kleine Kurve A, wo ich einen kleinen Abstecher nach Navarra machte, und die zackige Kurve B, welche den kleinen Spazierritt andeutet, den ich mit Mademoiselle de Baussière tat, ausgenommen – ich nicht den geringsten Sprung von einer Digression getan habe, bis mich Jean de la Casses Teufel den Kreis herum führten, den Sie hier mit D bezeichnet finden; denn was die kleinen ccc anbetrifft, das sind bloß Parenthesen, nichts weiter als die gewöhnlichen Stufen aufwärts und niederwärts, die in dem Leben des größten Staatsministers vorzufallen pflegen […].«  [23] Sterne stellt dann in Aussicht, daß er sich am Ende derart bessern könnte, daß der Fortgang seines Romans eine so gerade Linie bilde, wie man sie nur »mit dem besten Lineale eines Schreibmeisters« ziehen könne – in Wahrheit wird nichts dergleichen geschehen. Vielmehr schaltet er zunächst eine ironische Rede auf die gerade Linie ein.

»Diese gerade Linie, der Pfad, auf welchem ein Christ einherwandeln sollte, sagen die Theologen.
Das Sinnbild moralischer Rechtschaffenheit, sagt Cicero.
Die beste Linie, sagen die Kohl- und Salatpflanzer – ist die kürzeste Linie, sagt Archimedes, die man von einem gegebenen Punkte zum anderen ziehen kann.
Ich wünschte, meine Hochwohlgeboren gnädigen Damen, Sie wollten diese Sache ein wenig bei Ihren nächsten Gala-Roben beherzigen.«  [24]

<39>

So streitet Sterne gegen den Rationalismus der Zeitgenossen, gegen die Geometrie zugunsten der ›Finesse‹. So streitet eine heutige Generation gegen die geraden Linien des mittleren Kandinsky oder die Rechtecke Mondrians (Hans Platschek): »Der Weg zur Hölle ist mit geometrischen Bildern gepflastert.«  [25] »Vor nicht allzu langer Zeit war der Besitz gerader Linien ein Privileg der Könige, der Begüterten und der Gescheiten. Heute besitzt jeder, der nichts zu sagen hat, Millionen von geraden Linien im Hosensack. Dieser Urwald von geraden Linien, der uns immer mehr wie Gefangene in einem Gefängnis umstrickt, muß gerodet werden« (Fritz Hundertwasser  [26] ).

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Geht der Vergleich zu weit? Aber dann sehe man zu, wie sich Sternesche Ideen auch anderwärts in der modernen Kunst regen! Unleugbar arbeitete Klee im gleichen Sinne assoziativ wie Sterne, als er, Violinspieler, der er war (wie übrigens auch Sterne!), sein Bild Heroische Bogenstriche schuf, als er die Taktschläge des Dirigenten in Linien transponierte und zu Bildmotiven machte. Wer könnte Sternes graphische Niederschläge seiner Kapitelverläufe betrachten, ohne an Klees zeichnerische Übungen zu denken, die er seinen Schülern wie einen Roman erläuterte? So transponiert Klee eine Zeichnung in Worte, die auch sprachlich faszinieren:

<41>

»Eine Reise ins Land der besseren Erkenntnis: Über den Toten Punkt hinweggesetzt sei die erste bewegliche Tat (Linie). Nach kurzer Zeit Halt, Atem zu holen (unterbrochene oder bei mehrmaligem Halt gegliederte Linie). Rückblick, wie weit wir schon sind (Gegenbewegung). Im Geiste den Weg dahin und dorthin erwägen (Linienbündel). Ein Fluß will hindem, wir bedienen uns eines Bootes (Wellenbewegung). Weiter oben wäre eine Brücke gewesen (Bogenreihe). Drüben treffen wir einen Gleichgesinnten, der auch dahin will, wo größere Erkenntnis zu finden. Zuerst vor Freude einig (Konvergenz), stellen sich allmählich Verschiedenheiten ein (selbständige Führung zweier Linien). Gewisse Erregung beiderseits (Ausdruck, Dynamik und Psyche der Linie) […]. ›Er‹ verirrt sich, sucht und beschreibt einmal gar die klassische Bewegung des laufenden Hundes. Ganz kühl bin ich auch nicht mehr; über neuer Flußgegend liegt Nebel (räumliches Element). Bald wird es indessen wieder klarer. Korbflechter kehren heim mit ihrem Wagen (das Rad). Bei ihnen ein Kind mit den lustigsten Locken (die Schraubenbewegung). Später wird es schwül und nächtlich (räumliches Element), Blitz am Horizont (Zickzacklinie). Über uns zwar noch Sterne (die Punktsaat). Bald ist unser erstes Quartier erreicht. Vor dem Einschlafen wird manches als Erinnerung auftauchen, denn so eine kleine Reise ist sehr eindrucksvoll […]. Der Blitz mahnte an jene Fieberkurve. Eines kranken Kindes […] damals.«  [27]

<42>

Das alles ist, bei Klee wie bei Sterne, mehr als Spaß. Spaß ist es auch. Und die Zeitgenossen Sternes wie seine unmittelbaren Nachfolger haben in der Regel nur den Ulk gesehen. Karl Arnold Kortums Jobsiade (1792) enthält in den selbstverfertigten Illustrationen manchen Sterneschen Witz. So werden des Kandidaten Jobsens theologische Examenskenntnisse durch einen Bilderrahmen dargestellt, in dem sich – nichts befindet. In der vom Publikum stürmisch verlangten Fortsetzung der Jobsiade erscheint eine rein abstrakte Graphik, die den Weg einer geplanten Weltreise darstellen soll (Abb. 5).  [28]

5  Karl Arnold Kortum (1745-1824): aus der Jobsiade, 1792

Das bleibt gewiß alles mehr an der Oberfläche, doch sei, da Kortum hier nun einmal erwähnt ist, eine weitere Anmerkung erlaubt: Kortum hat dieses »komische Heldengedicht« um 1800 mit altertümelnden Holzschnitten illustriert – nicht im Stil Dürers, was für die Zeit nicht so ungewöhnlich wäre, sondern im Stile der primitiven Formschneider aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bzw. der Kinderzeichnung, was ihm einen Hagel von Schmähungen seitens der Berufskritik einbrachte. In dieser Weise hat Hajek seinen Schwejk illustrieren lassen! Erst unsere Zeit hat den Bänkelsängerton Kortums wieder aufgegriffen (Brecht), und der Schönbergschüler Wolfgang Jacobi komponierte 1931 die Jobsiade als Schuloper.

<43>

Ein Kapitel über Sterne mag diese »digression« entschuldigen; beziehungslos ist sie nicht, auch wenn natürlich Kortum nur das parodistische und ironische Element mit Sterne teilt (auch das Schildern der pränatalen Umstände des Hieronimus hat Kortum von Sterne) und nicht den »Übersinn« im Unsinn, den seinerzeit wohl überhaupt wenige erkannten. Goethe sah ihn. Er hat ausdrücklich für sein erfolgreichstes Frühwerk auf den Einfluß Sternes verwiesen, aber es entstand – »da uns die humoristische Ironie des Briten nicht gegeben war« – der Werther! Fehlt sie nämlich, so entsteht eine »leidige Selbstquälerei«, und Goethe sah wohl, daß man den Shandyismus, blickt man tiefer, auch als »Zwangshandlung eines in unlösbare Widersprüche verstrickten Menschen« sehen kann, wie Fritz Güttinger sich unlängst ausdrückte und wie Rudolf Kassner Sterne sah.  [29] Auch Nietzsche sah Sterne als den »großen Meister der Zweideutigkeit«: »Der Leser ist verloren zu geben, der jederzeit genau wissen will, was Sterne eigentlich über eine Sache denkt, ob er bei ihr ein ernsthaftes oder ein lächelndes Gesicht macht; denn er versteht sich auf beides in einer Faltung des Gesichts; er versteht es ebenfalls und will es sogar, zugleich Recht und Unrecht zu haben, den Tiefsinn und die Posse zu verknäueln [...]. So bringt er beim rechten Leser ein Gefühl von Unsicherheit darüber hervor, ob man gehe, stehe oder liege: ein Gefühl, welches dem des Schwebens am verwandtesten ist [...].«  [30] »Schwebendes – es ist ein Vermittlerwort auch für Paul Klee.

<44>

Das Groteske mit Hintersinn, das Bizarre als Symbol für die faszinierende Absurdität des Lebens, die durch die Maske des Humors geschützte Innerlichkeit, das Schwebende und Mehrdeutige als Stilmittel – es ist ein ganzer Katalog an Vorgriffen, Vorwegnahmen gegenwärtigen künstlerischen Verhaltens im Schaffen Sternes enthalten.

Victor Hugo  [31]

<45>

Es gibt eine ausführliche Dissertation über »Das visuelle Element in der Kunst Victor Hugos, betrachtet an seinen Bildern«.  [32] Von der Tatsache, daß der französische Dichter selber Bilder malte – und nicht nur Bilder beschrieb –, erfährt man nichts. Es gibt 130 Biographien über Victor Hugo – über seinen Rang als Maler unterrichtet keine; erwähnt wird er allenfalls als dilettierender Zeichner und Karikaturist. Seine frappanten farbigen Kompositionen sind erst neuerdings zum erstenmal farbig reproduziert worden, nicht von Seiten der Kunstgeschichte, sondern von der Wochenzeitschrift Paris Match, die denn auch nicht zögert, Hugo im Jargon der Illustrierten zum »Vater der modernen Kunst« zu erklären.  [33] Zwar hatten einige wenige Hugos Begabung als bildender Künstler erkannt, so Théophile Gautier und Baudelaire, der seine Tuschzeichnungen preist: »Eine großartige Imagination durchpulst diese Blätter wie ein Geheimnis des Himmels.« Hin und wieder sind Zeichnungen Hugos im Druck erschienen, zum erstenmal 1882, aber ausgewählt wurden jeweils solche, die der herrschenden konventionellen Auffassung am nächsten kamen. Die denkwürdige St. Gallener Ausstellung von 1957 »Malende Dichter – dichtende Maler« zeigte einige freiere Arbeiten, aber noch nichts von seinen abstrakten farbigen Bildern.  [34]

<46>

Hugos zeichnerischer und malerischer Nachlaß befindet sich im Archiv des Victor-Hugo-Museums, Paris, Place des Vosges, im Manuskriptkabinett der Bibliothèque Nationale, im Hauteville House in Guernsey und in Privatsammlungen. Eine größere Publikation dieser stupenden Dinge wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen; sie wäre eine Illustration für einen jener Fälle, mit denen der Historiker immer rechnen muß: zeitgenössische Vorgänge werten vergangenes Geschehen auf, werten es um. Was in den Konvoluten so lange als belanglos versteckt blieb, erhält erst von der gegenwärtigen abstrakten Malerei her seinen Rang und nachträglichen Ruhm. Bedenkt man, daß nur die Pietät vor dem Dichter die Erben veranlaßt haben wird, dergleichen überhaupt aufzubewahren – denn künstlerisches Verständnis dafür ist in der Zeit seines Todes noch schwerlich zu erwarten –, so macht man sich leicht eine Vorstellung von den Verlusten an ähnlich beschaffener Kunst in anderen Fällen.

<47>

Die erst jetzt bekanntwerdenden bildnerischen Gestaltungen Hugos und die in seinen Dichtungen mit dem Wort gebannten Bildvorstellungen und Seherlebnisse erhellen sich gegenseitig.  [35]

<48>

In den Bildern seiner Dichtung zeigt sich einerseits eine Tendenz zur Vereinfachung, zur Reduktion der Gegenstände auf ihre geometrischen Grundformen. Er betrachtet, ließe sich sagen, wie Cézanne die Natur nach Kugel, Kegel und Zylinder.

<49>

Daneben steht andererseits, wieder wie bei Cézanne, eine besondere visuelle Begabung für die Feinstruktur und die dynamischen Naturformen. Hugo ist darüber hinaus höchst interessiert an der »caprice«, der Form, die im Grotesken endet. (Er selbst hat eine »Theorie des Grotesken« entwickelt.) Kapriziös, phantastisch, bizarr, grimassenhaft sind die Lieblingsvokabeln; mit Vorliebe gebrauchte Worte für die dynamische Formgebung sind etwa: gebückt, verfallen, zerstückelt, zerfetzt, gezackt (déchiqueté), schartig (ébréché).

<50>

Beide Betrachtungsweisen, die wir schon von Coleridge her kennen,  [36] haben einen gemeinsamen Grund unter sich. In beiden Fällen löst sich die Betrachtung weitgehend von der gegenständlichen Dingbezeichnung.

<51>

Kaum richtig ist es, wie Hildegard Matt schreibt, daß sich diese Gegenpole in der Sicht Hugos »in fruchtbarer Spannung ausgleichen«.  [37] Aufschlußreich ist hier vielmehr, daß er in seiner zeichnerischen und malerischen Produktion die geometrische Abstraktion durchaus meidet. Die Geometrie ist für ihn, auf die Kunst bezogen, genau wie für Delacroix und für die jüngere Generation unserer Abstrakten, ein Ungeheuer. »Géomètre ou un spectre« ist ein Ausspruch Victor Hugos.

<52>

Die Reduktion auf geometrische Grundformen findet in seiner Dichtung immer dort statt, wo die Stimmung der Verlorenheit, Gefahr und Todesdrohung zu geben war, nur dann ist von den Kegeln oder Würfeln der Felsen, den Walzen der Wellen usw. die Rede. Schiffbrüchige treiben an eine Klippe: »Der unbewegliche Kubus taucht seine rechteckigen Flächen in die zahllosen Serpentinenbögen des Meeres.« Er spricht von der Kälte der Linien, von der »schauerlichen Traurigkeit der Rechten Winkel: nichts preßt das Herz so zusammen wie die Symmetrie«. Ein Revolutionstribunal wird installiert in »geraden Linien« und in »harten rechten Winkeln, kalt und schneidend wie Stahl«, steht die Guillotine.  [38]

<53>

Freude empfindet Victor Hugo dagegen an dem »mauvais goût magnifique« des Barock. Er begeistert sich für die gotischen Dächer von Bacharach; für das »Labyrinth unbestimmter, unentschiedener Formen«, wie sie die Steilküste von Dieppe zeigt; für alles Verfallene und Poröse. In dieser »Kunst der Natur« ist »der Zufall gewollt«. »Der Unbekannte, der gewaltige Architekt, berechnet nichts und ihm glückt alles [...] nichts ist logisch in diesem ungeheuren Gleichgewicht. Das ist mehr als haltbar, das ist ewig. Zu gleicher Zeit ist es Unordnung.«

<54>

Hugo hält es für möglich – welche Kühnheit im Angesicht der Ästhetik seiner Zeit! –, daß auch durch Zerstörung ein Kunstwerk entstehen kann. Ein Beispiel dafür ist die Beschreibung der Schiffswand der gestrandeten »Durande«.  [39]

<55>

Doch ist der Gedanke einer Erhöhung der Schönheit durch Zerstörung für die Romantik durchaus charakteristisch und schon bei Ludwig Tieck ausgesprochen, so in der Erzählung Der Gelehrte: »Da draußen auf dem Vorsaale hängt ein Bildchen von einem recht hübschen holländischen Frauenzimmer. Das Bild ist in der See gewesen, verdorben, und nachher wohl zu scharf abgeputzt worden, so daß nun die Farben zum Teil herunter sind, und der stille blasse Grund etwas sehr hervorgetreten ist. Das Bild kann unmöglich so schön gewesen sein, als es jetzt ist [...].«  [40]

<56>

Ein besonderes Auge hat der Romantiker Hugo natürlich für »die himmlische Groteske«, die »Grimassen der Wolken«, denn auch hier herrscht »l'informe«, die Nichtform, also das »Informel«, die Ungestalt: »Nirgend ein korrekter Kontur. Groß, jawohl; rein niemals.« Aber »die ganze Natur ist so beschaffen. Alles wirft seinen Widerschein, nach oben ins Vollkommene, nach unten ins Häßliche und Plumpe«. Denn alles ähnelt sich, alles reimt sich, wie später Wols sagen wird. »Die disparatesten Dinge präsentieren sich mir als Verwandte in seltsamer Harmonie, ich weiß nicht, warum«, schreibt Hugo, und so ist es nur natürlich, wenn er sich auch als ein Meister im »Hineinsehen« zeigt.  [41]

<57>

Er entdeckt wie Stifter und Jean Paul oder Coleridge die Entsprechungen des ganz Großen und Fernen mit dem ganz Kleinen und Nahen; Wagenspuren auf lehmiger Straße werden wie Hochgebirge gesehen und beschrieben. In der Draufsicht, im Blick von oben, wo die Dinge ihre eigene Höhenerstreckung einbüßen und sich ins Bildhafte, Flächenhafte einbetten, erlebt er sich, wie Stifter, als Zentrum innerhalb der Rundung des Horizonts. Vom Heidelberger Höhenzuge blickend, stellt er fest: »Was ich unter den Augen habe, ist nicht eine Landschaft, sondern eine große geographische Karte, fast kreisrund, verwischt durch Atmosphäre und Ferne.« Auch vom Straßburger Münster herab sieht er »eine geographische Karte, aber eine lebende, mit Nebel und Rauch, mit Schatten und Licht«. Tiecks, Jean Pauls und Stifters »Verfremdung« (nach André Breton das Schlüsselwort für den gesamten Surrealismus) bzw. Coleridges »Novelty« spielten auch für Hugos Sehen die größte Rolle, darum seine Ergriffenheit gegenüber der Natur zur Dämmerung, à l'heure crépusculaire: »Das ist der Augenblick, wo die Natur sich deformiert und phantastisch wird.« Ausnahmestimmungen wie ein beobachtetes Meeresleuchten nehmen ihn ganz gefangen: »Bei diesem Leuchten verlieren die Dinge ihre Realität. Die Felsen sind nichts als Lineament.«

<58>

Auf ähnliche Weise geht die Gegenständlichkeit der gestrandeten »Durande« verloren, so daß sie von den Vorüberfahrenden nicht mehr erkannt werden kann.  [42]

<59>

Der Buntwert der Farbe spielt in seinem Sehen – wie auch in seinem bildnerischen Schaffen – eine vergleichsweise geringe Rolle. In seinen Beschreibungen handelt es sich vorwiegend um Grau- und Braunstufungen. Überdies weiß er, daß bloße Farbbenennungen im Leser selten reale Vorstellungen auslösen, und so ersetzt er sie durch Umschreibungen mit Materialien wie Ebenholz, Kastanien, Alabaster, Rubin, Diamant, Chrysopras. »Eine kupferne Abendwolke verwandelt sich im Schatten zu Zinn.«  [43]

<60>

In zweierlei Weise werden bei Victor Hugo solche ins Wort gebrachte Bilder »leibhaftig«: in einer Reihe künstlerisch gesehener Photographien, die er mit seinem Sohn zusammen auf Guernsey gefertigt hat, und in seinen Zeichnungen und Malereien, die uns hier interessieren.

<61>

Es sind gegen 600 Arbeiten erhalten, davon rund fünfzig rein abstrakte. Es sind Arbeiten darunter, für die er neue, damals schlechterdings unverständliche Techniken erfunden hatte (weshalb sie natürlich auch nicht ernst genommen werden konnten). Hugo benutzte – wir würden gerne sagen als erster, aber wie leicht kann uns ein künftiger ›Fund‹ widerlegen – die Collagetechnik, er malte mit Kaffee, er machte willkürlich Risse in das Papier, er arbeitete mit absichtlich zerbrochenen Federn. Er nutzte das zufällige Fließen der Aquarellfarbe voll aus. An starken Farbkontrasten war er dabei weniger interessiert als an einer tonigen, gestuften Monochromie (Abb. 6-10).

6  Victor Hugo (1802-1885): Schrei in der Nacht, zw. 1856 und 1868

7  Victor Hugo: Drache

8  Victor Hugo: Der Pilz

9  Victor Hugo: Landschaft

10  Victor Hugo: ohne Titel

<62>

Diese Arbeiten entstanden vorwiegend zwischen 1856 und 1870 während seiner Verbannung auf der Kanalinsel Guernsey. Er hatte sich dort auf dem Dach des Hauteville-Hauses eine Art Glaskasten bauen lassen, seinen »Ausguck«, in dem er arbeitete. Die verblüffende Inneneinrichtung des Hauses – sie ist erhalten – stammt von ihm selbst: die Möbel, in einer Technik patiniert, die sein Geheimnis blieb; die Wanddekorationen, zu denen 50 Spiegel gehörten; ein selbstmodellierter Leuchter; die phantastisch ornamentierte Decke. Hugo nahm hier beiläufig Anliegen des späteren Jugendstils voraus.

<63>

Nicht so in seinen Malereien. Sie halten sich vom Nur-Dekorativen weit entfernt. Soweit sie Figürliches zeigen, sind sie eine Entsprechung zu seiner Theorie des Grotesken. Ein monströser Fliegenpilz schießt empor wie eine atomare Explosionswolke. Grotesk ist seine Überdimension innerhalb der kaum definierten brandroten Landschaft. Strindberg wird später – natürlich unabhängig von Hugo, darum in seltsamer Koinzidenz – das gleiche Motiv des Giftpilzes malen und denselben Grotesk-Effekt erzielen, aber mit gegenteiligen Mitteln, indem er den Pilz superklein bildet und zur Seite schiebt (Abb. 11).

11  August Strindberg (1849-1912): Der Giftpilz, 1892

<64>

Es gibt Bilder von Hugo, die keinerlei tiefenräumliche Angaben im perspektivischen Sinne mehr enthalten, auch wenn noch Figürliches erscheint, wie etwa ein schlangenförmiges Drachentier. Andere, rein gegenstandslose Bilder erinnern an William Turner und weisen allenfalls einen impressionistischen Farbraum auf. Eine weitere Reihe von Arbeiten findet ihre Entsprechung nur in den Bildern der jüngsten Abstrakten unserer Tage und verdient wie diese die Bezeichnung einer tachistisch-informellen Malerei. Soweit Victor Hugo seine abstrakten Bilder betitelt, steht er dem Expressionismus nahe (Schrei in der Nacht, Abb. 6).

<65>

Hugos erste bildnerische Arbeiten fallen in die Zeit von Stifters Spätwerken. Hugo stirbt 1885. Er hätte also noch die ersten Arbeiten von Odilon Redon sehen können, dessen Lithographien von 1879 und die (allerdings damals kaum beachteten) Ausstellungen von 1881 und 1882. Hugo hätte sich mit vollem Recht als den Vorläufer Redons bezeichnen können, und das will immerhin sagen: als den Vorläufer eines Künstlers, der als erster professioneller Maler den Weg von der geschauten Natur zum Traumgesicht und am Ende zur völligen Gegenstandslosigkeit zurücklegte. Seltsam genug: Manche Bilder des Malers wirken ›literarischer‹ als die des Dichters. Verständlich wiederum, wenn man das enge Verhältnis Odilon Redons zur Dichtung in Betracht zieht: er illustrierte Edgar Allan Poe, er war der vertraute Freund von Mallarmé.

<66>

Welche Rolle eine solche Partnerschaft für die Geschichte der abstrakten Malerei spielt, wird bald zu untersuchen sein.

Überlieferte, selbstdurchdachte Methode  [44]

<67>

Da das Kunstwerk kein Naturprodukt ist, sondern in der Werkstatt des Künstlers entsteht, muß es einem bestimmten Verfahren, einer Werk-Methode, unterworfen sein. Diderot behandelt diesen Punkt in seinem Essay sur la peinture und setzt die Bemühungen der wahren Künstler um die Methode streng von der »beschränkten Manier« der »kleinmütigen« Maler ab, die einfach nach einem Atelier-Rezept vorgehen, nach dem »Protokoll«, wie es Diderot nennt. Goethe verstärkt in seiner Rezension die Ausführungen »des edlen Diderot« und unterscheidet den wahren Künstler vom falschen dadurch, daß dieser eine Manier, jener »eine überlieferte, selbstdurchdachte Methode« verfolge: »Das Resultat einer echten Methode nennt man Stil.«

<68>

Ihre Voraussetzung ist nach Goethe eine tiefe Erkenntnis vom »Wesen der Dinge« und von der »Einheit des Ganzen«. Die Methode ist überliefert und selbstdurchdacht; das heißt, sie definiert damit die wahre und einzig mögliche Originalität in der Kunst; denn Künstler, die ganz »etwas für sich selbst sein wollen, ohne rückwärts oder vorwärts zu sehen«, enden in einem »bequemen Mystizismus«.  [45]

<69>

Bei der Ausübung der Methode tritt unbewußt die Individualität des Künstlers ins Spiel. Aber da sein selbstdurchdachtes, also reflektiertes Verfahren auf Überlieferung beruht, wird verhindert, daß er sich von der »Einheit des Ganzen« entfernt.

<70>

Es gibt so viele echte Methoden, wie es echte Stilepochen gibt. Die in den Zeiten wechselnden Arbeitsverfahren sind bewußt gewählt, mag immer Unbewußtes während der arbeitenden Methode ins Spiel kommen. So ist es auch kein Widerspruch, sich bewußt eine Methode zu wählen, die gerade den Anteil des Unbewußten im Schaffensprozeß steigert, wie das in der Moderne geschieht. Unbewußtes und Bewußtes sollen sich im Kunstwerk verhalten wie »Schuß und Kette« des Webers, wie »Zettel und Einschlag«, ein Gleichnis, das Goethe, dessen Auffassung wir hier soeben gefolgt sind, gern gebraucht.

<71>

Die selbstdurchdachte Methode, die zum Stil führt, bringt im Kunstwerk etwas hervor, was im Sujet, im Motiv, im Gegenstand selbst nicht gegeben ist. Sie verhält sich zum Gegenstand nicht widersätzlich, aber auch nicht unterwürfig, sondern ergänzend (komplementär). Sie ist für Gegenstände der unterschiedlichsten Art anwendbar, weil sie selbst ja nichts Gegenständliches ist. Weist nun ein modernes Bild, das auf den Gegenstand verzichtet, dann vielleicht allein dieses andere auf, die sich im Gestaltungsmittel niederschlagende Methode, den aus ihr entstandenen ›Stil‹?

<72>

Der Gedanke ist keineswegs so absurd, wie diese Formulierung klingen mag. Denn wie entsteht heute ein abstraktes Bild? Da der Maler eines solchen Bildes gewiß nicht malt, was er vor sich sieht, malt er dann wirklich im Sinne jenes Ausspruchs von Caspar David Friedrich, was er in sich sieht?  [46]

<73>

Kein Mensch kann ernsthaft glauben, daß Künstler wie Klee oder Wols, Pollock oder Kandinsky Bilder, wie sie unsere Abbildungen zeigen, vorher »in sich«, mit ihren inneren Augen, oder wie man es immer nennen mag, wirklich gesehen haben. Selbst Eidetikern sind solche Visionen versagt, denn gerade deren innere Bildphänomene sind an die erinnerte gegenständliche Erscheinungswelt gebunden. So war Kandinsky bekanntlich – zu seiner Qual – ein starker Eidetiker; viele seiner gegenständlichen Frühbilder sind eidetisch erinnerte Theateraufführungen und dergleichen. Aber in seiner abstrakten Malerei befreite er sich gerade vom Druck der eidetischen Bilderscheinungen, die ihn zwar zum Schaffen reizten, aber doch nur zu einem rein nachahmenden Schaffen, das ihm nicht genügte. In der Tat, selbst wenn es psychisch und physisch möglich wäre, ein Modell des abstrakten Bildes als inneres Bild in der Vorstellung zu haben und es dort während der Bildverfertigung zu halten, in jedem Falle, in dem ich ein solches imaginäres Bild auf der Leinwand wiedergebe, kopiere ich wie ein gewöhnlicher Naturalist.

<74>

Wie also entsteht ein abstraktes Bild? Es entsteht durch ein bestimmtes Arbeitsverfahren, durch eine bewußt gewählte Herstellungsmethode. Es gibt so viele Arbeitsverfahren, wie es Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der abstrakten Malerei gibt. Die Kubisten hatten eine andere Methode als Paul Klee, dessen Reichtum überdies gerade darin besteht, daß er viele selbstgefundene Verfahren nebeneinander benutzte.

<75>

Wenn es im Gesamtwerke Klees und überhaupt in der modernen Kunst trotzdem eine Stileinheit gibt – und wieweit dies der Fall ist, wird man, je weiter die Zeit fortschreitet, um so deutlicher sehen –, so liegt dies daran, daß die verschiedenen Arbeitsverfahren Varianten eines gemeinsamen Grundverfahrens sind.

<76>

Daß hier nun auch für »Manier« im Sinne Diderots und Goethes viel Spielraum besteht, ist nur allzu offenbar und wie immer unvermeidlich.

<77>

Sprach man früher von einem originellen Maler, weil er originelle Motive malte, so ist heute der Maler auf der Suche nach einer originellen Methode. Erfinden heißt heute vorwiegend, Verfahren erfinden. Daß dies nicht ohne Gefahren abgeht und die kleinen Talente auf abschüssige Wege führen kann, ist selbstverständlich. Zuweilen kommt dann nur das heraus, was die Amerikaner ›gimmicks‹ nennen, ein Trick, ein Programm, ein Atelier-Rezept. Sagte Runge mit einem Blick auf den Weimarer Kunstbetrieb seiner Zeit: »Die Leute jagen nach Sujets, als ob die Kunst darin stecke«, so besteht heute Anlaß, die Jagd nach einem originellen Verfahren hier und da zu bedauern. Die Kunst ›steckt‹ sowenig im Sujet wie im Verfahren. Sie soll mit seiner Hilfe entstehen.

<78>

Alles Sinnvolle hat Vorläufer. Der Kunsthistoriker wird durch seine Facharbeit auf diese Erkenntnis geradezu gestoßen. Er weiß, daß kein Künstler unabhängig von Traditionen existiert. Er wird zu untersuchen haben, ob sich diese Erfahrung auch vor der ›Verfahrensfrage‹ bewährt. Wenn Goethe für die höchste Stufe der Kunst, den Stil, nicht nur eine selbstgedachte, sondern zugleich überlieferte Methode fordert, wie steht es damit angesichts der modernen Herstellungsverfahren? Erweisen sie sich als geschichtlich ableitbar, so wäre der Verdacht, es könne sich hier womöglich um originalen Unsinn handeln, merklich entkräftet.

<79>

Die Frage ist also gewichtig. Unsere Untersuchung hat bisher gezeigt, daß es seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten Wunschbilder, Utopien der abstrakten Malerei gibt, daß sie als denkbar, damit als möglich längst begriffen war. Es könnte nun sein, daß auch Verfahren, Methoden, die heute zur abstrakten Kunst führen, schon gestern und vorgestern angewandt wurden, ohne daß sie damals schon gegenstandslose Bilder ergeben sollten. Sollten also parallel zu Utopien und Denkmodellen auch Verfahren existiert haben, mit denen sie realisierbar wären, dann verdichtet sich allerdings der gesamte Fragenkomplex erheblich, denn dann, sollte man meinen, kann es wirklich nur eine Frage der Zeit sein, bis beides zusammenwächst, denn Denken und Tun – darin sah Goethe »die Summe der Weisheit« – will immer zusammenfließen. Das Auftreten der abstrakten Malerei erschiene dann um so deutlicher als ein Prozeß von einsehbarer historischer Notwendigkeit.

<80>

Nun hat es freilich zuweilen seine Schwierigkeiten, die modernen Herstellungsverfahren abstrakter Bilder hinreichend genau zu untersuchen und zu beschreiben, was ja nötig ist, um sie ableiten zu können. Die Künstler haben auch heute noch die Neigung, lieber zu verbergen als zu enthüllen, »wie sie das gemacht haben« – schon um sich vor Nachahmern zu sichern. Aber sie verraten doch einiges, und die Bilder selbst verraten mehr, und schließlich entdeckt man eine weithin gemeinsame Grundeinstellung gerade in der Herstellung der Bilder der jüngsten abstrakten Phase, um die es hier namentlich geht. Gegenüber dieser Grundkonzeption sind die persönlichen Varianten für unsere Betrachtung zweitrangig und können zunächst zurückgestellt werden.

<81>

So sind – um zwei kontrastreiche Situationen zu nennen – zwischen der Aktionsmalerei Pollocks und der so viel zarteren Bildgestaltung eines Wols die äußeren Unterschiede erheblich. Pollock wählte riesige Formate, Wols' Bilder sind oft nur handtellergroß. Wols genügte die Beweglichkeit seiner sensiblen Finger (er war wie Paul Klee ein virtuoser Violinspieler), Pollock malte mit der Gestik seines ganzen Armes und Körpers. Für beide – und für alle übrigen Vertreter der Informellen – findet sich indessen eine grundsätzliche Übereinstimmung. Zumindest das Anfangsstadium des Malens besteht in einem Akt, den man bewußte Provokation von Zufall nennen könnte. Zur Herstellung gehört ein gewisser Automatismus des Machens, der zwar gewöhnlich von bewußten Unterscheidungen unterbrochen, zuweilen aber auch bis zum Ende durchgehalten wird. Das Bild beginnt, wie man respektlos sagen könnte, mit Kritzeln und Klecksen, und wir fassen nur zahlreiche Äußerungen der Künstler selbst zusammen, wenn wir hinzufügen, daß dieses Kritzeln und Klecksen in einem halb automatischen, halb motorischen, also völlig unreflektierten Zustand vor sich geht, der nur von einer gewissen ›Gestimmtheit‹ gesteuert wird.

Soulages: »Ich habe beim Malen keine bildhaften Vorstellungen oder gar eine feste Absicht, mich lenkt ein innerer Impuls, ein Verlangen nach gewissen Formen, Farben, Materialien: erst wenn die auf der Leinwand stehen, sagen sie mir, was ich will. Mein Tun lehrt mich, was ich suche. Nur durch Malen erfahre ich, was ich will. Die Folge meiner Wünsche, die Reihe dieser Impulse bilden sich fast instinktiv.«

Baziotes: »Was auf der Leinwand geschieht, ist unvorhersehbar und überraschend für mich […]. Erst durch die Arbeit, oder wenn das Bild beendet ist, enthüllt sich der Bildsinn.«

Motherwell: »Wir reisen in die Nacht mit unbekanntem Ziel […].«

Pollock: »Die Quelle meiner Malerei ist das Unbewußte […]. Ich mache keine Vorstudien […]. Wenn ich male, bin ich mir wenig bewußt, was vor sich geht, erst danach sehe ich, was ich gemacht habe.«  [47]

<82>

Wie die Bilder Pollocks entstehen, ist bekannt. Man hat ihn bei der Arbeit gefilmt. Die Riesenleinwand liegt am Boden: »Ich brauche den Widerstand einer harten Fläche. Auf dem Fußboden kann ich buchstäblich von allen vier Seiten malen, ebenso schweres Pasto wie flüssige Farbe verwenden. Oft nehme ich Fremdmaterialien wie Kies, Sand, Nägel und zerbrochenes Glas.«  [48] In springender Bewegung und mit weit ausholenden Armgesten geht Pollock von allen vier Seiten zum Angriff vor. Ohne Pausen des Nachdenkens zieht er, Schicht über Schicht, seine Farbspuren. Er tropft Lacke aus der Büchse, läßt sie an einem Stab herablaufen, mit dem er zeichnet. Er hilft mit Händen und Fingern nach. Zigarettenasche und Schweißtropfen mischen sich mit der langsam gerinnenden Farbe (Abb. 12).

12  Jackson Pollock (1912-1956): Number Four, 1949

<83>

Ehe wir einen Blick auf Werk und Schaffensweise von Wols werfen, betrachten wir zunächst ein Bild, das dicht an der Schwelle zur abstrakten Kunst steht, ohne sie doch zu überschreiten, ein Gemälde Renoirs (Abb. 13).

13  Auguste Renoir (1841-1919): Südfranzösische Landschaft, um 1890

Der Abstraktionsgrad ist hoch. Die Zeitgenossen der Impressionisten fanden sich, wie bekannt, in deren Bildern nicht zurecht – sie konnten nichts ›erkennen‹. Der heutige Betrachter hat, soweit er schon mit abstrakter Kunst aufgewachsen ist, nicht unbedingt mehr die Neigung, überhaupt nach einem Gegenstand zu suchen, er übersieht ihn zunächst, und nimmt Renoirs Bild auf den ersten Blick als ein abstraktes Werk. Beim zweiten Blick erkennt er allerdings, daß da ein Fußpfad in die Tiefe führt, mitten durch zugleich üppige und stachlige Vegetation. Er sieht eine Landschaft in Südfrankreich. Renoirs Auge war hier auf Sehmotive gerichtet, die die jungen Abstrakten allgemein faszinieren: auf den Reiz der gestrüppartigen Feinstruktur zerfaserter, zersplitterter, verschwimmender Formen, die sich nicht zu Einzelgestalten begrenzen lassen. Diese Strukturen bildet Renoir zu einer Farbfaktur um, doch so, daß das Naturmotiv erkennbar bleibt und ebenso auch der seit der Renaissance traditionelle perspektivische Tiefenraum. Damit steht dieses Bild trotz seiner offenen Malweise der abstrakten Malerei noch sehr fern, denn wenn die Kunst darauf verzichten will, die mit unseren Sehorganen korrespondierende Wirklichkeit wiederzugeben, so muß doch wohl zuerst dieser perspektivische Sehraum verschwinden.

<84>

Der andere Weg: Man geht von den der Farbe selbst innewohnenden strukturellen Möglichkeiten aus, läßt sie verfließen, gerinnen, zerteilt und durchsetzt sie mit Linien und überläßt es dem Betrachter, ›Natur‹, wenn er mag, ›hineinzusehen‹.

<85>

Wir betrachten zwei Bilder von Wols (Abb. 14, 15):

14  Wols (1913-1951): L’Inachevée, 1951

15  Wols: La Nacrée, 1950

Sie muten bei aller Verwandtschaft, die auf einen einheitlichen Herstellungsprozeß schließen läßt, durchaus verschieden an. Das eine blickt uns entgegen, das andere zieht sich zurück. Das erste suggeriert räumliche Nähe, das zweite das Gegenteil. In Wirklichkeit enthalten diese Bilder natürlich keine direkten Hinweise auf einen dreidimensionalen Tiefenraum, es fehlen ja alle perspektivischen Angaben – im Gegensatz zu dem Bilde Renoirs.

<86>

Trotzdem wird jedermann, nicht nur der ›voreingenommene‹ Betrachter, auch die Bilder von Wols auf gegenständliche Assoziationen hin abzulesen versuchen, vielleicht in der Hoffnung, durch längeres Hinsehen den verborgenen Gegenstand zu entdecken, so wie ihm das bei Renoir gelungen ist. Was blickt uns da eigentlich an? (Abb. 15) Ein verwitterter Faunskopf, ein unbekanntes Insekt oder einfach Wurzelwerk und verfärbtes Laub? Wir merken bald, solche Gegenstände sehen wir nur in das Bild hinein, sie sind nicht in Wirklichkeit da. Wir können an ihnen nicht festhalten, ihre Grenzen verfließen. Der Sinn, wenn das Bild überhaupt einen hat, ist vieldeutig wie unsere Träume. Wir sehen den Zwischenzustand einer offenbar mitten im Werden befindlichen Gestalt, aus der noch dies und das werden könnte. Sollte der Künstler nach einer Vorstellung gearbeitet haben, wie sie Novalis in seinen Poetizismen in die Worte faßte: »Nur das Unvollständige kann begriffen werden, kann uns weiterführen, das Vollständige wird nur genossen«? Nun, das Bild als solches ist beendet, wir wüßten nichts hinzuzufügen, aber es hat das Unvollständige zum Thema, in diesem Falle wörtlich: Wols nannte es l'Inachevée, zu deutsch Die Unvollendete.

<87>

Wir fragen nach dem Verfahren, durch das solche Bilder entstehen. Deutlich ist die überaus verschiedene ›Gestimmtheit‹, die die beiden Bilder Wols' auseinanderhält. Ferne hier, Nähe dort. Die Gestimmtheit – wir müssen vorläufig bei dieser vagen Bezeichnung bleiben – läßt zu gewissen Farben greifen, hier zu kalten, dort zu warmen, branstigen Tönen. Sie läßt ein formales Thema anklingen, hier mehr Fleck, dort mehr Figur. Aber die Farbe soll sich selbst bewegen. So wird sie verflüssigt. Man nennt das die Terpentinschwemme. Verfließende Übergänge entstehen, Rinnsale mit Zufallsbildungen. Man kann den Fluß unterbrechen, die Rinnsale mit dem Finger lenken, man kann mit einem nassen, aber farbfreien Pinsel ihren Verlauf vorzeichnen und vieles mehr. Das bedeutet, es besteht ein zweiter Akt darin, den Zufall zu steuern, zu bändigen. Am Ende trocknet das Bild auf, und auch darin liegt wieder ein nicht vollständig vorhersehbarer, ein vom Gestalter unabhängiger, verändernder Prozeß.

<88>

Ein solches Bild entsteht somit aus einem fortgesetzten Wechsel von Entscheidung und Zufall, und mag bei aller Malerei eine solche Partnerschaft bestehen und bestanden haben, ihre methodische Ausnutzung, das Durchhalten dieses Wechselspiels bis zum Schluß, unterscheidet die neue Malerei von der traditionellen in einem Maße, daß es verständlich wird, wenn Unwillige hier eine Art Grundsatzfrage stellen: Sind das noch Bilder, die so entstehen? Kann da noch von Kunst gesprochen werden, wo dem Zufall und dem Automatismus des Machens das Feld überlassen wird, das früher durch Vorstudie und Skizze in sorgfältiger Planung bestellt wurde? Sind das noch Bilder, wenn ihre Bedeutung dunkel bleibt und höchstens vom Betrachter hineingesehen werden kann?

Vom »Hineinsehen«

<89>

Unter »Hineinsehen« versteht die Psychologie ein Hineindeuten von Inhalten in Formen, die ursächlich mit diesen Inhalten selbst wenig oder auch nichts zu tun haben. Man sieht etwas ›hinein‹, was ›eigentlich‹ nicht da ist. Was man somit erhält, ist ontologisch betrachtet von sehr seltsamer Beschaffenheit – nicht seltsamer indessen als der Seinsmodus alles dessen, was wir Kunst nennen.

<90>

Dabei handelt es sich beim Hineinsehen keineswegs um einen Vorgang, der sich spezifisch vor Kunstwerken vollzieht. Es gibt lange Strecken in der Kunstgeschichte, in Europa mindestens von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert, wo die Fähigkeit des Hineinsehens, die jeder Bildbetrachter besitzt, nicht ausgenutzt, oft nicht einmal angesprochen wird. In Werke der rein naturalistischen Kunst gibt es gar nichts hineinzusehen, es ist dort alles ›da‹, nichts ist daran zu deuteln. Aber die Pointe beim Hineinsehen liegt gerade in diesem Deuteln, sie liegt in der Mehrdeutigkeit. Es werden ›entfernte Ähnlichkeiten‹ hineingesehen. Das Bild verrückt sich schnell, es bleibt in der Schwebe, so etwa, wie es Shakespeare in einem Dialog Polonius – Hamlet darstellt:

H. Seht Ihr die Wolke dort, beinah' in Gestalt eines Kamels?
P. Beim Himmel, sie sieht wirklich aus wie ein Kamel.
H. Mich dünkt, sie sieht aus wie ein Wiesel.
P. Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel.
H. Oder wie ein Walfisch.
P. Ganz wie ein Walfisch [...]

Oder in Antonius und Kleopatra:

Oft sehn wir eine Wolke drachenhaft,
oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär,
der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang,
gezackter Klipp' und blauem Vorgebirg'
mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt,
mit Luft die Augen täuschend […]
Was jetzt ein Pferd noch war, im nächsten Nu
verschwimmt's der Wolkenzug, unkenntlich wird's.  [49]

Beispiele dieser Art ließen sich bei Shakespeare häufen. Er teilt die Zuneigung zu diesen Phänomenen mit seinem Zeitalter, dem Manierismus, in dessen Bilderwelt die Mehrdeutigkeit programmgemäß zu Hause ist. Ein manieristischer Maler wie Arcimboldo macht mit vexierbildhaften Gemälden, die sich sowohl als Landschaft wie als menschliche Figur, als Gemüsestilleben wie als Porträt des Gärtners anschauen lassen, daraus Methode.

<91>

Die Fähigkeit zum Hineinsehen, zumindest das Interesse an diesem Vorgang, scheint in den Epochen zu wechseln. Frühzeiten und Primitivkulturen, die animistischen Religionen und die Mythologie der Alten leben geradezu von den schöpferischen Umsetzungen des Hineinsehens. Sie dichten Gestalten in Bäume und Felsen, in Wolken und Wellen, in die Gestirne des Nachthimmels. Sie sahen die Windsbraut und den Mann im Mond und Gott im brennenden Dornbusch.

<92>

Für die Antike hat Ernst Gombrich auf eine Stelle aus Philostratus, Das Leben des Apollonius von Tyana, verwiesen:

Sag mir, Damis, gibt es so etwas wie Malerei?
Natürlich, sagte Damis.
Und worin besteht diese Kunst?
Nun, sagte Damis, im Mischen von Farben.
Und warum tut man das?
Um nachzuahmen, um einen Hund oder ein Pferd, einen Menschen, ein Schiff oder sonst irgend etwas auf Erden darzustellen.
Dann ist also, fragt Apollonius wieder, Malerei Nachahmung, mimesis?
Sicher, was denn sonst, antwortete Dämon. Sonst wäre sie ja nur ein lächerliches Spiel mit Farben.
Gut, sagte sein Mentor, aber was ist mit den Dingen, die wir in den treibenden Wolken des Himmels sehen, die Kentauren und Antilopen, die Wölfe und Pferde? Sind sie auch Werke der Nachahmung? Ist etwa Gott ein Maler, der sich mit solchen Dingen die Zeit vertreibt?

Nein, kommen beide überein, diese Wolkengestalten sind rein zufällig; es ist der Mensch, der kraft seiner Imagination diese Dinge hineinsieht. Es gäbe eben zwei verschiedene Arten von Nachahmung.  [50]

<93>

Es ist klar, daß der Begriff der Nachahmung, der mimesis, für den Fall des Hineinsehens nicht mehr recht brauchbar ist, aber auf den Gedanken, die Kunst könne im ›Hineinsehen‹ selbst eine ihrer Wurzeln haben, kommen die antiken Gesprächspartner nicht. Erst Leon Battista Alberti (1404 bis 1472) geht hier weiter. Er sieht zweifellos zu einseitig die Wurzel aller darstellenden Künste überhaupt im Vorgang des Hineinsehens: »Ich glaube«, schreibt er in seinem Werk De Statua, »daß diese Künste auf folgende Weise zustande gekommen sind: in einem Baumstamm, einem Erdklumpen oder dergleichen entdecken wir eines Tages gewisse zufällige Züge, die nur geringer Änderungen bedürfen, um wie ein wirkliches Naturobjekt auszusehen [...]. Durch Zufügen oder Wegnehmen wird dann vollständige Ähnlichkeit erzielt.« In den sogenannten objets trouvés der Moderne, Fundstücken, denen ein »Ausstellungswert« (W. Benjamin) zugemessen wird, erhält diese eine denkbare Wurzel der bildenden Kunst wieder Auftrieb.

<94>

Für die einzige Wurzel halten wir sie nicht. Das Schaffen nach vorgestelltem Motiv oder Modell ist aus Urzeiten nachweisbar. Es ist von Interesse, sich hier in den Schöpfungsmythen umzusehen. Gott, der Schöpfer, nahm amorphe Materie – Ton – und formte Adam »nach seinem Bilde«, also nach einer Modellvorstellung, nach einem präexistenten Motiv. In dieser Weise entstanden die zahllosen Idole der Ägäis, des Balkans in Ton, Stein und Holz. Der skandinavische Mythos der Menschwerdung dagegen vollzog sich durch Hineinsehen: »Die Götter fanden am Strand Ask und Embla.« Sie verliehen ihnen Farbe und Schicksal, und das erste Menschenpaar war fertig. Ask ist ein Eschenstamm, Embla ein Ulmenstamm. Unschwer läßt sich in Stamm- und Astbildung eines solchen vom Wasser ausgezehrten Treibholzes die Menschengestalt hineinsehen – »durch Zufügen oder Wegnehmen wird dann« – wie schrittweise in der Pfahlplastik der Neger – »vollständige Ähnlichkeit erzielt«.

<95>

Seit der Romantik um 1800, vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts, führt die Beschäftigung mit dem Hineinsehen zu oftmals geradezu enthusiastischen Kundgebungen. Wir erinnern uns, daß Tiecks Sternbald die Bedenken des Damon und Apollonius nicht mehr teilt, als er ein in Gedanken entworfenes, nahezu abstraktes Bild beschreibt: »Würdest du dich nicht mit mächtiger Empfindung in das Bild hineinsehen? und doch wäre es nichts anderes als ein bloßes, fast tändelndes Spiel mit Farben [...].«

<96>

E. T. A. Hoffmanns erstaunliche Fähigkeiten im Hineinsehen sind bekannt und von uns bereits gestreift worden. Seine Nachfolger im In- und Ausland machten daraus eine literarische Technik. Hoffmann selbst ließ das Phänomen des assoziierenden Sehens zweifellos auch seinen Malwerken zugute kommen. Dasselbe wissen wir bereits von Victor Hugo und Strindberg. Beide waren wahre Meister im Hineinsehen, mit dem sie sich fast bis zur Manie einließen.

<97>

Victor Hugo brachte es fertig, vier Stunden lang eine Wolke, die über dem Gipfel des Pilatus schwebte, zu betrachten, um später ihre Gestaltänderung zu beschreiben. Er sah in Sandsteinformationen, in der Rinde von Ulmenstämmen tausenderlei Wesen – Zwerge mit Vogelschnäbeln, Ungeheuer in Menschengestalt mit zwei Gesichtern, von denen das eine lacht, das andere weint; seine Theorie des Grotesken erhält aus solchen ›Gesichten‹ reiche Nahrung. Sein Aperçu: »Nichts ändert die Gestalt so sehr wie die Wolken, es sei denn das Felsgestein.« Er versetzte aber auch abstrakte Zeichen in konkrete Bilder zurück und nahm dafür das ganze Alphabet durch. Das Y z. B. ist ein Baum, eine Wegegabel, eine Flußmündung, ein Esel- oder Büffelkopf, ein Glas mit Fuß, ein Mensch, der betet.  [51]

<98>

August Strindberg schildert einen Waldspaziergang. Ein Anblick in der Ferne machte ihn stutzen: Er sah eine Kuh. Aber schon verrückt sich das Bild – es sind zwei Bauern, die sich umarmen. Im Weitergehen wird eine ganze Picknickgesellschaft daraus. Aber nichts rührt sich, kein Laut ist zu hören. Schließlich kommt die Ernüchterung. Es handelt sich um einen verlassenen Karren, auf den Waldarbeiter ihre Jacken und Säcke geworfen hatten: »Es ist nichts mehr zu sehen. Der Zauber ist erloschen, die Freude dahin.«  [52]

<99>

In der französischen Künstlerkolonie Marlotte bringt Strindberg Stunden der Betrachtung im Speisesaal einer Wirtschaft zu, in dem die Maler arbeiten. Aber er interessiert sich nicht für ihre Gemälde, sondern für die Panneaus einer holzgetäfelten Wand, an der sie die Pinsel abstreichen, mit dem Spachtel die Farbreste abschmieren, die sie von der Palette kratzen. Strindberg ist begeistert von diesen ›Bildern‹, und was sieht er nicht alles hinein: Figuren, Porträts, Landschaften. Er macht aber auch die Beobachtung, daß diese ›Motive‹ je nach der psychischen Konstellation des Betrachters wechseln, so sind sie immer ›neu‹. Es ist Strindberg, der schließlich aus dem Phänomen des Hineinsehens eine »selbstgedachte Methode« entwickelte – in Theorie und Praxis, wie oben beschrieben.

<100>

Hier ist zunächst die Frage nach dem ›Wert‹ des Hineinsehens zu stellen. Eine Antwort gibt die Psychologie. Schon seit Jahrzehnten behauptet sich der Rorschach-Test (Abb. 16).

16  Hermann Rorschach: Rorschach-Testbild, 1921  [53]

Den Testpersonen werden zehn farbige und nichtfarbige Zufallsklecksbilder, die natürlich keine Kunstwerke sein wollen, vorgelegt – zum Hineinsehen. Es handelt sich um einen Persönlichkeitstest, der laut Kröners Wörterbuch der Psychologie »Art und Grad der Intelligenz, der mitmenschlichen Einstellung, der Affektivität und Gestimmtheit erfaßt«. Auch dieses Verfahren hat seine Vorgeschichte. Sie weist, was uns schon nicht mehr wundert, zurück in die Zeit der Romantik.

Justinus Kerner (1786-1862)

<101>

Unsere Abbildungen 43 und 44 [hier Abb. 17], die einer modernen Graphik nicht unähnlich sind, finden sich zusammen mit ungezählten anderen im Nachlaß des schwäbischen Dichters und Arztes Justinus Kerner. Er nannte sie Klecksographien, und sie stammen aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ca. 40 hat er 1857 veröffentlicht. Es sind von ihm vorsätzlich hergestellte Zufallstintenkleckse (schwäbisch »Tintensäue«), wobei er die Symmetrie auf mechanischem Wege durch Falten der Papierbogen erzielte (wie das auch in den Vorlagen des Rorschachtests geschieht).

17  Justinus Kerner (1786-1862): Klecksographie  [54]

Diese Blätter legte er sich und seinen Freunden vor, um Imagination und Phantasie anzuregen. Kerner selbst ließ sich von ihnen zu Gedichten inspirieren. Er erzählt dazu, daß sein Verfahren damals geradezu Mode wurde; es drang zum Entsetzen mancher Lehrer in die Schulen ein; ein ungenannter Künstler hat eigene Klecksographien lithographisch vervielfältigt. Christian Morgenstern hat ein halbes Jahrhundert später das Verfahren wieder aufgenommen, ebenso der Dichter Richard Dehmel.

<102>

Der stimulierende Wert solcher Klecksbilder kann nach alledem so gering nicht sein. Es kommt natürlich immer darauf an, wer sie anschaut. Aber das gilt auch für die Kunst, und zwar für alle Kunst. »Die Bedeutung des Kunstwerks ist nicht gegeben, sondern aufgegeben«, schrieb Zuckerkandl in einer ästhetischen Abhandlung, die nicht nur auf moderne Kunst gerichtet war. Nicht anders Goethe, der vom Gehalt eines Kunstwerks sagte, ihn erführe nur der, der selbst »etwas hinzuzutun« habe, oder, in etwas ungezogener Ausdrucksweise, Lichtenberg, der Kunstwerke Spiegeln verglich: »Wenn ein Affe hineinguckt, kann kein Apostel herausschauen.«

<103>

Kunstwerke sind eben nicht Dinge, sondern Phänomene. Daß sich das Kunstwerk erst im Auge des Betrachters vollendet, ist nach Kahnweiler die Voraussetzung des Kubismus. Er rechnet mit einem »Assoziationsvorgang«, der »das Hineinsehen von Gegenständlichem zur Folge hat«. Wer statt dessen nur den Eindruck einer geometrischen Bildstruktur erhält, bei dem habe sich der »Vorgang des Hineinsehens« nicht richtig vollzogen. Im Grunde verlangt jedes Kunstwerk nach einem Betrachter, der »sich hineinsieht«, dies sogar wörtlich: er wird immer auch sich selbst hineinsehen, und so vermittelt das Kunstwerk »nicht nur Bekanntschaft mit einem Du, sondern auch Aufklärung über uns selbst«, wie Fritz Kaufmann sagt: »Nur das Werkmittel verharrt – das Werk selbst als künstlerisches Phänomen wird in jedem ästhetischen Erleben immer neu und für jeden anders geboren […]. Also ist auch der Betrachter Gestalter.«  [55]

Alexander Cozens (ca. 1717-1786)

<104>

Wir sahen, das ›tachistische‹ Verfahren, jedenfalls sein Anfangsstadium, hat Traditionen, und wir können sie noch weiter zurück verfolgen. In der englischen Frühromantik erregte seit 1785 der Maler Alexander Cozens die Öffentlichkeit mit einer Art Lehrbuch für Landschaftsmaler unter dem etwas langwierigen Titel A New Method of Assisting the Invention in Drawing Original Compositions of Landscapes.  [56] Cozens verspricht also ein neues Verfahren zur Herstellung von Landschaften, und was er zustandebringt, ist mit Recht als eine Herausforderung des traditionellen Kunstunterrichts bezeichnet worden. Cozens ist in Rußland geboren, wie es hieß als illegitimer Sohn Peters des Großen, in Wahrheit wohl als Sohn eines berühmten Schiffsbaumeisters des Zaren. Er lebte seit 1746 als Zeichenprofessor in London und Eton. Als Freund von William Beckford stand er in enger Fühlung mit der frühromantischen Bewegung, zu deren ersten bedeutenden Persönlichkeiten er auch selber gehört.

<105>

In seinem Lehrbuch nun erklärte Cozens kurzerhand, das Skizzieren nach der Natur, ja das Skizzieren überhaupt sei zwar ein möglicher, aber durchaus nicht der fruchtbarste Weg zum Bilde. Statt dessen empfiehlt er seine Methode, die er »blotting« nennt, Klecksen. Blotting, so schreibt er, heißt »Formen des Zufalls produzieren, die dann ihrerseits Ideen suggerieren«. Er publiziert dazu Bildbeispiele. Was eine solche Abbildung zeigt (Abb. 18, 19), verdiente den Namen Tachismus oder art informel geradeso gut wie eine moderne Graphik unserer Tage.

18  Alexander Cozens (um 1717-1786): Landschaft nach der Blotting-Manier, vor 1785

19  Alexander Cozens: Landschaft (s. Abb. 18) ausgeführt

Man könnte in Cozens' Klecksographie durchaus andere Dinge hineinsehen als eine Landschaft. Aber Cozens hat sich auf Landschaften versteift, und so macht er Baumwipfel, Berge und See daraus, wobei reine Zufallsstriche sich in einer Bergspitze erhalten usw. Schließlich sieht er einen Tiefenraum in das Ganze hinein, den das Blottingblatt nun gewiß nicht enthält und nach der Methode des Zustandekommens auch gar nicht enthalten kann. Das Resultat ist ein konventionelles Landschaftsbildchen, eine schematisierte Imitation Claude Lorrains, des damals vielgeliebten, zu deren Herstellung es des unkonventionellen Verfahrens wirklich nicht bedurft hätte. Merkwürdig genug ist der moderne Betrachter infolge der Bildschemata, die er seinerseits aus der modernen Kunst bezieht, bereits geneigt, das Zufallsblatt für künstlerischer zu halten als das aus ihm gewonnene Ergebnis (Abb. 19).

<106>

Cozens geht übrigens bei der Umformung der Blotting-Produkte ins Konventionelle nicht immer so weit wie in unserem Beispiel, wo der Charakter eines ›Lehrbuchs‹ dies rechtfertigt. Es gibt eine Reihe überaus freier Arbeiten von romantischem Charakter von Cozens, wo die Zufügung einer Himmelszone beinahe alles ist, was über das Zufallsprodukt hinausgeht. Zu Cozens' Prioritäten gehören schließlich auch seine systematischen Wolkenstudien, in denen er manches von Turners Malweise vorausnimmt und die noch von Constable sorgfältig kopiert worden sind.

<107>

Cozens' Sohn und Schüler John Robert Cozens (1752-1797) bringt der Familie zusätzlich den Ruhm, das Landschafts-Aquarell zu einer vollgültigen Kunstgattung erhoben zu haben. William Turner hat Blätter von ihm kopiert. Constable sah vor allem den lyrischen Charakter dieser Malerei und schrieb: »Cozens is all poetry.«

<108>

Erwähnt zu werden verdient endlich, daß die Neue Methode von 1785 eine vergrößerte und verbesserte Auflage einer viel früheren Arbeit Alexander Cozens' ist, nämlich des Essay to facilitate the Invention of Landskips aus dem Jahre 1759. Damit geraten wir genau in die Zeit der ersten Auflage von Sternes Tristam Shandy, und die Extravaganz der dort erscheinenden abstrakten Blätter steht nicht mehr so vereinzelt da.

Leonardo da Vinci (1452-1519)

<109>

Alexander Cozens hat übrigens sein Verfahren mit einer Autorität abgestützt, die auch in unseren Tagen – für gleiche Zusammenhänge – viel zitiert wird. Er beruft sich auf Leonardo, der in seinen Traktaten tatsächlich so weit geht, Malern zu raten, Skizzen möglichst liederlich zu machen, weil sie dann neue Möglichkeiten suggerieren. Vasari berichtet von einer Kontroverse zwischen Leonardo und Botticelli. Letzterer hielt genau wie Cozens das Landschaftsstudium für überflüssig, denn man brauche nur einen mit Farben getränkten Schwamm an eine Wand zu werfen, und schon habe man eine hübsche Landschaft. Das sei wahr, sagte Leonardo, aber das ergäbe nur Winke für die Phantasie, zur Ausführung im Detail gehöre Studium. Die Schwammgeschichte geht übrigens auf Plinius zurück: Ein Maler wollte den Schaum malen, der auf dem Maule eines Hundes lag; es glückte nicht; aus Verzweiflung warf er einen Schwamm gegen die Malfläche, und siehe, der gewünschte Effekt war da: Zufall als Werkmittel.

<110>

Bekannt ist Leonardos Empfehlung, geborstene, befleckte Mauern oder die Struktur von Gestein zu betrachten, dort entdecke man Landschaften die Fülle, ja ganze Schlachten, groteske Gesichter und vieles mehr. Einer, der, ohne es zu wissen, Leonardos Ratschlag befolgte, war Paul Klee – im Alter von neun Jahren. Klee berichtet das später in einer Tagebuchnotiz: »Im Restaurant meines Onkels (Frick), des dicksten Mannes in der Schweiz, standen Tische mit geschliffenen Marmorplatten, auf deren Oberfläche ein Gewirr von Versteinerungsquerschnitten war. Aus diesem Labyrinth von Linien konnte man menschliche Grotesken herausfinden und mit dem Bleistift festhalten.«  [57]

<111>

Auch aufgerührtes schlammiges Wasser empfahl Leonardo der genauen Betrachtung und natürlich die Wolken des Himmels. Dadurch würde man die »transmutazione di forme« gewahr, die Bereitschaft der Formen zu unendlicher Verwandlung, auf der das Universum beruht. Denn Leonardo sieht die Welt als organischen Prozeß, und so entdeckt er auch für den Künstler die »prozeßhafte Entfaltung des Schöpferischen« (Joseph Gantner). Leonardos berühmtes Sfumato, das malerische Verdämmern der Formgrenzen, ist das künstlerische Symbol für die Weltauffassung: »Nichts ist beständig.« Die Offenbarung des Formlosen, des Gestaltlosen, das in der informellen Malerei zu »gärenden Farborgien« wird, beginnt bei Leonardo.

<112>

J. Gantner schreibt:

»So wie Leonardo den Kosmos aus seiner rationalen Geborgenheit zurückwirft in die Metamorphosen der Gärung und der Auflösung, so ruft er die Form, kaum daß sie in die Lichtzonen der Vollkommenheit eingetreten ist, die ihr Dauer versprechen, wieder in das Zwielicht der Gestaltlosigkeit zurück. Das gegenständliche Thema dieser Gespräche mit dem ›Ganz anderen‹ ist die Zerstörung der Welt durch Feuer und Wasser, die Vision des totalen Unterganges, niedergeschrieben in einer Reihe von Zeichnungen und Manuskriptblättern« (deren Mehrzahl in Windsor, s. Abb. 20). »So setzt in den Jahrzehnten, in denen die Zentralperspektive dem Maler die Erfahrungswelt unterwirft, die erste ungeheure Entfremdung zwischen dem Menschen und der maßlosen, alles verzehrenden Natur ein.« »Pascal wird diese Unruhen später in Worten beschwören, Rembrandt wird sie malen [...]«. »Auf diesem Wege wird die europäische Malerei immer amorpher, immer ahnungsvoller, immer suggestiver, bis endlich selbst die Schranke des Gegenstandes bis auf ihre Urelemente verschwindet.«  [58]

20  Leonardo da Vinci (1452-1519): Flutkatastrophe

<113>

Leonardos präfiguratives Sehen, seine Methode des Hineinsehens hat man übrigens schon mehrfach mit einer fast wörtlich genauen Aussage zusammengebracht, die unter einem ganz anderen Himmelsstrich und zu viel früherer Zeit niedergeschrieben wurde. Der chinesische Landschaftsmaler Sung Ti (11. Jahrhundert) empfahl für die Maler seiner Zeit folgendes Verfahren: Man decke ein Stück feiner Seide über eine geborstene Mauer und betrachte sie morgens und abends; man wird Berge, Höhlen, Schluchten, Flüsse, schließlich Menschen, Vögel, Pflanzen entdecken. Und warum die Seide? In ihrer Transparenz läßt sie von den Zufallsbildungen, die sie bedeckt, nur gerade so viel durchschimmern, wie es die so sehr auf Weglassen eingestellte ostasiatische Landschaftstradition verlangt. »One has to know what one wants to get« – man muß wissen, was man erreichen will, riet Gertrude Stein jungen Künstlern, dann mag immer der Zufall das Seine beisteuern.  [59]

Jan van Goyen (1596-1656)

<114>

Für die Überbrückung der Zeit zwischen Leonardo und Cozens konnte unlängst Ernst Gombrich einen bemerkenswerten Fund präsentieren.  [60] Er entdeckte ihn in der Inleyding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst, einem Malerbuche von Hoogstraeten aus dem Jahre 1678. Hier wird von einem Wettbewerb berichtet, an dem drei holländische Landschaftsmaler, nämlich Knipbergen, Perselles und Jan van Goyen, teilnahmen. Sieger sollte sein, wer in der kürzesten Zeit eine Landschaft malt. Van Goyen, der einzige heute noch weithin bekannte Maler unter den dreien, kleckste nach Houbrakens Worten hier dunkle, dort lichte Farben ohne nachzudenken auf die Leinwand, bis sie »wie ein gefleckter Achatstein« aussah. Die Formung zu einer wirklichen Landschaft gelang dann durch ein wenig Hinzufügen und Tilgen »mit geringer Mühe«. Van Goyen erhielt den Preis übrigens nicht; vielleicht erschien sein Verfahren nicht seriös genug. Gombrich ist der Meinung, man könnte wenigstens einigen Landschaften van Goyens dieses Verfahren ansehen, und er bildet ein geeignetes Beispiel ab.

<115>

Das Verfahren selbst ging wohl nie wieder ganz verloren, obwohl Strindberg der festen Meinung war, es erfunden zu haben. Es ist z. B. interessant, wie Renoirs Sohn die Malweise seines Vaters beschreibt: »Bei Renoir begann das Bild [...] mit unverständlichen Farbschichten, die nicht einmal Formen darstellten. Manchmal war die Flüssigkeit, Leinöl und Terpentin [...] so reichlich, daß die Farbe von der Leinwand tropfte. Renoir nannte das den Saft. Mit Hilfe dieses Saftes konnte er in wenigen Pinselstrichen die gesamte Farbgebung andeuten« – Terpentinschwemme.  [61]

<116>

Was also die Verfahrensfrage der jüngsten Abstrakten angeht, so findet man eine interessante Vorgeschichte, allerdings auch einen wesentlichen Unterschied. Auch heute entsteht das Bild durch eine Art Blotting-Verfahren, und das Ergebnis wird erzielt durch dauerndes Hinsehen und Hineinsehen. Aber es ist nicht ein Gegenstand der Naturwirklichkeit, auf den das Hineinsehen zuläuft. Es ist auf das Zusammenwachsen einer gegenstandsunabhängigen, spannungsvollen Bildwelt zu einer Bildeinheit gerichtet. Wie sehr sich die Alten hier und da von den Improvisationen des Zufalls inspirieren ließen, am Ende wurde er dann doch wieder ausgetrieben – am gründlichsten in dem Rationalisierungsverfahren bei dem Engländer Cozens. Am weitesten im ›Offenlassen‹ ging Turner, wie seine Bilder beweisen. Er hat Cozens' Methode, für ihn ein zeitgenössisches Werk, natürlich gekannt, aber kühner und künstlerischer ausgewertet. Turner beschreibt sein »selbstgedachtes Verfahren« mit dem Satz: »I drive the colour about till I have expressed the idea in my mind.«  [62] Das ist doch eindeutig. Er spielt mit den Farben, treibt sie umher, bis die Idee kommt. Daß Turner aber mit der »Idee« nicht mehr eigentlich Gegenstände meinte, sagt uns 1816 sein Kritiker Hazlitt: nicht die Gegenstände der Natur wolle er malen, »sondern die Medien, durch die sie wahrgenommen werden«. Hegel erschloß dasselbe schon angesichts der doch sehr gemäßigten Bilder der deutschen Romantik, wenn er in der Ästhetik schreibt: »Was in solchen Kunstwerken den Kern ihres Inhalts ausmacht, sind nicht diese Gegenstände selbst, sondern die Lebendigkeit und Seele der subjektiven Auffassung und Ausführung [...].«  [63]

<117>

Es ist klar, ein Verfahren, welches das Spiel mit dem Partner Zufall in dem Grade bis zum Ende hin offenhält, wie das heute geschieht, setzt ein größeres Vertrauen und eine ganz andere Einsicht in die Bedeutung und das Wesen des Zufalls voraus.

<118>

Zu dieser Einsicht verhalf die Philosophie.

 

Bildnachweis

Die Abbildungen entstammen, mit zwei Ausnahmen, Otto Stelzer: Die Vorgeschichte der abstrakten Kunst, München 1964.

Abb. 16:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Rorschach1.jpg&filetimestamp=20070601171257.

Abb. 17: nach Turner, Hugo, Moreau. Entdeckung der Abstraktion, Ausst.kat. Schirn Kunsthalle, Frankfurt a. M., hg. v. Raphael Rosenberg u. Max Hollein, München 2007, S. 95, Kat. 49.



[1] Stelzer 1964, S. 11-19.

[2] Karl Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, Frankfurt a. M. 1956 (Fischer-Bücherei 91), S. 22.

[3] Hans Sedlmayr: Kunst und Wahrheit, Hamburg 1958 (Rowohlts deutsche Enzyklopädie 71), S. 54 f.

[4] Andreas Aubert: Die nordische Landschaftsmalerei und Joh. Christian Dahl, Berlin 1947, S. 9 f.

[5] Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst, München 1912, New York 1947, Paris 1949, Bern 1952.

[6] Sedlmayr 1958 (wie Anm. 3), S. 119.

[7] Ernst Kris: Psychoanalytic Exploration in Art, New York/London 1952, S. 21.

[8] Immanuel Kant: Kritik der ästhetischen Urteilskraft, § 46.

[9] Johann Wolfgang v. Goethe: Künstlerlied (aus den Wanderjahren); Maximen und Reflexionen, Ausgabe Hecker, Nr. 620; zu Eckermann am 4.1.1827; zu F. Förster am 4.8.1831.

[10] Alfred N. Whitehead: Science and the Modern World, Cambridge 1926; Georges Mathieu: D'Aristote à l'abstraction lyrique, in: L'Œuil 52, 1959, S. 29-35, hier S. 33.

[11] Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt a. M. 1959, Bd. 2, Kapitel 38.

[12] Paul Valéry: Leonardo und die Philosophen, in: Merkur 14, 1960, S. 908-929; Bloch 1959 (wie Anm. 11), S. 1243.

[13] Sedlmayr 1958 (wie Anm. 3), S. 8.

[14] Kant (wie Anm. 8), § 46, 47.

[15] Max Bense: Aesthetica, Baden-Baden/Krefeld, 4 Bde., 1954-1960.

[16] Bense 1954-1960 (wie Anm. 15), Bd. 2, S. 53.

[17] Stelzer 1964, S. 63-115.

[18] Stelzer 1964, S. 68-76.

[19] Nachwort von Wolfgang Clemen in: Laurence Sterne: Empfindsame Reise, Hamburg 1957, S. 128.

[20] Sterne 1957 (wie Anm. 19), S. 58.

[21] Clemen 1957 (wie Anm. 19), S. 127, Anm. 8.

[22] Laurence Sterne: Tristram Shandy, 9. Teil, 4. Kapitel.

[23] Laurence Sterne: Tristram Shandy, 6. Teil, 40. Kapitel.

[24] Wie Anm. 23.

[25] Hans Platschek: Neue Figurationen, München 1959, S. 101.

[26] Katalog zur Ausstellung »Kunst von 1900 bis heute«, Wien 1962, S. 289.

[27] Paul Klee: Das bildnerische Denken, hg. v. Jürg Spiller, Basel 1956, S. 76 f.

[28] Johann Wolfgang v. Goethe: Kampagne in Frankreich 1792. Den Hinweis auf Kortum verdanken wir Heinz Ladendorf.

[29] Fritz Güttinger im Nachwort zu Laurence Sterne: Tristram Shandy, Zürich 1948, S. 948; Rudolf Kassner: Laurence Sterne, in: Narciss oder Mythos und Einbildungskraft, Leipzig 1928.

[30] Zitiert nach Güttingers Nachwort 1948 (wie Anm. 29), S. 950.

[31] Stelzer 1964, S. 86-91.

[32] Hildegard Matt, Diss. Freiburg 1934.

[33] Paris Match, Nr. 724, 23. Februar 1963.

[34] Bibliographie zu Victor Hugo als Zeichner: Dessins de Victor Hugo, gravés par Paul Chenay, texte par Théophile Gautier [Neuauflage Montpellier 2002]; 64 Dessins de Victor Hugo: Les travailleurs de la mer et autres marines, gravés par F. Méaulle, Paris 1882 ; Raymond Escholier: Victor Hugo artiste, Paris 1926.

[35] Für die literarisch gefaßten Bildvorstellungen wird die Arbeit von Matt 1934 (wie Anm. 32) dankbar benutzt.

[36] [Anm. d. Red.] Stelzer bezieht sich hier auf sein Kapitel über den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge (1772-1843), S. 45-48.

[37] Matt 1934 (wie Anm. 32), S. 25.

[38] Victor Hugo: L'homme qui rit (Pariser Édition Nelson), I, S. 163 f.; Victor Hugo: Quatre-vingt-treize (Pariser Édition Nelson), S. 219.

[39] Victor Hugo: France et Belgique, S. 118, 78. – Victor Hugo: Le Rhin I, S. 241. – Victor Hugo: Les travailleurs de la mer II, S. 67-80 und S. 24.

[40] Ludwig Tieck: Der Gelehrte, Potsdam o. J. [Verlag Rütten & Loening, ca. 1943], S. 62.

[41] Victor Hugo: Les travailleurs de la mer I, S. 28 f. – Victor Hugo: Le Rhin I, S. 190.

[42] Victor Hugo: Le Rhin II, S. 63, 130. – Victor Hugo: Le Rhin I, S. 225. – Victor Hugo: Les travailleurs de la mer II, S. 128.

[43] Victor Hugo: Alpes et Pyrenées, S. 238.

[44] Stelzer 1964, S. 165-182.

[45] Johann Wolfgang v. Goethe: Diderots Versuch über die Malerei, übersetzt und mit Anmerkungen begleitet, 2. Kapitel: Von der Harmonie der Farben; Johann Wolfgang v. Goethe: Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil, 1788.

[46] »Wenn der Maler mit seiner Nachahmung täuschen will, als sei er ein Gott, so ist er ein Lump […]. Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch, zu malen, was er vor sich sieht.« Zitiert in Stelzer 1964, S. 50.

[47] Allen Leepa: The Challenge of Modern Art, New York 1957, und The New American Painting, Ausst.kat. Tate Gallery, London 1959, S. 9, 60.

[48] The New American Painting 1959 (wie Anm. 47), S. 60.

[49] Shakespeare: Hamlet, III. Akt, 2. Szene; Antonius und Kleopatra, IV. Akt, 12. Szene.

[50] Ernst Gombrich: Art and Illusion, S. 181 f.

[51] Victor Hugo: Alpes et Pyrenées, S. 205, 257; ders.: Les travailleurs de la mer I, S. 28.

[52] Gustav Strindberg: Revues des Revues, Paris 1894, zit. nach Quadrum 10, 1961, S. 5 ff.

[53] Anstelle des von Stelzer publizierten Rorschach-Testbildes (Stelzer 1964, Abb. 45) ist hier aus Gründen der Bildqualität die Aufnahme eines anderen Testbildes eingebunden.

[54] Anstelle der von Stelzer publizierten Klecksographien (Stelzer 1964, Abb. 43, 44) ist hier aus Gründen der Bildqualität die Aufnahme einer anderen Klecksographie eingebunden.

[55] Fritz Kaufmann: Das Reich des Schönen, Bausteine zu einer Philosophie der Kunst, Stuttgart 1960, S. 37.

[56] Hierzu Adolf P. Oppé: Alexander and John Robert Cozens, London 1952.

[57] Paul Klee: Tagebuch, S. 16.

[58] Joseph Gantner: Leonardos Visionen von der Sintflut, in: Merkur 147, S. 481 f.

[59] Gertrude Stein zitiert nach Hans Platschek: Neue Figurationen, München 1959, S. 29.

[60] Ernst Gombrich: Art and Illusion, S. 187.

[61] Jean Renoir: Mein Vater Renoir, München 1962, S. 176.

[62] Zitiert nach Geoffrey Grigson: Nature, Landscape and Romanticism, in: The Romantic Movement, Ausst.kat. Tate Gallery, London 1959.

[63] Hazlitt zitiert nach Ulrich Christoffel: Malerei und Poesie, Wien 1948, S. 55; Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik, Berlin 1955, S. 734.

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Empfohlene Zitierweise

Stelzer O.: [Auszüge aus] Die Vorgeschichte der abstrakten Kunst, München 1964. In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2010-4 (urn:nbn:de:0009-23-24619).  

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Kommentare

  1. Jehle, Oliver | 30.04.2010

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