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Gängige Auseinandersetzungen um das Bild dienen dazu, einen disziplinären Gegenstand zu erzeugen und mit diesem disziplingebundene Methoden zu seiner Beschreibung. Für überwiegend künstlerische und in Ausnahmen populärkulturelle Bildformen liegen je unterschiedliche Entwürfe hierfür von Hans Belting, Gottfried Boehm und W. J. T. Mitchell vor. Gemeinsam ist diesen Entwürfen die Sonderung des Bildlichen – über die Postulierung seiner genuinen Fähigkeiten – von anderen Kulturtechniken. Schon daran wird deutlich, dass die Art und Weise der Beantwortung der Bildfrage wesentliche Folgen für die Analyse oder für die diesen Antworten zugrunde liegende Auffassung von visuellen Kulturen impliziert, da es in den Entwürfen vorrangig darum geht, das selbstbezügliche kreative Potential von Bildern hervorzuheben. In eben diesem Sinne bleiben diese Bildtheorien methodisch Kunsttheorien.
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Repräsentationskritisch lässt sich demgegenüber das Kreative als Akt der Herstellung in der Darstellung beschreiben, eine Definition, die ermöglicht, das Zu-Sehen-Gegebene nach seinen ästhetischen, epistemologischen und politischen Seiten hin zu öffnen. Vor allem aber ermöglicht diese Beschreibung, gegenläufig zu Tendenzen, das Bild als Agens der Handlung zu verfertigen, danach zu fragen, wer herstellt und was diese Herstellung einschließt. Wissenschaftsgeschichtliche Ansätze einer kritischen Analyse visueller Repräsentationsformen in den Naturwissenschaften setzten hier an und es gilt zu prüfen, wo sich nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch die Produktivität von Unvereinbarkeiten für einen Bildbegriff nutzen lassen.
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Das Technische verstehe ich nicht als Gegenposition zum Kreativen, sondern als mit ihm verbunden. Deshalb meint es mehr als Visualisierungstechniken, apparative Technik und Technologie. Technisch meint hier ebenso, dass die im Bild zu-sehen-gegebenen Informationen und Inhalte für andere überprüfbar und wiederholbar sowie hinsichtlich ihres gestischen, apparativen und theoriegeleiteten Zustandekommens nachvollziehbar sind. Weil in diesem Sinne naturwissenschaftliche Bilder und Objekte immer technisch sind, können sie den Ausgangspunkt für eine Diskussion des diskursiv-kulturalistisch verstandenen Technischen in kreativen Bildherstellungen bilden. Technik als vermittelnder Begriff, der die Prozesse des Schaffens, Herstellens und Nutzens symbolisch kultureller Artefakte umfasst, soll Differenzkonstruktionen, die mit Verweis auf eine spezifische Bildlichkeit aufgerufen werden, auf eine Art beschreibbar machen, die diese nicht verdoppelt.
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Die Argumentation muss folglich zwei Richtungen verfolgen. Zum einen wird zu erörtern sein, wie ein kunsthistorisch fundierter Bildbegriff, der die Materialität des Tafelbildes zum Vorbild hat, erweitert werden kann durch einen technologiebasierten Bildbegriff. Der Rede vom computergenerierten Bild als lediglich analoge Aufführung digitaler Datenmengen liegt immer noch ein aus dem Tafelbild abgeleiteter Bildbegriff zugrunde. Zum anderen werden Theorien, die das im Bild beschreibbare Überindividuelle systematisieren, daraufhin untersucht werden, wie dieses bedingt ist durch den jeweiligen Bildbegriff selbst.
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Der vorgeschlagene Begriff des Technischen ist geeignet, die dieser Argumentation zur Visualität zugrunde liegenden konstanten Traditionen der Subjektivierungen und künstlerischen Schöpfungsmythen zu beschreiben. Aus diesem Grund erscheint der Begriff des Technischen nützlich, um die hegemonialen Diskurse, auf denen Einzelentwürfe zu einer Theorie des Bildes aufruhen, kritisch zu analysieren.
Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch übermitteln und zum Download bereitstellen. Der Lizenztext ist im Internet abrufbar unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html
Werner G.: Die Beantwortung der Bildfrage als »epistemische Praxis«. In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2009-28 (urn:nbn:de:0009-23-18350).
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