<1>

In den Inventaren der Gemäldesammlungen des Palais Granvella in Besançon und von Peter Paul Rubens (1577-1640) in Antwerpen wird jeweils ein Seestück Pieter Bruegels d. Ä. (ca. 1525-1569) erwähnt. Bereits die ältere Forschung hatte beide Inventareinträge auf ein- und dasselbe Bild bezogen:  [1] »Navires en mer tranquille, avec petiest figures en icelle et paysage lontain, de Pierre Breughel, tenant d’haulteur un pied trois polces deux quartz, largeur un pied treize polcez, molure noire, n°43« lautet der Eintrag im Inventar Granvella von 1607.  [2] Die hier angegebenen Maße entsprechen 36,27 x 55,94 cm.  [3] »Une pièce de petits Bateux, faict en destempre, du mesme [vieux Breugel]« bzw. »Ships, in water coulors; by the same [old Brugell]« heißt es bei Rubens.  [4] Rubens hatte neben Werken anderer Meister auch ein weiteres Bild Bruegels aus der Sammlung Granvella übernommen, Die Flucht nach Ägypten von 1563.  [5]

<2>

Roberts-Jones vermutet, dass es sich bei dem Bild der Sammlung Granvella um den Hafen von Neapel handeln könnte.  [6] Dieses ist jedoch höher und vor allem erheblich breiter (39,8 x 69,5 cm). Dahingegen fühlte sich Glück an ein Bild von Pieter Stevens (ca. 1567 - nach 1624) erinnert.  [7] Doch sind einzelne Schiffe für eine Kopie etwas zu modern, und das Bild ist ebenfalls größer (44 x 97 cm). Dass in Stevens’ Komposition Vorbilder Bruegels – vor allem, wie von Larsen bemerkt, die Seeschlacht in der Meerenge von Messina – aufgegriffen und weiter entwickelt wurden, ist jedoch eindeutig. So wählte der jüngere Künstler ein vergleichbares Bildformat und übernahm grundlegende Elemente der Komposition wie etwa den leicht erhöhten Betrachterstandort, vor dem sich die Meeresbucht als im Bildzentrum erleuchtete Scheibe öffnet. Der Blick wird dabei durch die sich im Vordergrund kreuzenden Schiffe vergittert. Stevens rückt jedoch die Handlung durch den enger gewählten Bildausschnitt näher an den Betrachter heran. Die See ist in beiden Gemälden bewegt.

<3>

Ein Bild, auf das die oben genannten Beschreibungen beider Inventare zutreffen, wird dagegen in der Allegorie des Sehsinns (1617) aus dem Zyklus der Fünf Sinne von Jan Brueghel d. Ä. (1568-1625) und Peter Paul Rubens von einem brillenbewehrten Affen (Simiolus? [8]) in Augenschein genommen; ein zweiter kommt gerade mit einem Fernrohr um die Ecke (Abb. 1).  [9]

1 Jan Brueghel d. Ä. und Peter Paul Rubens: Allegorie des Sehsinns, 1617, Öl auf Holz, 65 x 109 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado

2 Detail aus Abb. 1

Im unbewegten Meer sind vor einer Hintergrundlandschaft zwei Karacken aus der Zeit Bruegels  [10] sowie im Vordergrund kleine Figuren in kleineren Booten erkennbar (Abb. 1-3). Im Hintergrund sind weitere Schiffe dargestellt. Lediglich der Rahmen ist nicht schwarz, wie im Inventareintrag der Sammlung Granvella angegeben, sondern braun. Das hat jedoch nicht unbedingt viel zu bedeuten, da die Darstellung des Rahmens auch zwischen den beiden Darstellungen der Fischverkäuferin de Beuckelaers (ca. 1533 - ca. 1574) und des Bacchanals von Rubens in den beiden unter Jan Brueghels Beteiligung entstandenen Sinnesallegorien variiert.  [11] Abgesehen davon wechselte Pieter Bruegels Bild zwischenzeitlich den Besitzer und wurde möglicherweise zu Transportzwecken ausgerahmt.

<4>

Für Ertz vertritt dieses Bild im Bild die »neuartige« Gattung des Seestücks.  [12] Speth-Holterhoff bezeichnet es als Marine des 17. Jahrhunderts.  [13] Müller-Hofstede sieht in der Szene mit Affen und Seestück lediglich den stumpfsinnigen Bildbetrachter »vor einem nur sinnlich wirkenden, bedeutungsfreien Gemälde« und führt die Komposition ohne nähere Begründung auf Jan Brueghel d. Ä. zurück.  [14] Das Bild sei aus »routinierter, erfindungsarmer Produktion« hervorgegangen. Jan habe sich hier als zweiter Protogenes darstellen wollen, der bis zu seinem fünfzigsten Lebensjahr nur Schiffe malen konnte.  [15] Müller-Hofstede vermischt hier seine Interpretation der Allegorie des Sehsinns und die Zuschreibung der darin dargestellten Komposition.

<5>

Angesichts der im Vergleich zur Marinemalerei des frühen 17. Jahrhunderts sehr unterschiedlichen Kompositionsweise dürfte es kaum Parallelen aus dieser Zeit geben, in der etwa ruhende Schiffe im Vordergrund bevorzugt von der Breitseite gesehen dargestellt wurden und der einheitlichen Wirkung von Himmel und Meeresoberfläche ein weit größeres Gewicht zukam; dagegen ist die Differenzierung dieser beiden Bereiche in unserem Bild aus der Landschaftsmalerei herzuleiten. Tatsächlich unterblieb bisher jeder Hinweis auf eine vergleichbare Komposition aus dem frühen 17. Jahrhundert. Auch der oben genannte Vergleich mit Protogenes hinkt, weil Schiffe im Werk Jan Brueghels eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Er war hauptsächlich als Landschafts- und Stilllebenmaler aktiv, aber auch ein erfolgreicher Staffagemaler. Minderwertigkeitsgefühle in diesen Bereichen dürfte er nicht gehabt haben. Auch waren, worauf Renn hinweist, Schiffe für die Entdeckungen der frühen Neuzeit eine der Hauptvoraussetzungen;  [16] sie gehören – eben nicht bedeutungsfrei – ikonographisch in denselben Kontext wie Fernrohr, Kompass, Globus  [17] , kosmographische Bücher und Exotika.

<6>

Jan Brueghel d. Ä. liebte es, Werke seines Vaters in seinen Galeriebildern zu verstecken. Der Name und die Genealogie waren in der Familie wohl Teil der Marktstrategie. Schon allein deshalb war es wichtig, auf die zentrale Rolle des Vaters zu verweisen. In der Allegorie des Sehsinns ist sonst kein Werk des Vaters zu erkennen. Hinten an der Wand lehnt zwar der Blindensturz von der Brücke wie in Bastelaers Werkverzeichnis Nr. 190 (im Gegensinn zur Lithografie Le Clerfs), aber der dargestellten Bekleidung nach handelt es sich, wie schon Bastelaer vermutet hat, um ein Werk der nachfolgenden Generation.  [18] Das Gemälde wurde sowohl Bruegel, Marten van Cleve (1527-1581) als auch Sebastian Vrancx (1573-1647) zugesprochen, von dem eine in vielen Details identische Variante erhalten ist.  [19] Es dürfte sich um des letzteren Blindensturz aus der Sammlung von Rubens handeln.  [20] Für Jan Brueghel d. Ä. war es also ohne Weiteres möglich, die Vorlage zu studieren. In der Tat befand sich ein großer Teil der in der Allegorie des Sehsinns wiedergegebenen Werke in Rubens’ Besitz.

<7>

Das zweite Schiff von links in dem Seestück (Abb. 3) ähnelt in verschiedener Hinsicht dem mittleren in dem Kupferstich Drei Kriegsschiffe mit gerafften Segeln nach Bruegel (vgl. Abb. 4). Die Kompositionen sind ähnlich, wenngleich auch im Gegensinn nicht identisch. Die Gesamtanlage, die sich kreuzenden Masten, der untere Teil des Heckkastells mit den beiden Kanonen sowie dessen oberer Abschluss gleichen sogar einander. Auch die meisten Kanonen an den Seiten stimmen miteinander überein.  [21] Im dargestellten Gemälde schwingt der mittlere Teil des Kastells trichterförmig aus, im Stich ist er eher rundlich. Die Schiffe stehen demnach in einem Variantenverhältnis zueinander.  [22]

3 Jan Brueghel d. Ä. und Peter Paul Rubens: Allegorie des Sehsinns (Detail; Entzerrung der perspektivischen Darstellung durch den Verfasser), 1617, Öl auf Holz, 65 x 109 cm,
Madrid, Museo Nacional del Prado

4 Frans Huys nach Pieter Bruegel d. Ä.: Drei Kriegsschiffe mit gerafften Segeln, ca. 1562, Kupferstich, ca. 22,2 x 28,9 cm, Brüssel, Bibliothèque Albert Ier

<8>

Das linke Schiff im Gemälde ähnelt dem im Stich rechts dargestellten, auch der Signalturm ist vergleichbar. Deutlicher ist wegen des höheren Blickpunktes jedoch die Analogie der Bastion zu derjenigen im wiederholt Bruegel zugeschriebenen Hafen von Neapel (Abb. 5).

5 Pieter Bruegel d. Ä. (?): Hafen von Neapel, o. J., Öl auf Holz, 42 x 71 cm,
Rom, Galleria Doria Pamphilj

Die Grunddisposition der Gebäude ist in den Schiffen in ruhiger See und im Hafen von Neapel augenscheinlich identisch. Die Fenster der Gebäude stimmen allerdings nicht in allen Details überein; hier stehen sich die Türme in den Schiffen in ruhiger See und dem Stich mit den drei Kriegsschiffen näher. Sicher handelt es sich hier um drei Varianten derselben Vorlage, bei Drei Kriegsschiffe mit gerafften Segeln unterscheiden sich Nebengebäude und Umfassungsmauer jedoch signifikant.

<9>

So schlicht der Darstellungsgehalt scheint, so ruhig und ausgewogen ist die Gesamtkomposition. Auch wenn das Bild im Bild die Qualität des Originals nur vage erahnen lässt, mag man allein aufgrund der atmosphärischen Schilderung der auf- oder untergehenden Sonne erahnen, welche malerischen Qualitäten es gehabt haben muss. Und von einem quasi in Serie hergestellten Bild kann allein wegen des schwierigen Sujets keine Rede sein. Schiffe korrekt darzustellen war, wie Architekturmalerei, die Aufgabe von Spezialisten. Solche Bilder entstanden zu Bruegels Zeit nicht in Massenproduktion. Selbst im frühen 17. Jahrhundert sind Seestücke noch vergleichsweise selten und meist von beachtlicher Qualität. Der Blick des brillenbewehrten Affen wäre witzlos, wenn es nicht im Hintergrund noch etwas zu entdecken gäbe. Dahin starrt er nämlich. Und man kann vermuten, dass das Affenpaar, von der Naturnähe der Darstellung getäuscht, versucht, dem Bild mit seinen optischen Hilfsmitteln für die Fernsicht zu Leibe zu rücken und so dessen Hintergrund zu entschlüsseln.  [23]

<10>

Es mag richtig sein, in Galeriestücken, noch dazu solch offenkundig allegorischen, keine ungefilterte Dokumentation einzelner Sammlungen und der darin befindlichen Werke zu sehen.  [24] Wenn man den Beginn dieser Gattung jedoch ins frühe 17. Jahrhundert verlegt  [25] , muss ergänzt werden, dass die ersten Ansätze schon zu Bruegels Zeit erkennbar waren. Bahnbrechend könnte in diesem Kontext Ludger tom Rings d. J. Die Hochzeit zu Kana (1562, ehem. Berlin, 1945 zerstört) gewesen sein.  [26] Von den vier dort dargestellten Bildern ist keines identifiziert, doch bei einem ist der Künstler selbst zu erkennen; hierbei handelte es sich wohl um ein Selbstportrait Ludgers. Die Bildidee hatte demzufolge in ›Niederduytschland‹ eine gewisse Tradition.  [27] Entsprechende Darstellungen von Skulpturengalerien sind jedoch erheblich älter. Hier spielt sicherlich Maerten van Heemskerck (in erster Linie als Zeichner und Inventor von Grafiken) die herausragende Rolle.  [28] In den Anfängen der Gattung sind Authentizität und Prominenz der dargestellten Bilder für die Einbeziehung in das Galeriestück entscheidend.

<11>

Gerade in Jans und Rubens’ Gemeinschaftsarbeit werden offensichtlich die großen Meister ihrer Zeit angeführt (bevorzugt Mitarbeiter Jans). So erkannte Speth-Holterhoff Werke aus verschiedenen Brüsseler Sammlungen des Erzherzogs und Rubens’. Ertz meint dagegen, es habe sich lediglich um Instrumente und Kunstwerke der erzherzoglichen Sammlung gehandelt.  [29] Im Großen und Ganzen sprechen die Inventarverzeichnisse für die Argumentation Speth-Holterhoffs, da sich viele der abgebildeten Werke eindeutig im Besitz Rubens’ befanden. Auch hätte er Daniel in der Löwengrube kaum im Jahr 1618 zum Verkauf anbieten können  [30] , ohne Eigentümer des Gemäldes zu sein. Die u.a. von Müller-Hofstede geäußerte Kritik an Speth-Holterhoffs Ansatz, den dokumentarischen Charakter der gemalten Galerien zu betonen, scheint revisionsbedürftig.  [31] Oftmals werden dieselben Gemälde unabhängig voneinander in etwa dem gleichen Format von verschiedenen Malern wiedergegeben. Gemälde und andere Objekte lassen sich häufig konkreten Inventaren zuweisen. Auch wurde Wert auf Wiedererkennbarkeit gelegt. Die Maler hatten also kein großes Interesse, Bilder bewusst zu verändern, außer um prägnante Motive deutlicher zu gestalten. Es handelt sich in den meisten Fällen um zwar vereinfachte, aber getreue Kopien, bei denen auch Rückschlüsse auf das ursprüngliche Format möglich sind. Doch ein Bild im Bild beweist nicht, dass das Vorbild so und an der angegebenen Stelle existiert hat. Bisweilen wurden offenbar ikonographisch passende Druckgrafiken zu Gemälden umgestaltet. Wenn aber dasselbe Werk in denselben Maßen nochmals in einer unabhängigen Quelle genannt oder gezeigt wird und alle Quellen auf das gleiche Urbild hinweisen, hat nicht nur ein ›echtes‹ Galeriebild, sondern auch eine Allegorie wie diese einen Zeugniswert für das Urbild.

<12>

Die Mehrzahl der in Jan Brueghels Allegorie des Sehsinns dargestellten Gemälde erscheint im Bild in ›natürlicher‹ Größe.  [32] Somit ist auch das Seestück nicht als Negativbeispiel für gewissermaßen handwerkliche Bildproduktion zu verstehen, sondern vielmehr als besonders wirklichkeitsnah gemaltes Bild, das, in den Vordergrund gerückt, an das Können des berühmten Vaters erinnert.

<13>

Fazit: Das in der Allegorie des Sehsinns von Jan Brueghel d. Ä. und Pieter Paul Rubens dargestellte Seestück entspricht der Größe und der Beschreibung nach dem verschollenen Werk Pieter Bruegels d. Ä. aus der Sammlung Granvella. Der einfache braune Rahmen würde zu einem Tüchlein passen, als welches das sehr wahrscheinlich identische Bild später im Inventar von Rubens’ Sammlung bezeichnet wird. Soweit erkennbar stammen auch viele weitere in der Allegorie des Sehsinns wiedergegebene Werke aus der Sammlung Rubens’. Die Komposition lässt sich unmittelbar mit solchen Pieter Bruegels d. Ä. verbinden, aber nicht mit denen der folgenden Generation. Auch einzelne Bildelemente sind mit anderen Werken Bruegels deckungsgleich, was auf die gerade bei Schiffsdarstellungen übliche Arbeitspraxis Bruegels zurückzuführen sein dürfte. Dies alles deutet darauf hin, dass Jan Brueghel d. Ä. hier das verschollene Gemälde seines Vaters wiedergegeben hat.

Bildnachweis

Reproduktionen nach

Daston/Renn/Rheinberger 1998 (wie Anm. 9), S. 2 = hier Abb.1

Jacques Lavalleye: Lucas van Leyden. Pieter Bruegel d. Ä. Das gesamte graphische Werk, Wien/München o. J., Taf. 131 = hier Abb. 4.

Roberts-Jones 1997 (wie Anm. 6), S. 283, Abb. 321 = hier Abb. 5.

Voldère 2004 (wie Anm. 9), S. 154 = hier Abb. 2-3.



[1] Vgl. Gustav Glück: Das grosse Bruegel-Werk, 4. Auflage, Wien/München 1963, S. 109, Nr. 68; René van Bastelaer u. George Hulin de Loo: Pieter Bruegel l´Ancien, son Œuvre et son temps, Brüssel 1907, S. 327, 329.

[2] Alle Zitate nach Glück 1963 (wie Anm. 1), S. 109; »Schiffe in ruhiger See, mit kleinen Figuren in denselben und einer entfernten Landschaft, von Pieter Bruegel, in der Höhe einen Fuß und drei Finger [Daumen] zwei Viertel messend, in der Breite einen Fuß und dreizehn Finger, schwarzer Rahmen, Nr. 43.«

[3] Glück 1963 (wie Anm. 1), S. 109.

[4] »Ein Stück von kleinen Schiffen in Tempera von demselben« bzw. »Schiffe in Wasserfarben, von demselben«.

[5] Glück 1963 (wie Anm. 1), S. 109.

[6] Philippe u. Françoise Roberts-Jones: Pieter Bruegel de oudere, Paris/Gent 1997, S. 283; die Zuschreibung dieses Gemäldes an Bruegel wurde zuletzt auch von Manfred Sellink: Bruegel. The Complete Paintings, Drawings and Prints, New York/London 2007, S. 275, in Zweifel gezogen.

[7] Glück 1963 (wie Anm. 1), S. 109; vgl. Erik Larsen: Une Marine de l’Entourage de Bruegel l’Ancien, in: Apollo 20, 1943, S. 6-10, bes. S. 6-8, Abb. 1, 3. Das Bild und die darin abgebildeten Schiffe, vor allem die Galeone, stehen aber durchaus im Einklang mit einer wohl frühen Hafenansicht von Pieter Stevens II.; vgl. Prag um 1600. Kunst und Kultur am Hofe Kaiser Rudolfs II., Ausst.kat. Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 1988, Bd. 2, Nr. 651, S. 179. Hier wie dort ist rechts eine wie ein halbkreisförmiger Zwickel gebildete Schattenzone im Vordergrund zu erkennen, die zwar teilweise durch die Schiffe bedingt erscheinen mag, aber zum Teil eben rein kompositorisch bedingt ist. Bezüglich der Identifikation des einen Pieter Stevens mit dem anderen müsste geklärt werden, welches Werk mit welcher Person in Verbindung gebracht werden kann. P. Stevens II. war jedenfalls als Marinemaler aktiv, wie aus einem der Beschriftung zufolge in Prag aus der Erinnerung gezeichneten Blatt von 1597 hervorgeht, in dem sich ebenfalls rein kompositorisch bedingte Schattenzonen finden; vgl. Prag um 1600 (ebda.), Bd. 1, Nr. 269, S. 394.

[8] Vgl. die eher zwiespältige Einschätzung bei Klaus Ertz: Jan Brueghel der Ältere (1568-1625). Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Köln 1979, S. 343, und die Deutung als Lastersymbol bei Ursula Härting: »doctrina et pietas«, über frühe Galeriebilder, in: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen 1993, S. 95-133, bes. S. 104; unabhängig davon erscheint auch eine Bedeutung als Symboltier der Augenlust denkbar; vgl. Heinrich Silvester Johannes Becker: Studien zur Ikonographie des Kunstbetrachters im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Aachen 2005, S. 41, Anm. 42.

[9] Abgebildet bei: Lorraine Daston, Jürgen Renn u. Hans-Jörg Rheinberger: Visions, Berlin 1998, http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Preprints/P100.PDF, S. 1. Bei den darin dargestellten Bildern handelt es sich überwiegend um identifizierbare Werke; Matíaz Díaz Padrón u. Mercedes Royo-Villanova: David Teniers, Jan Brueghel y los gabinetes de pinturas, Madrid 1992, S. 112-125, bes. S. 117, ist es gelungen, die meisten Gemälde im Hauptraum zu bestimmen. Sie stammen von oder sind Kopien nach einigen der bekanntesten Maler des 16. und frühen 17. Jahrhunderts (Rubens, J. Brueghel d. Ä., Snyders, Tizian, Raffael (Kopie) und H. v. Balen). Weniger bekannt ist Mancini. Daneben befinden sich womöglich Bilder von L. v. Leyden (alte Zuschreibung, s. Jans II. Allegorie der Malerei bei Florence de Voldère: Die alten Meister. Flämische Malerei, Paris 2004, S. 157) und D. v. Alsloot (hier könnte man allerdings auch an Jan I. denken) unter den dargestellten. Ein bei ibid., S. 117, als Aertsen (?) geführtes Bild einer Fischverkäuferin stammt nach Ansicht von Justus Müller-Hofstede (»Non Saturatur Oculos Visu« – Zur Allegorie des Gesichts von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., in: Herman Vekeman u. Justus Müller-Hofstede: Wort und Bild in der niederländischen Kunst und Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, Erftstadt 1984, S. 243-289, hier S. 251) entweder von Aertsen oder de Beuckelaer. Das Bild ist auch in der Allegorie des Sehsinns und Geruchsinns von J. Brueghel, Rubens u.a. sowie in Jan Brueghels d. J. Allegorie der Malerei zu erkennen (gute Farbabbildungen bei Voldère 2004, S. 146 f., 156 f.). Ich tendiere wegen des Figurentyps und der Tracht zu letzterer Möglichkeit (zu Gesichtstyp, Frisur und Tracht der Verkäuferin und der Frau im Hintergrund s. Napoli. Museo Nazionale di Capodimonte, Ausst.kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1996, Nr. 43 f., S. 110 f.; die Tracht und das Aussehen gleichen de Beuckelaers Gemüseverkäuferin von 1563 und der linken Frau im Gemüsemarkt von 1569, s. Joachim Beuckelaer. Het markt- en keukenstuk in de Nederlanden. 1550-1560, Ausst.kat. Museum voor Schone Kunsten Gent, Gent 1986, Nr. 2: Gemüseverkäuferin und Nr. 8: Gemüsemarkt. Eine dem Figurentyp zufolge weniger getreue Kopie nach dem Gemälde wurde 1930 Beuckelaer selbst zugeschrieben, vgl. ibid., S. 140, Abb. 3, und S. 141).
An anderer Stelle (Díaz Padrón/Royo-Villanova 1992, S. 116) erwähnt werden neben einer wohl originalen antiken Bronzelampe und einigen Münzen Abgüsse und verkleinerte Reproduktionen zahlreicher Antiken, darunter Kaiserportraits und der vermeintliche Seneca, der eigentlich ein Fischer ist, aber auch Miniaturkopien von Michelangelos Nacht und Morgen. Das Seestück wird nur als Marine ohne Zuschreibung aufgeführt. Einige der ›Portraits‹ wie der Augustus (oder Drusus?), Nero, Trajan, ›Seneca‹ und ›Cicero‹ (Caesar? nur die Frisur erkennbar) entstammen offenbar der Sammlung Rubens’; vgl. Jeffrey M. Muller: Rubens: The Artist as Collector, Princeton/Guildford 1989, S. 77, 82 f., 85, 151 und Abb. 130 f.

[10] Zum Typus vgl. J. H. Parry: Kindlers Kulturgeschichte. Das Zeitalter der Entdeckungen, Zürich 1963, Abb. vor S. 109; Eugene N. Lane: Corpvs Monvmentorvm Religionis Dei Menis (CMRDM). The Coins and Gems, Leiden 1975, S. 41-54 (= Études préliminaires aux religions orientales dans l'empire Romain, hg. v. M. J. Vermaseren, Bd. 29).

[11] Vgl. Anm. 9.

[12] Ertz 1979 (wie Anm. 8), S. 342.

[13] S. Speth-Holterhoff: Les peintres flamands de cabinets d’amateurs au XVIIe siècle, Bruxelles 1957, S. 55.

[14] Müller-Hofstede 1984 (wie Anm. 9), S. 243-289, bes. S. 257, 261 f., Anm. 116, S. 282, Anm. 155-162, S. 283 f.

[15] Müller-Hofstede 1984 (wie Anm. 9), S. 262.

[16] Jürgen Renn: Rettung aus Sehnot. Unorthodoxe Anmerkungen zur Allegorie auf den Sehsinn (1617) von Jan Brueghel d. Ä. und Peter Paul Rubens, in: Daston/Renn/Rheinberger 1998 (wie Anm. 9), S. 25-35, hier S. 33.

[17] Zum Globus als Erkenntnissymbol vgl. Härting 1993 (wie Anm. 8), S. 104-110.

[18] Vgl. René van Bastelaer: Les Estampes de Peter Bruegel l’Ancien, Bruxelles 1908, S. 59.

[19] Díaz Padrón/Royo-Villanova 1992 (wie Anm. 9), S. 121, tendieren zu Bruegel oder Sebastian Vrancx. Das Bild stimmt in Größe und Farbgebung weitgehend (aber eben nicht in allen Details) mit der Version von Vrancx, ibid., Nr. 10, S. 126-129, überein. Die einzelne blühende Seerose entspricht dagegen eher der Lithografie.

[20] Wahrscheinlich mit Rubens’ Inventar I, Nr. 255, identisch, vgl. hierzu Muller 1989 (wie Anm. 9), Nr. 255, S. 137. Es dürfte also nicht nur vor 1626, sondern spätestens 1617 in Rubens’ Sammlung gelangt sein.

[21] Bei seinen Schiffsdarstellungen griff Bruegel mehrfach auf eigene Vorbilder zurück. So stellte er in der Seeschlacht in der Meerenge von Messina (1561) das selbe Schiff im Gegensinn zweifach dar, wobei er es in einem Fall nur leicht in der Bildachse drehte, um eine andere Perspektive vorzutäuschen. Auf das gleiche Vorbild griff er wenig später bei Drei Kriegsschiffe mit Arion zurück, wobei er offensichtlich auch einige Matrosen aus der Vorlage adaptierte.

[22] Es handelt sich bei dem Schiff im Gemälde wohl um eine modernisierte Wiederaufnahme einer älteren Studie, vielleicht aus den letzten Lebensjahren des Künstlers, denn bereits in dem wohl 1572 abgeschlossenen, aber erst 1574 publizierten ersten Band des Braun-Hogenbergschen Städtealbums ist u.a. in den Bildern von Lissabon und Messina eine ähnliche Heckkonstruktion zu erkennen, während Vergleichbares in den übrigen Schiffsdarstellungen fehlt. Vgl. Georg Braun u. Frans Hogenberg: Civitates orbis terrarum. Beschreibung und Contrafactur der vor-nembster Stät der Welt, Köln 1574, Nr. 1, 9, 49, Praefatio.

[23] Vgl. auch Renn 1998 (wie Anm. 16), S. 33.

[24] Müller-Hofstede 1984 (wie Anm. 9), v.a. S. 254-259; zuletzt differenzierter Becker 2005 (wie Anm. 8), S. 61-64, 92.

[25] Müller-Hofstede 1984 (wie Anm. 9), S. 254 f.; Karl Schütz: Das Galeriebild als Spiegel des Antwerpener Sammlertums, in: Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei, Ausst.kat. Wallraf-Richartz-Museum Köln, hg. v. Ekkehart Mai u. Hans Vlieghe, Köln 1992, S. 161-170, hier S. 161-163; Härting 1993 (wie Anm. 8), S. 97-101.

[26] Zur Bedeutung dieses Bildes gerade für die spätere niederländische Kunst und andererseits zu dessen Herkunft aus der niederländischen Tradition vgl. S. Segal: Blumen, Tiere und Stilleben von Ludger tom Ring d. J., in: Angelika Lorenz (Hg.): Die Maler tom Ring, Bd. 1: Aufsätze, Münster 1996, S. 109-149, hier Abb. 1, S. 108, und S. 109-117; Angelika Lorenz : Die Maler tom Ring, Bd. 2: Katalog. Werkverzeichnis, Münster 1996, Nr. 140, S. 611.

[27] Vgl. Lorenz 1996 (wie Anm. 26), Bd. 2, Nr. 200 f., S. 643 f., und Nr. 100 mit Farbabb. S. 439; Segal 1996 (wie Anm. 26) S. 114-117.

[28] Vgl. Fiamminghi a Roma 1508-1608. Artistes des Pays-Bas et de la Principauté de Liège à Rome à la Renaissance, Ausst.kat. Palais de Beaux-Arts, Brüssel, u. Palazzo delle Esposizioni, Rom, Brüssel 1995, Nr. 117, S. 224. Mit einer weiteren, ähnlich dokumentarischen Darstellung von einer Skulpturensammlung von F. de Hollanda s. Veronika Wiegartz: Ein unveröffentlichtes Konvolut von Antikennachzeichnungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Sarkophagen der Sammlung Valle-Capranica, in: Antiquarische Gelehrsamkeit und Bildende Kunst. Die Gegenwart der Antike in der Renaissance, hg. v. Gunter Schweikhart, Köln 1996, S. 169-212, hier S. 178 f., Abb. 5 f.

[29] Ertz 1979 (wie Anm. 8), S. 336.

[30] Vgl. hierzu Díaz Padrón/Royo-Villanova 1992 (wie Anm. 9), S. 118; Keith Roberts: Rubens, Wiesbaden 1978, Nr. 30.

[31] Müller-Hofstede 1984 (wie Anm. 9), v.a. S. 254-259.

[32] Vgl. Anm. 9.

Lizenz

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Empfohlene Zitierweise

Grimm G.V.: Überlegungen zu Pieter Bruegels d. Ä. Schiffe in ruhiger See. In: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, 2010-5 (urn:nbn:de:0009-23-24893).  

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