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Wie hat der das geschafft, es nicht zu schaffen? [2] Warum ist Paul Theks Künstlerkarriere keine Erfolgsstory? Schließlich gab es Zeiten, da sah es so aus, als könne die Kunstgeschichtsschreibung an einem derart einflussreichen Werk gar nicht achtlos vorübergehen. Immerhin wurde Thek von der Stable Gallery in New York vertreten, und der Kunstkritiker Robert Pincus-Witten bescheinigte ihm, mit The Tomb ein »Monument geschaffen zu haben, das sich leicht als eines der unvorhergesehenen und doch repräsentativen Meisterwerke amerikanischer Skulptur der sechziger Jahre erweisen könnte« (Abb. 1). [3] Thek war bei der documenta 4 und 5 mit dabei, man richtete ihm Einzelausstellungen im Kunstmuseum Luzern, im Wilhelm Lehmbruck-Museum Duisburg, im Institute of Contemporary Art in Philadelphia und im Lijnbaancentrum Rotterdam aus, er nahm an der Biennale Venedig und an wichtigen Themenausstellungen wie »Westkunst« oder »Chambres d’amis« teil, kein Geringerer als Harald Szeemann feierte sein Werk unter dem Stichwort »Individuelle Mythologien«, und Susan Sontag widmete ihm ihre Bücher Against Interpretation sowie AIDS And Its Metaphors.

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Paul Theks Werk, oder vielmehr das, was davon übrig geblieben ist und was wir darüber beim Betrachten von Fotografien, beim Lesen von Katalogtexten oder vom Hörensagen in Erfahrung bringen können, lässt sich durchaus als richtungsweisend bezeichnen. Vieles von dem, was heute im Rahmen der Kunst verhandelt wird, scheint in Theks Denken und Handeln bereits ganz selbstverständlich präsent zu sein. Indem sein Werk – oder das, was wir dafür halten – aufbegehrt gegen die Logik des Ökonomischen, ist es politisch. Indem es den auf Neutralität und Perfektion bedachten White Cube mit Prozesshaftem, Vergänglichem und Unfertigem kontaminiert, verhält es sich institutionskritisch. Indem es die Verehrung des eigenen Ebenbildes als quasi-religiösen Akt in Szene setzt, ironisiert es den Künstlermythos. Indem es sich in kollektiver Produktion entfaltet, unterläuft es egozentrische Modelle von Autorschaft. Indem es das Körperliche in all seinen symbolischen Ordnungen umkreist, lässt es sich ebenso dem Abjekten zuordnen wie in Genderdiskurse einbinden. Und indem es sich unterschiedslos auf die Antike, auf Michelangelo und Albrecht Dürer, auf Robert Rauschenberg, Jasper Johns und Claes Oldenburg beruft und sich ikonographisch wie liturgisch in die christlich geprägte Kultur einreiht, zeigt es auf, wie eine Kunst zu generieren ist, die als zeitgenössisch und selbstreferenziell gelten darf, ohne sich auf jenen rigiden Bruch mit Traditionen berufen zu müssen, der die Moderne unter Ideologieverdacht gestellt hat. [4]

1 Ausstellungsansicht »Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst«, Sammlung Falckenberg, Hamburg, 31.5.-15.10.2008. Mitte: Fotografie von Paul Thek: The Tomb, 1967, Ansicht der Installation in der Stable Gallery, New York (Holz, Wachsfigur, 295 x 320 x 320 cm)

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Kein Wunder, dass in schöner Regelmäßigkeit die Frage aufgeworfen wird, warum ein solcher Künstler nicht in den Olymp der Kunstgeschichte aufgestiegen ist, warum er nicht in einem Atemzug mit Bruce Nauman oder zumindest mit Gordon Matta-Clark oder Robert Smithson genannt wird. Besonders dringlich formulierte Mike Kelley diese Frage 1992, als er in einem Katalogtext vehement Anerkennung für Theks Werk einforderte, weil dieses aufgrund der – aus seiner Sicht – darin konservierten »Überbleibsel der Sixties-Gegenkultur« ein wirksames Gegengift gegen die Saubermann-Ideologie der Reagan/Bush-Ära der neunziger Jahre in den Vereinigten Staaten bereit hielt. [5] Thek sei, so Kelley, ein Repräsentant der »Ära von Schmutz, Mystizismus, Drogen und Anarchie: unser finsteres Mittelalter«. [6] Obwohl es Kelley klarsichtig gelang, die Rede vom ›Visionär‹ als eine Taktik der Marginalisierung zu entlarven, die das Ziel verfolgte, Thek zum Vorläufer der Gegenwartskunst und damit zum Ahnherr von Robert Gober, Kiki Smith, Charles Ray, Cady Noland, John Miller und Paul McCarthy zu erklären, ging er der von ihm kritisierten posthumen Form der Funktionalisierung letztlich doch selbst auf den Leim. Denn er konnte mit keiner überzeugenden Alternative zu dieser Lesart aufwarten: Auch innerhalb der Argumentationskette Kelleys kommt Thek die undankbare Aufgabe zu, mehr schlecht als recht eine Lücke zu füllen, die sich in der Gegenwart auftut. Aus Kelleys Sicht fehlte es dringend an einem Impfstoff, der die zeitgenössische Kunst gegen Musealisierungsprozesse, Verharmlosungstendenzen und konfliktbereinigende Homogenisierungsstrategien zu immunisieren vermag, und so setzte er seine Hoffnung auf ein bisher unentdecktes Serum, das sich mit etwas Glück aus der Leichenfledderei von Theks totem Hippie gewinnen ließe.

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Wie Marietta Franke in ihrer Replik nachweisen konnte, ignorierte Kelley in seiner Fixierung auf das Zeitgenössische das Spezifische an Theks Werk. [7] So trug Kelleys temperamentvoll vorgebrachtes Plädoyer nicht zuletzt dazu bei, dass das einer Grabkammer ähnliche Environment The Tomb (1967) dem Kunstbetrieb ein weiteres Mal unter der Bezeichnung Death of a Hippie dargebracht wurde, obwohl Thek wiederholt darauf hingewiesen hatte, dass dieser Titel nicht von ihm stamme, sondern der Arbeit irreführend von der Kunstkritik angedichtet worden sei. [8] Anders gesagt: Es ging Kelley weniger um die künstlerische Praxis Theks als vielmehr darum, diese als exemplarisches Beispiel für die – seitens der Republikaner durchaus erwünschte – Blindheit gegenüber der rebellischen Dimension des Hippietums anzuführen.

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Nun ist eine Rezeption, die sich bewusst vor dem Horizont der Gegenwart entfaltet und die frei davon ist, die Intention des Künstlers mühsam nachbuchstabieren zu wollen, alles andere als verwerflich. Einsichten dieser Art sind sogar sehr willkommen, auch wenn man sich in diesem speziellen Fall eine größere Sensibilität für den Stellenwert historischer Quellen gewünscht hätte. Ebenso mangelt es an Bewusstsein dafür, dass derjenige, der anderen eine verfälschende Sicht der Dinge vorwirft, keineswegs davor gefeit ist, eine den eigenen Interessen dienende Geschichtskonstruktion vorzunehmen. Dennoch erweist sich Kelleys Plädoyer im Nachhinein als ein überaus produktives Missverständnis. Denn auch wenn Kelleys engagierter Einsatz für eine Revision in Sachen Paul Thek auf zahlreichen Fehlinformationen beruht, so überwiegen doch die positiven Effekte.

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Von Mike Kelley in den Stand eines ›artist’s artist‹ erhoben, tauchte Paul Thek von nun an immer häufiger im Gesichtskreis von Kuratoren, Kritikern und Sammlern auf. [9] Denn wer wollte nicht von sich behaupten, es sei ihm gelungen, seine Zelte abseits der Hauptwege aufzuschlagen und die Werke einer »dieser schattenhaften Gestalten, die nur durch Hörensagen zu existieren scheinen«, [10] auszustellen, zu kommentieren oder seiner Sammlung einzuverleiben – mithin dem Mainstream den Mythos vorzuziehen? Es kam, wie es kommen musste: Die Anzahl der Ausstellungen und Publikationen nahm zu, die Preise stiegen. Nicht zuletzt um Kelleys Vorwurf zu entkräften, Thek sei in der Kunstgeschichte absichtlich falsch dargestellt oder gleich völlig ausgelassen worden, richtete das Kunstzentrum Witte de Witt in Rotterdam dem Künstler 1995 eine umfangreiche Retrospektive aus, die auch in Berlin, Barcelona und Marseille Station machte. [11] Seither kennen nicht nur Insider den Moment der Initiation im Jahr 1963, als Paul Thek in den Kapuziner-Katakomben bei Palermo die von Spuren der Verwesung gezeichneten Relikte menschlicher Körper entdeckte. Zu erfahren ist, dass er sich während eines Aufenthalts in Rom von den magischen Versprechen der Reliquiare christlicher Märtyrer beeindrucken ließ und dass seine Hinwendung zu Themen wie Tod und Auferstehung weniger dem Wunsch entsprungen sein dürfte, einen »Schrein des Anti-Amerikanismus« [12] zusammenzuzimmern, als vielmehr auf eine biografisch bedingte Verwurzelung seines Denkens im Katholizismus schließen lässt.

2 Ausstellungsansicht »Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst«, Sammlung Falckenberg, Hamburg, 31.5.-15.10.2008. Paul Thek: La Corazza di Michelangelo, 1963, Wachs, Acryl auf Gips, 40 x 30 x 20 cm

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Doch auch dieser neue Zweig der Rezeptionsgeschichte treibt mitunter seltsame Blüten. So wird – getragen vom heiligen Ernst sowie von der Hoffnung, sich wieder in eine große, bruchlose, homogene Erzähltradition einreihen zu können – ausgerechnet Paul Thek in einen bibelfesten Verkünder des Evangeliums verwandelt, obwohl der Künstler nachweislich in so unterschiedlichen Gefilden wie in den Büchern von D. H. Lawrence und William Blake, in der Thora und den Schriften Teresas von Ávila, bei Konfuzius und Platon wilderte. Nicht von ungefähr ist es eine Institution wie das Kolumba in Köln, die sich um den Erhalt von Theks Werk besonders verdient gemacht hat, seine Werke systematisch sammelt und konservatorisch betreut. Sakrale Weihen für Paul Thek? Kein ganz ungefährliches Unterfangen, handelt es sich doch um einen Künstler, der wegen seiner in den Katalog der Sündhaftigkeit aufgenommenen Homosexualität um sein Seelenheil bangen musste; der an den Folgen von AIDS verstarb; und der es wagte, mit der übertrieben fröhlichen Geste eines Jahrmarktschaustellers den eigenen Tod durch die Aufbahrung eines wächsernen Leichnams schon im messianischen Alter von Anfang Dreißig vorwegzunehmen.

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Andererseits lassen sich die Meat Pieces und der Fishman durchaus unter Stichworten wie Erlösung oder Passage zwischen Leben und Tod in eine eschatologische Erzählung einbinden. Zudem leistet die mit Zustimmung des Künstlers seit den späten siebziger Jahren betriebene Umbenennung mancher Werke einer Sakralisierung zusätzlich Vorschub. Die unter Plexiglashauben aufbewahrten, rot und weiß schimmernden Klumpen aus Wachs, die so täuschend echt das rohe Fleisch samt der durchtrennten Sehnen, der Blutgefäße und des erstarrten Körperfetts nachahmen, firmieren nicht mehr unter dem lapidaren Namen Meat Pieces, den der Künstler ihnen in den Sechzigern verliehen hatte, bis es ihm zu bunt wurde, auf Parties als der ›meat man‹ angesprochen zu werden. Nein, die ganze Werkgruppe wird unter der Bezeichnung Technological Reliquaries gehandelt, die zuvor drei Objekten vorbehalten gewesen war, die 1967 im Kontext des Environments The Tomb in der Stable Gallery ausgestellt wurden. [13] Es darf bezweifelt werden, dass es einem Künstler, der sich gegenüber den Institutionen der Kunst als so wenig korrumpierbar erwiesen hat, gefallen hätte, nun von einer nicht minder autoritätsfixierten Institution wie der katholischen Kirche umarmt zu werden. Zumal seine Heilsgeschichte doch eher eine ist, die ihren Ursprung in den Apokryphen unserer Gegenwart, in der Populärkultur hat. »Bambi«, sagte Thek einmal, »ist absolut fantastisch und irgendwie noch besser als das Jesuskind.« [14]

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Eines aber haben beide Rezeptionsstränge – die Verklärung zum rebellischen Hippie wie die Glorifizierung als religiöser Heilsbringer – gemein: Sie kritisieren das in der Kunstgeschichtsschreibung übliche Kreisen um kunstinterne Bezugssysteme. Dabei ist es durchaus von Vorteil zu wissen, dass Birthday Cake eine extrem körperbezogene Antwort auf Josef Albers’ Bilderserie Homage to the Square ist. Oder dass die Meat Pieces nicht etwa nahtlos an die seit dem Mittelalter üblichen Praktiken der Heiligenverehrung anknüpfen, sondern vielmehr in Fortsetzung jenes ›Fleisches für Gelehrte‹, das früher in Kunst- und Wunderkammern den Stand der anatomischen Wissenschaften dokumentierte, den kubischen Konstruktionen der Minimal Art, die in ihrer Gestalt, Oberflächenstruktur und Fertigung auf Perfektion abzielen, eine gehörige Portion Ekel und Faszination, Leiden und Leidenschaft verabreichten, indem sie den vor Stolz auf ihre eigene Vollkommenheit strotzenden Vitrinen eben das implementierten, was verdrängt werden sollte: fleischliche Lüste. [15] Oder dass Wachs seit jeher nicht zu den ›edlen‹ Werkstoffen der Bildhauerei zählte, weil seine Materialeigenschaften denen des menschlichen Körpers zu ähnlich waren, was allgemein Unbehagen hervorrief. [16] Oder dass Thek die Amsterdamer Ausstellung »Artist’s Co-op« als eine satirische Form der ›chicken coop‹, als neurotisierende Massenkünstlerhaltung installierte und somit als ironischen Kommentar zu den in den Sechzigern als allein selig machend bejubelten Künstlerkooperativen verstanden wissen wollte. Oder dass seine viel bewunderte künstlerische Praxis, die sich der gelebten Freundschaft verdankt und an die Stelle eines konzeptuell gesteuerten Vorgehens das regellos wuchernde Work in Progress setzte, keineswegs als Ausnahmephänomen zu sehen ist, [17] sondern weitgehend mit Harald Szeemanns Vorstellungen übereinstimmt, wonach eine Ausstellung das Dreieck, in dem sich die Kunst abspielt – Atelier, Galerie, Museum –, sprengen müsse. [18]

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Nein, es ist keineswegs überflüssig oder gar irreführend, all diese Zusammenhänge zu erwähnen. Und doch sind es die massiven Vorbehalte gegenüber der bisher betriebenen Kunstgeschichtsschreibung, die aus den Texten all jener Interpretatoren sprechen, die eine andere Sicht auf Paul Thek und sein Werk einklagen. Der Defizite sind viele. Mal fehlt die politische, mal die psychologische, mal die ethnografische Komponente, dann wieder ist es die sozialhistorische oder die christliche Dimension. Doch einig ist man sich in einem Punkt: Das, was die Kunstwissenschaft bisher an Ergebnissen aufzuweisen hat, ist nicht genug. Woran liegt es, dass gerade in der Fokussierung auf Paul Thek die Mängelliste immer länger und länger wird, je intensiver sein Werk kunsthistorisch erforscht wird? Sicher, in den Kanon jener ›Meisterwerke‹, die uns – wie Andy Warhols Siebdrucke oder Gerhard Richters Verwischungen – in fast jedem Museum der modernen und zeitgenössischen Kunst überall auf der Welt begegnen, wurden Paul Theks Meat Pieces nicht aufgenommen. Und nicht nur sammlungspolitisch haben sich die Museen nicht gerade von ihrer besten Seite gezeigt. Mitunter haben sie auch ihre konservatorische Aufgabe nur halbherzig erfüllt, es beispielsweise nicht zu verhindern gewusst, dass Werke Theks dem Verfall anheim gegeben wurden.

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Das Unbehagen, das aus vielen Texten spricht, scheint mir indes noch eine andere, tiefgreifendere Ursache zu haben. Es ist der Sprachduktus, der in den letzten Jahren in der Kunstwissenschaft gepflegt wird und der so ganz und gar nicht mit Paul Theks Denk- und Arbeitsweise vereinbar zu sein scheint. Wie viel leichter haben es da Wegbegleiter wie Ann Wilson, die assoziativ und unsystematisch, ja liebevoll über die Person Paul Thek reden und schreiben können, die in tagebuchartiger Form von gemeinsamen Reisen, Konflikten und Erlebnissen berichten, die das Private plündern und in persönlichen Briefen wühlen dürfen. Und wie viel aufschlussreicher erscheint es, ein Gespräch zu lesen, wie es Paul Thek und Harald Szeemann 1973 am Rande des Ausstellungsaufbaus – und wohl auch ein wenig am Rande des Nervenzusammenbruchs – in Duisburg geführt haben, [19] weil man sich hier ohne falsche Scheu über Lebenszusammenhänge, persönliche Überzeugungen und individuelle Sichtweisen verständigt. Der Kunstwissenschaft hingegen bleibt es verwehrt, das Werk auf diese Weise an die Person Paul Theks zu heften. Vielmehr gilt heute mehr denn je Erwin Panofskys Diktum, wonach Künstleraussagen »ein der Deutung fähiges und bedürftiges Parallelphänomen« zu den Kunstwerken darstellen. [20] Welche Perspektiven also können Kunstwissenschaftler eröffnen?

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Auf der Basis des Strukturalismus wie der Systemtheorie hat sich die Kunstwissenschaft seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl relevanter Themenfelder erschlossen. Sie hat die politischen und ökonomischen Strukturen der Kunst erforscht und ihre systemimmanenten Ein- und Ausgrenzungsstrategien benannt. Sie hat die Institutionen der Kunst wie Museum, Ausstellungsraum, Galerie und Auktionshaus strukturell untersucht und die Funktionen der Mitspieler wie Künstler, Kunstkritiker und Kuratoren analysiert. Sie hat Mechanismen aufgedeckt, Determinanten benannt, Statistiken angefertigt und ist so den Formalisierungen und Gesetzen der Kunst auf die Schliche gekommen. Anders gesagt, sie hat das getan, was Michel Foucault, geschichtsphilosophisch begründet, gefordert hat: Sie hat den Primat des Subjekts aufgegeben. Der Mensch ist über Bord zu werfen. Diesen Rat erteilte Foucault ungebeten Historikern, Psychologen und Literaturwissenschaftlern in Les mots et les choses. [21] Und die Kunstgeschichte ist dieser Empfehlung mit einiger Verspätung gefolgt: Sie hat den Künstler über Bord geworfen. Nun steht sie einigermaßen sprachlos vor den Werken eines Paul Thek. Welches Vokabular steht ihr zur Verfügung, welche Methoden hat sie anzubieten, um die verstörende Wirkung des täuschend echt aussehenden Körperfragments, die Trivialität und die Abgründigkeit des vom Tode gezeichneten und doch lebensspendenden Fleisches in Worte zu fassen? Soll sie Ikonografie und Ikonologie bemühen, um das Knäuel aus christlicher Symbolik, Songtexten, antiken Bildmotiven und Fundstücken, die beiläufig auf der Straße aufgelesen wurden, zu entwirren? Oder entgleitet ihr bei einer Rekonstruktion der ursprünglichen Kontexte eben das, was den Kern der Sache ausmacht, die Heterogenität, die sich jeglicher Entschlüsselung und Zuschreibung von Bedeutung entwindet?

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Zudem stellt sich die Frage: Ist das, was Thek hinterlassen hat, das Ergebnis eines strategischen Handelns? Man könnte ja durchaus mit einiger Berechtigung mutmaßen, er habe systematisch jede Form der Systematik unterlaufen und mit seinem Spiel von Täuschung und Enttäuschung den Regeln des Kunstbetriebs gezielt zuwider gehandelt. Einiges spricht dafür. So nimmt er etwa eine Umwertung des ausgesonderten Werkstoffs Wachs vor. Er befriedigt den Voyeurismus und den Wunsch nach Transzendenz nur zum Schein, indem er das Publikum mit Surrogaten abspeist. Er hält einem Kunstbetrieb, der sich mit Plexiglas und Aluminium die Zeichen industrieller Produktion einverleibt hat, Lust und Ekel erregende Klumpen verwesenden Fleisches vor Augen, belebt damit zugleich aber auch die Qualitätskriterien, die in der Moderne ein für alle Mal überwunden schienen: handwerkliche Perfektion und die Fähigkeit zur Imitation. Und er hinterlässt, auf viele verschiedene Orte verteilt, einen wüsten, unsortierbaren Materialhaufen, dem jegliche Einheitlichkeit fehlt und der daher niemals im eigentliche Sinne des Wortes als ›Werk‹ bezeichnet werden kann.

3 Ausstellungsansicht »Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst«, Sammlung Falckenberg, Hamburg, 31.05.2008-15.10.2008.
Im Hintergrund links: Paul Thek: Untitled (Landscape), 1969, Acryl auf Zeitungspapier
Im Vordergrund: Paul Thek: Untitled, 1971, Acryl auf Zeitungspapier, 4-teilig
Im Hintergrund rechts: Fotografie von Paul Thek: Ark, Pyramid, 1972, documenta 5, Kassel 1972

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Wie ist es mit dem traditionellen Werkbegriff vereinbar, dass Thek The Tomb mehrfach in verschiedenen Räumen aufbaute und jedes Mal Veränderungen vornahm? Waren seine Environments nicht zeit- und ortsspezifisch angelegt? Wenn ja, wie können die überlieferten Relikte einen solchen Mangel an Kontext und Präsenz kompensieren? Sind Teilrekonstruktionen zulässig? Wie definiert man ›Werk‹, wenn Freunde, Kollegen und temporär angeheuerte Mitstreiter einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der jeweiligen Ausprägung eines Environments haben; [22] wenn die Überlegungen, wo das Werk beginnt und wo es endet, immer ins Leere laufen müssen? [23] Gehören die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen zum Werk dazu? Und welche Folgen hat es, wenn ein Werk nicht einmal davor halt macht, den Prozess der Ausstellungsrealisation zu integrieren? [24]

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Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, Paul Thek habe nichts anderes im Sinn gehabt, als die Notwendigkeit einer Frage zu unterstreichen, die Michel Foucault Ende der sechziger Jahre formulierte: »Wie läßt sich aus den Millionen von Spuren, die jemand nach seinem Tod hinterläßt, ein Werk definieren?« [25] Nur scheint Thek sich gefragt zu haben: Erst nach dem Tode? Warum so lange warten? Zumal im Zeitalter des ›toten Autors‹. Im Jahr 1969 notierte Foucault: »Das Merkmal des Schriftstellers besteht nur noch in der Eigentümlichkeit seiner Abwesenheit. Er muß die Rolle des Toten im Spiel des Schreibens einnehmen.« [26] In Analogie dazu, wenn auch bereits zwei Jahre zuvor, bahrt Paul Thek die wächserne Repräsentation des Künstlers, sein als nicht mehr zeitgemäß empfundenes Alter Ego in der Stable Gallery auf, so als wollte er zu verstehen geben, dass es des Verschwindens des Künstlers, des Verlöschens seiner Existenz bedürfe, damit Kunst sich frei entfalten und in der Gesellschaft wirksam werden könne.

4 Ausstellungsansicht »Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst«, Sammlung Falckenberg, Hamburg, 31.05.2008-15.10.2008.
Links: Fotografie von Paul Thek: The Tomb, 1967, Ansicht der Installation in der Stable Gallery, New York (Holz, Wachsfigur, 259 x 320 x 320 cm);
Im Hintergrund: Paul Thek: A Procession in Honor of Aesthetic Progress: Objects to theoretically wear, carry, pull or wave, 1968.
Mitte: Paul Thek: Untitled (self-portrait), 1966-1967, Wachs, Acrylfarbe, Holz, Metall, 56,2 x 32,1 x 39,4 cm

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Der Künstler scheint erstickt zu sein; man hat ihm die Luft zum Atmen genommen. Seine Zunge quillt ihm violett-rot schimmernd aus dem Hals. Sein wichtigstes Werkzeug, die von Mythen umrankte Hand, ist verstümmelt, für immer ruiniert. Abgeschnitten sind sie, die Finger der rechten Hand, und nun baumeln sie, als Fragmente hübsch anzusehen, in einem Beutel an der Wand. Die sterblichen Überreste des Künstlers werden jedoch nicht etwa leise, still und heimlich in einem Massengrab verscharrt, sondern in einem Grabmal, das dem gesellschaftlichen Stellenwert einer solchen Instanz angemessen sein dürfte, einer Pyramide gar, wie sie einst Königen vorbehalten war, zur Verehrung frei gegeben. Schon lange, bevor er starb, scheint der Künstler die Fähigkeit zu sprechen und zu handeln verloren zu haben. Doch warum sollte das die Ausstellungsbesucher davon abhalten, die leere Hülle, den Kokon, aus dem er geschlüpft ist, anzubeten? Der Künstler ist tot, es lebe die Kunst. [27]

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lndem Thek den eigenen Tod bildmächtig in Szene setzte, war es ihm vergönnt, den Prozess des heillosen Verzettelns noch zu Lebzeiten in Gang zu setzen und zu beobachten, wie sich die Spuren seines Alter Ego, das er in provozierender Direktheit als sinnentleertes Ebenbild im Ausstellungsraum abgelegt hatte, in alle Winde zerstreuten. So wird aus dem in der Philosophie und Literaturwissenschaft viel diskutierten ›toten Autor‹ unter Paul Theks Anleitung der ›tote Künstler‹, wobei es nur konsequent ist, dass dieser eben nicht im Medium der Schrift reflektiert wird, sondern in Form eines plastischen Selbstabdrucks. Einzig hierin seinem Metier treu bleibend, schlägt sich Thek nicht mit der Abstraktheit der Worte herum, sondern mit der Konkretheit der materiellen Welt. Nun wäre es sicher verfehlt, behaupten zu wollen, Paul Thek habe die epistemologischen Überlegungen Foucaults in die Kunst überführen, gar illustrieren wollen. Zumal sein ›toter Künstler‹ schon im White Cube aufgebahrt wurde, als Foucaults Thesen noch gar nicht veröffentlicht waren. Vielmehr war es das Hadern mit der Rolle des Künstlers, [28] das Thek dazu veranlasste, dem Kunstbetrieb mit Hilfe eines Rituals, das dem Verbrennen von Strohpuppen beim Winterfeuer ähnelt, den Popanz des Künstlers auszutreiben. Um im Bild zu bleiben: Nicht Paul Thek ist es, der hier das Wort ergreift, eine Position markiert oder die egozentrische Künstler-Funktion kritisiert; vielmehr ›spricht es‹ aus ihm – im Derrida’schen Sinne. In welchem Maße er sich diesem ›Es‹, diesem größeren Zusammenhang verbunden fühlte, kommt in einem Brief zum Ausdruck, den er 1969 der Künstlerin Eva Hesse schrieb: »Have started painting again, after 5 years. It feels really fine. The whole fall season seems to have been beautifully psychic, the same inner things happening to many people far apart. I think now perhaps we’re all part of one big creature, like coral, separate consciousnesses, parts of a great big one. Just a theory so far.« [29]

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Wie aber sollen wir einer Kunst begegnen, die das Künstlersubjekt in Gestalt eines Selbstabdrucks, eines sichtbaren Auseinanderfallens von Schöpfer und Abbild beerdigt hat? Welche Art der Rezeption kann ein Kunstwerk erfahren, wenn es unabhängig von dem, der es hervorgebracht hat und ohne eine entschlüsselbare, ihm anhaftende Bedeutung wahrgenommen werden soll? Zunächst einmal läuft es Gefahr, darauf reduziert zu werden, nichts als »die allgemeinen Bedingungen […], die Bedingungen sowohl des Raums, in dem es sich verteilt, und der Zeit, in der es sich entfaltet«, zu repräsentieren. [30] Eben das ist die Perspektive, die in der Kunstwissenschaft derzeit häufig eingenommen wird: Es scheinen abstrakte Mächte, von höheren Wesen entworfene Geschichtskonstruktionen am Werk zu sein, die es zu beschreiben und festzuschreiben gilt. Aus einer solchen Sicht aber werden, so Foucaults Beobachtung, die empirischen Charakterzüge des Autors – hier in Analogie die des Künstlers – in eine transzendentale Anonymität übersetzt. Man könne sogar von »einem religiösen Prinzip der zugleich unveränderlichen und nie erfüllten Tradition« sprechen. [31] Um sich einer solchen wiederum metaphysischen Festlegung zu entziehen, hat Paul Thek die Flucht nach vorn angetreten und im Planlosen wie im Quasi-Religiösen um Exil gebeten. Statt Produkte herzustellen, die einem Werk und einem Künstlernamen untergeordnet sind, inszenierte er Kunst als einen Akt, der im bipolaren Feld des Heiligen und des Profanen, des Erlaubten und des Verbotenen, des Religiösen und des Blasphemischen angesiedelt ist.

5 Ausstellungsansicht »Paul Thek. Werkschau im Kontext zeitgenössischer Kunst«, Sammlung Falckenberg, Hamburg, 31.05.2008-15.10.2008. Paul Thek: Visual Therapy, 1986, Mixed Media, in Zusammenarbeit mit Franz Deckwitz, erstmals realisiert im Rahmen des Ausstellungsprojekts »Chambres d’amis«, Gent 1986

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Was bedeutet das für das Schreiben über seine Kunst? Doch wohl nur, dass es erlaubt sein muss, auch in der Kunstwissenschaft – und zwar im Sinne einer methodischen Grenzerweiterung, wie sie bereits Aby Warburg gefordert hat – eine Sprache herauszubilden, die in Analogie zur künstlerischen Praxis Paul Theks nach den Substituten des Subjekts fahndet,  [32] die das Heterogene zulässt und die persönliche Erfahrung nicht per se als unwissenschaftlich ausscheidet. Die nicht blutleer ist, sondern Fleisch von unserem Fleische. Einen möglichen Weg weist die Monographie, die anlässlich der Paul Thek-Werkschau im ZKM Karlsruhe erschienen ist. [33] Der darin publizierte Text ist das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit. Er inszeniert Schreiben als kollektiven und transindividuellen Akt, so dass die Sätze und Gedanken bei der Lektüre nicht mehr einzelnen Autorinnen und Autoren zugeordnet werden können. Selbst vierzig Jahre, nachdem Paul Thek den ›Tod des Künstlers‹ als Geste der künstlerischen Freiheit zelebriert hat, ist diese »Anonymität eines Gemurmels« [34] in der Kunstwissenschaft noch immer ein Wagnis. Denn es ist leichter, Autoren und Künstlern das Recht auf Wahrheit und Absolutheit abzusprechen als der eigenen Disziplin.

Bildnachweis

Jan Windszus, Berlin: Abb. 1-5



[1] Vgl. Annette Tietenberg: The Artist – An Endangered Species?, in: Paul Thek. Artist’s Artist, hg. v. Harald Falckenberg u. Peter Weibel, MIT Press, Cambridge (Mass.) 2009, S. 140-149.

[2] Diese Frage wurde in Anspielung auf den Titel einer Serie formuliert, die die Kunsttheoretikerin Isabelle Graw in den 1990er Jahren in der Zeitschrift Artis platzierte, um Strategien zu benennen, derer sich Künstlerinnen bedient haben, um sich gegen Ausgrenzung zur Wehr zu setzen und aus der Sphäre der Unsichtbarkeit herauszutreten.

[3] Wörtlich: »a monument which may easily prove to be one of the unanticipated yet representative masterworks of American sculpture of the sixties.« Robert Pincus-Witten: Thek’s Tomb … Absolute Fetishism, in: Artforum, November 1967, S. 2-25, hier S. 24.

[4] Paul Thek formuliert diese Weigerung, mit der Tradition zu brechen, folgendermaßen: »I can’t go telling them a whole new culture. The one they have is perfectly gorgeous.« Zitiert nach Harald Szeemann: Interview Paul Thek. Duisburg, 12 December 1973, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 82-87, hier S. 84.

[5] Mike Kelley: Tod und Verklärung. Ein Brief aus Amerika, in: Texte zur Kunst, H. 8, Dezember 1992, S. 43-49, hier S. 44. (Mike Kelley: Death and Transfiguration. A letter from America, in: Paul Thek, Ausst.kat. Castello di Rivera, Turin 1992, S. 15-20).

[6] Kelley 1992 (wie Anm. 5), S. 45.

[7] Marietta Franke: I don’t want to give myself to trash ... Eine Antwort auf den Artikel des Künstlers Mike Kelley über Paul Thek (1933-1988), in: Texte zur Kunst, H. 9, März 1993, S. 153-156.

[8] Thek schrieb Pincus-Witten eine Postkarte folgenden Wortlauts: »The tomb never had anything to do with hippies … The press started all that.« Zitiert nach: Selected Confessions. A Narrative Biography, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 184-194, hier S. 186.

[9] Zur retrospektiven Verklärung, die mit der Bezeichnung ›artist’s artist‹ einhergehen kann, siehe auch Isabelle Graw: Posthume Verklärung, in: taz, 12.2.2008, S. 12.

[10] Kelley 1992 (wie Anm. 5), S. 43.

[11] Chris Dercon/Friedrich Meschede/Britta Schmitz u.a.: Foreword. The Wonderful World that Almost Was, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 6-9, hier S. 6.

[12] Kelley 1992 (wie Anm. 5), S. 48.

[13] Vgl. Marietta Franke: Work in Progress – Art is Liturgy. Das historisch-prozessuale und betrachterbezogene Ausstellungskonzept von Paul Thek, Frankfurt am Main 1993, S. 44.

[14] Wörtlich: »It’s absolutely glorious; it’s better than the infant Jesus in a way.« Zitiert nach: Richard Flood: Paul Thek: Real Misunderstanding, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 104-112, hier S. 111.

[15] Dazu Thek: »I was amused by the idea of meat under plexiglas because I thought it made fun of the scene – where the name of the game seemed to be ›how cool can you be‹ and ›how refined‹.« Zitiert nach Flood 1995 (wie Anm. 14), S. 107.

[16] Vgl. Georges Didi-Huberman: Wax Flesh, Vicious Circles, in: Encyclopaedia Anatomia, hg. v. Museo di Storia Naturale dell’Università di Firenze, Köln 1999, S. 64-74.

[17] Marietta Franke spricht in diesem Zusammenhang von einer »Humanisierung des Ausstellungsraums«; Franke 1993 (wie Anm. 13), S. 154. Die enge Zusammenarbeit mit Harald Szeemann ist jedoch Indiz dafür, dass Thek weniger darauf abzielte, einen derart diskreditierten, im 20. Jahrhundert vielfach politisch missbrauchten Begriff wie ›Humanismus‹ zu rehabilitieren, als vielmehr den Ausstellungsraum aus seiner konkreten marktpolitischen Umklammerung und Fixierung auf verkäufliche Objekte zu befreien.

[18] Harald Szeemann: About the Exhibition, in: When Attitudes Become Form, Ausst.kat. ICA London 1969, ohne Seitenangabe.

[19] Szeemann 1995 (wie Anm. 4).

[20] Erwin Panofsky: Der Begriff des Kunstwollens, in: ders.: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, Berlin 1985, S. 29-43, hier S. 32.

[21] Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt am Main 1971.

[22] Ann Wilson weist darauf hin, dass Thek, wie wohl nicht anders zu erwarten war, an der Macht der Autor-Funktion scheiterte. »I do not know how the male artists felt about the conflict, but the ›we‹ in collaborative works of the day became ›I‹ when it came to issues of publicity and career.« Ann Wilson: Voices from the Era, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 56-69, hier S. 68.

[23] Die Osterausstellung »Ark, Pyramid, Easter« in Luzern hatte explizit »einen ständigen Entstehungscharakter«; vgl. Franke 1993 (wie Anm. 13), S. 104. Nachdem ein Teil der Exponate bei der Reise von Rom nach Essen beschädigt worden war, entschied sich Thek, von seinem ursprünglichen Plan abzuweichen und die Ausstellung in der Galerie Thelen im unfertigen Zustand zu eröffnen. Er notierte: »The show I did in Germany in 1968 [...] changed from day to day by necessity because the pieces had all arrived broken. That taught me how important process was; there was no point at which you could logically say ›now it’s finished‹.« Zitiert nach Flood 1995 (wie Anm. 14), S. 108.

[24] Anlässlich der Luzerner Ausstellung schrieb er an den verantwortlichen Kurator Jean-Christophe Ammann: »Think you should save all these letters as part of the show.« Brief von Thek an Jean-Christophe Ammann, 12. Dezember 1972, New York, zitiert nach Franke 1993 (wie Anm. 13), S. 110, 123.

[25] Michel Foucault: Was ist ein Autor, in: ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits, Bd. I, Frankfurt am Main 2001, S. 1003-1041, hier S. 1010.

[26] Foucault 2001 (wie Anm. 25), S. 1009.

[27] Wie lebendig die Kunst – ganz im Gegensatz zum Künstler – war, zeigt sich schon daran, dass die Bestandteile täglicher Pflege bedurften. Während des Ausstellungszeitraums von »Ark, Pyramid«, die Thek anlässlich der documenta 5 realisierte, mussten beispielsweise Zwiebeln ausgetauscht, Sand geharkt, heruntergebrannte Kerzen ersetzt, Tonbänder zurückgespult und frische Blumen besorgt werden. Vgl. Harald Szeemann: Postscript, March 1995, in: Paul Thek. The Wonderful World that Almost Was, Ausst.kat. Witte de With, Rotterdam 1995, S. 88-89.

[28] Thek äußert gegenüber Harald Szeemann: »The artist’s role was simply insufficient as it had been presented to me.« Szeemann 1995 (wie Anm. 4), S. 85.

[29] Brief von Paul Thek an Eva Hesse, undatiert (1969), Amsterdam. Nachlass Eva Hesse, Archives of American Art, New York, Roll 1474, S. 0886.

[30] Foucault 2001 (wie Anm. 25), S. 1011.

[31] Foucault 2001 (wie Anm. 25), S. 1011.

[32] Das Subjekt ist nach Foucault nicht verschwunden. Es kann nur keinen Anspruch auf Invarianz und eine diskursunabhängige, ursprüngliche Bedeutung erheben. Eine solche Konstruktion wirft andere Fragen auf: »Wie, aufgrund welcher Bedingungen und in welchen Formen kann so etwas wie ein Subjekt in der Ordnung des Diskurses erscheinen?« Foucault 2001 (wie Anm. 25), S. 1029.

[33] Margrit Brehm/Axel Heil/Roberto Ohrt: Paul Thek. Tales the tortoise taught us, Ausst.kat. ZKM Karlsruhe, Köln 2008.

[34] Foucault 2001 (wie Anm. 25), S. 1030.

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Empfohlene Zitierweise

Tietenberg A.: Die Substitute des Subjekts. Paul Theks The Tomb, gesehen als modellhafte Reflexion von Autorschaft. In: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, 2009-9 (urn:nbn:de:0009-23-24602).  

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