<1>

Er hatte es fraglos verdient, dem Vergessen entrissen zu werden. »Jan Wijnants ist ein so ausgezeichneter Landschaftsmaler aus der holländischen Schule, dessen Werke so allgemein bekannt sind, dass man sich darüber wundern muss, dass Houbraken von ihm nichts weiter erwähnt, als dass er der Lehrmeister Adriaan van de Veldes gewesen ist. Andere haben auch Philip Wouwerman als einen Lehrling von Wijnants angegeben und es ist gewiss, dass man in den Werken Wouwermans die kunstfertige Darstellung von Sandhügeln und Dünenlandschaften, in denen Wijnants besonders ausgezeichnet ist, nicht verkennen kann, denn sie waren beide Haarlemer und haben die Natur in der Umgebung ihrer Heimatstadt studiert. »(…) Wijnants darf zu recht unter den verdienstvollsten Landschaftsmalern platziert werden, die aus der niederländischen Schule hervorgegangen sind. Auf seinen Tafeln findet man eine verständige und gefällige Verteilung von Licht und Schatten; helle Lüfte, in denen die Wolken wie wehend, weichend verblassen; bröselige Böden, breite Sandhügel, schöne Bäume, saftige Pflanzen, die zwischen gefällten Baumstämmen üppig aufschießen oder dieselben zum Teil bedecken.«  [1

1 Roeland van Eynden und van der Adriaan Willigen: Geschiedenis der vaderlandsche schilderkunst sedert de helft der XVIII eeuw, Bd. 1, Haarlem 1816, S. 120-122: »JAN WIJNANDS is een zoo uitmuntend Landschapschilder uit de Hollandsche school, en wiens werken zoo algemeen bekend zijn, dat men 'er zich zeer over verwonderen moet, dat Houbraken van hem geen ander maakt, dan alleen, dat hij de leermeester van Adriaan Van De Velde geweest is. Anderen hebben ook Philip Wouwerman als een' leerling van Wijnands opgegeven, en zeker is het, dat men in de werken van Wouwerman de kunstige verbeelding van zandheuvelen en duingronden, waarin Wijnands bijzonder uitmunt, niet kan miskennen, dan zij waren beide Haarlemmers en hebben de natuur in de omstreken hunner geboortestad bestudeerd. De geboortetijd van Wijnands wordt door sommigen bepaald omtrent het jaar 1600 geweest te zijn: het komt ons echter niet waarschijnlijk voor, alzoo hij in het Schilders Gildeboek, te Haarlem, wordt gevonden ingeschreven te zijn in het jaar 1677. Wijnands mag, met regt, worden gerangschikt onder de verdienstelijkste Landschapschilders, die uit de Nederlandsche school voortgekomen zijn. Op zijne Tafereelen vindt men eene verstandige en bevallige verdeeling van licht en schaduw; heldere luchten, waarin de wolken als drijven, wijkende verschieten; brokkelachtige gronden; breede zandheuvels; schoone boomen en malsche planten, die tusschen gevelde boomstammen welig opschieten of dezelve ten deele bedekken.«
]

<2>

Das von Roeland van Eynden und Adriaan van der Willigen in ihrer Geschiedenis der vaderlandsche schilderkunst ausgesprochene Lob, sollte den beinahe vergessenen Landschaftsmaler Jan Wijnants dem Vergessen entreißen. Noch im Triumphgefühl der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft und im Bemühen, den auf dem Wiener Kongress vollzogenen Anschluss der südlichen Provinzen an das neu geschaffene Vereinigte Königreich der Niederlande kulturell zu legitimieren, hatten die beiden Verfasser 1816 ihre der Königin gewidmete Geschichte der vaterländischen Malerei vorgelegt, in der sie einen möglichst vollständigen Überblick der niederländischen Malerei vorlegen wollten. Der auch in der königlichen Sammlung mit verschiedenen Gemälden vertretene Jan Wijnants durfte dabei nicht fehlen, obwohl Arnold Houbraken, der wichtigste Gewährsmann für die niederländische Malerei des sogenannten Goldenen Zeitalters, nur wenig Gutes über Wijnants zu berichten wusste.

<3>

Im 1721 publizierten dritten Band von Houbrakens Groote Schouburg der Nedederlandsche Kunstschilder en Kunstschilderessen war zu lesen, dass Adriaan van de Velde, der Sohn des gleichnamigen Schiffsmalers, keine Neigung gezeigt habe, auf dem von seinem Vater und seinem Bruder so erfolgreich bedienten Gebiet des Seestücks tätig zu werden, »weshalb man es gut fand, ihn zu Jan Wijnants zu geben. Und es ist bemerkenswert, dass, als Wijnants gezeigt wurde, was dieser so ganz für sich gezeichnet und gemalt hatte, auch dessen Frau das sah, woraufhin sie ihrem Mann auf die Schulter klopfend sprach, ›Wijnants, dein Meister ist geboren‹, was sich im Laufe der Zeit bewahrheiten sollte.«  [2

Arnold Houbraken: De Groote Schouburgh der Nederlantsche Konstschilders en Schilderessen, 3 Bde., Amsterdam 1718–1721, hier: Bd. 3, S. 90: »Maar alzoo hy zig niet geneigt vond het Konstspoor van zyn Vader of Broeder, te weten het Scheepschilderen in te slaan, vond men goed hem te bestellen by Jan Wynants. En het is opmerkelyk; dat wanneer aan Wynants vertoont wierd 't geen hy by zig zelven al geteekent en geschilderd had, deszelfs Vrouw dit mee beziende, tot haar Man, hem kloppende op zyn schouder zeide: ›Wynants uw Meester is geboren‹, gelyk ook de tyd deze voorzegging bewaarheit heeft.«
]

<4>

Johan van Gool, der wenige Jahrzehnte nach Houbraken mit dem Anspruch angetreten war, die Fehler in dessen Werk zu korrigieren und die Viten der zu seiner Zeit noch lebenden Künstler zu ergänzen, betonte deshalb, welch schweres Los dem Landschaftsmaler Jan Wijnants zuteilwurde. Er sei nämlich dem Vergessen anheimgefallen, »obschon seine Pinselkunst, so lang mir scheinen mag, ob derselben natürlichen Gefälligkeit und gewandter Behandlung von Liebhabern geliebt und gesucht ward. Und nicht ohne Grund, denn seine Landschaften zeigen sowohl in Vorder- als Hintergründen und in allem was darin vorkommt eine geistvolle Natürlichkeit, die bei niemandem besser zu finden ist. Viele sind schön von Wouwerman und Adriaan van de Velde staffiert, was zugleich seine im Dunkel liegende Lebenszeit verdeutlicht, so dass wohl zu Houbrakens Zeit durchaus noch Liebhaber gelebt haben könnten, denen er sicherlich bekannt gewesen ist. Und dennoch ist nichts über ihn aufgezeichnet worden, wie auch über seinen Zeitgenossen Hobbema, der sich ebenfalls im Malen moderner Landschaften ausgezeichnet hat, die ebenfalls durch den fliegenden Kunstpinsel des Adriaan van de Velde mit Tieren und Figuren staffiert wurden, wiederum ein unwiderlegbarer Beweis, dass er in derselben Zeit blühte. Und das ist nun auch schon alles, was ich zu diesen Künstlern berichten kann, die allein durch ihre Kunstwerke verewigt bleiben.«  [3

Johan van Gool: De Nieuwe Schouburg Der Nederlantsche Kunstschilders En Schilderessen: Waer in de Levens- en Kunstbedryven der tans levende en reets overleedene Schilders, di van Houbraken, noch eenig an der Schryver, zyn aengeteekend, verhaelt worden, 2 Bde., Den Haag 1750-1751, hier: Bd. 2, S. 90f.: »Het zelve lot (des Vergessen werdens) is den fraejen Lantschapschilder J. Wynants te beurt gevallen, niet tegenstaende zyne Penseelkunst, uo lang als my mag heugen, om deszelfs natuurlyke aenlokkelykheit en fixe behandeling, van Liefhebbers gelieft en gezocht is geweest, en niet zonder reden, want zyne Lantschappen vertonen, zo in voor- als achtergronden, en alles wat ’er in voorkomt, een geestige natuurlykheit, die by niemant beter te vinden is; veele zyn fraei gestoffeert van Wouwerman en Adriaen van de Velden, het geen ons zynen leeftyt niet duister te kennen geeft; zo dat ’er, by Houbrakens tyt, noch wel Liefhebbers kunnen geleeft hebben, daer hy zekerlyk by bekent geweest is; en evenwel is hy in de pen gebleven, benevens zyn Tytgenoot Hobbema, die mede uitgemunt heeft in ’t schilderen van moderne Lantschappen, die almê door ’t vleiënt Kunstpeseel van Adriaen vande Velden, met beeltjes en beestjes geestig versiert zyn; insgeliyks een ontegenzeggelyk bewys, dat hy in die zelve tyt gebloeit heeft. Dit is ’t ook al, dat ik van deze Kunstenaers kann opgeven, die alleenig door hunne kunstwerken vereewigt blyven.«
]

<5>

Die kunstwissenschaftliche Forschung hat seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Quellen und Dokumente ans Licht gebracht, die einzelne Stationen seiner Biographie beleuchten.  [4

Zur Biographie vgl. die verdienstvolle Monografie von Klaus Eisele: Jan Wijnants (1631/32–1684): Ein niederländischer Maler der Ideallandschaft im Goldenen Jahrhundert, mit umfassendem Œuvrekatalog, Stuttgart 2000, bes. S. 1-19; vgl. auch Wolfgang Stechow: Dutch landscape painting of the seventeenth century, London 1966; Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts der SØR Rusche-Sammlung, Bd. 5: Stilleben und Tierstücke, hg. v. Hans-Joachim Raupp, Münster 2004, Nr. 60, S. 264f; Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts der SØR-Rusche-Sammlung, Bd. 3: Landschaften und Seestücke, hg. v. Hans-Joachim Raupp, Münster 2001, Nr. 78, S. 294f.
] Jan Wijnants wurde zwischen 1631 und 1632 als Sohn eines Haarlemer Kunsthändlers geboren. 1653 hielt er sich in Rotterdam auf. Seit 1660 lebte der katholische Maler in Amsterdam, wo er auch eine Gastwirtschaft betrieb, in der er ausweislich der Aussage eines Konkurrenten den »Wein so billig verkaufte, als wenn er ihn gestohlen hätte«.  [5
Eisele (wie Anm. 4), S. 3.
]
Auch nach seiner Heirat mit der ebenfalls katholischen Catharina van der Veer im Jahre 1661 blieben die Lebensverhältnisse unsicher. Am 23. Januar 1684 wurde Wijnants begraben. Er hinterließ eine Witwe und vier unmündige Kinder. Der spärlichen biographischen Überlieferung steht ein reiches Œuvre gegenüber. Und tatsächlich sind zahlreiche Werke von Jan Wijnants bis auf den heutigen Tag bewahrt geblieben, die seinen Namen lebendig halten. Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Cornelis Hofstede de Groot zusammengestellte kritische Katalog der Gemälde Wijnants umfasst 712 Nummern, wobei der Autor den Maler mit den Worten würdigt, er habe »immer Achtung, selten Bewunderung« erfahren.  [6
Eisele (wie Anm. 4), 103.
]
Das im Jahr 2000 durch Klaus Eisele publizierte kritische Werkverzeichnis verzeichnet immer noch 343 eigenhändige Gemälde, darüber hinaus 40 fragliche Bilder und 80 offene Zuschreibungen.  [7
Eisele (wie Anm. 4).
]
Wijnants’ Spezialität war die holländische Landschaft, wobei das Spektrum seiner Motive weit gespannt ist, es reicht von bäuerlichen Hütten in weiten Flachlandschaften zu Dünenbildern und waldigen Hügellandschaften.  [8
Zugrundegelegt sind hier die von Wolfgang Stechow (wie Anm. 4) angewandten Kategorien.
]
Doch blieben vor allem die landschaftlichen Motive seiner Heimatstadt Haarlem über die gesamte Karriere hin prägend, die schon von Houbraken und van Gool bewunderten, zumeist idealisierten »Sandhügeln und Dünenlandschaften«.  [9
Peter C. Sutton: Introduction, in: Masters of 17th-century Dutch landscape painting, hg. V. Peter C. Sutton, Ausstellungskatalog: Amsterdam, Rijksmuseum, 2. Oktober 1987 – 3. Januar 1988; Boston, Museum of Fine Arts, 3. Februar – 1. Mai 1988; Philadelphia Museum of Art, 5. Juni – 31. Juli 1988, S. 1-63, hier: S. 54.
]

<6>

Bezeichnend ist dabei die stete Wiederkehr der immer gleichen Kompositionsmuster, deren Modifikation und Variation für Wijnants Œuvre genauso typisch ist wie die Repetition des motivischen Repertoires.  [10

C. J. de Bruyn Kops, in: Ausstellungskatalog Amsterdam u.a. 1987 (wie Anm. 9), S. 525; Anke Repp-Eckert: Niederländische Landschaftsmalerei von 1580-1680, Bildhefte zur Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Köln 1989, S. 49.
] Ein typisches Beispiel dafür liefert die Dünenlandschaft mit abgestorbenem Baum aus der National Gallery in London (Abb. 1).  [11
Das Bild ist unten rechts signiert und wird ungefähr in die Jahre 1665-75 datiert. Vgl. Eisele (wie Anm. 4), Nr. 110, S. 142; HdG 222.
]
Zur Linken erhebt sich dort als Repoussoire ein abgestorbener Baum, an dessen Fuß neben abgebrochenen Ästen, frische grüne Pflanzen und zartes Schilf den Vordergrund beleben. Ein sandiger Weg führt tief in die weite Landschaft, der rechts von einer sandigen Düne mit begrüntem Kamm begrenzt wird. In der Ferne erheben sich, noch weit hinter einem durch die Silhouette einer Kirche angedeutetem Dorf, die sanften Hügel ferner Dünen. Der Weg ist von einem Reiter, Fußgängern und Hunden belebt, von denen einer mitten auf dem Weg seine Notdurft verrichtet.

Abb. 1: Jan Wijnants: Dünenlandschaft mit abgestorbenem Baum, Öl auf Eichenholz, 29 x 36,8 cm, National Gallery, London, Inv. 972.

<7>

Derartige Bilder erfreuten sich beim kunstsinnigen Publikum der Zeit größter Beliebtheit, da sie nicht nur die von den Zeitgenossen als schön erlebte und beschriebene Landschaft in der Umgebung Haarlems in ein stimmungsvolles Bild setzten, sondern auch, weil die gezeigten Motive einer belehrenden Deutung offenstanden.  [12

Grundlegend hierzu Hans Joachim Raupp: Zur Bedeutung von Thema und Symbol für die niederländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, 17, 1980, S. 85-110. Einen guten Überblick der emblematisch argumentierenden Literatur liefert Sergiusz Michalski: Die emblematische Bedeutung der Bleichen in den >Haarlempjes< des Jacob van Ruisdael, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, 31, 1992, S. 68-76.
] Man bewunderte die mimetische Qualität der malerischen Naturnachahmung, doch den heute selbstverständlichen Kunstgenuss aus rein ästhetischen oder gar psychologischen Motiven gab es zu Wijnants Zeiten noch nicht. Vielmehr galt es allgemein als künstlerisches Ziel, zum Vergnügen und zur Belehrung des Publikums beizutragen. In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts war die auf Horaz zurückgehende Forderung zum sprichwörtlichen Klischee geworden, dass ein Gemälde gleichermaßen zur Belehrung wie zum Vergnügen beizutragen habe. Dies »tot leering en vermaak« galt auch für eine Dünenlandschaft mit Reisenden, die dem gebildeten Betrachter reichlich Stoff zur interpretierenden Reflexion bot. So waren zum Beispiel der abgestorbene Baum am linken Bildrand und seine gebrochenen Äste ein den Zeitgenossen leicht verständliches Symbol der Vergänglichkeit, für das sich in der emblematischen Literatur zahlreiche Belege finden lassen. So bei Jacob Cats und Roemer Visscher, aber auch bei Jacobus à Bruck, wo das Motto »Nihil solidum« lautet, »nichts bleibt«.  [13
Jacobus à Bruck: Emblemata Moralia & Bellica, [Frankfurt] 1615, Nr. 6b. – Henkel / Schöne [Anm. 85], Sp. 150f. Vgl. auch Raupp (wie Anm. 12), S. 91f.
]
Der gestürzte Baum war aber nicht nur ein Bild des Todes schlechthin. Vielmehr konnte dieses Motiv auch eine moralisierende Begründung finden, wie etwa: Hochmut kommt vor dem Fall. Diese Idee spiegelt zum Beispiel die in den Niederlanden vielgelesene äsopische Fabel von der Eiche und dem Ried: Die hochmütige Eiche wird vom Sturm geknickt, während das bescheidene Schilf sich beugt und ungebrochen überlebt.  [14
Aisop. fab. (ed. Hausrath) 71.
]
Es ist in diesem Zusammenhang sicher kein Zufall, dass Wijnants direkt neben dem toten Baum Ried aufwachsen lässt. Bilder, wie sie der katholische Maler Wijnants schuf, kamen auch dem protestantischen Bildumgang entgegen und schienen zumal Calvinisten als besonders wünschenswert, da sie zur andächtigen Meditation über Gottes Schöpfung Anlass gaben.  [15
Eine umfassende Untersuchung zum protestantischen Umgang mit Bildern liegt leider bis heute nicht vor. Eine Einführung in die komplexe Problematik geben Peter W. Parshall: Kunst en reformatie in de Noordelijke Nederlanden – enkele gezichtspunten, in: Bulletin van het Rijksmuseum, 35, 1987, S. 164-175; R. P. Zijp: De iconografie van de reformatie in de Nederlanden, een begripsbepaling, ebd., S. 176-192; Zur Bilderfrage auch Werner Hofmann: Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion, in: Luther und die Folgen für die Kunst. Ausstellungskatalog: Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1983, S. 23-71.
]
Unter Verweis auf die Forderung, dass Kunst nicht nur erfreuen, sondern vor allem belehren solle, galten die Abbildungen der sichtbaren Welt als besonders würdiger Gegenstand, denn – so hieß es im niederländischen Glaubensbekenntnis – »die ganze sichtbare Welt gleicht einem schönen Buch, in dem alle Geschöpfe, große und kleine, die Buchstaben sind, die uns die nicht wahrnehmbaren Dinge Gottes zur Anschauung bringen«.  [16
»De geheele werelt is voor onsen ooghen als een schoon boeck, in welcken alle Creaturen, kleyne ende groote dienen, als letteren, om ons de onsienlicke dinghen Gods te doen aenmercken: te weten zijn eewighe kracht, ende Godheyt, ghelijck Paulus seydt [Rom. 1. V. 20].« Zitiert nach: A. van der Linde (Hg.): De Nederlandsche Geloofsbelijdenis. Naar den oorspronkelijken nederlandschen druk van 1562. Faksimile, Nijmegen 1865, fol. 10r. Zur calvinistischen Naturauffassung vgl. zusammenfassend Huigen Leeflang, in: Boudewijn Bakker/ Huigen Leeflang: Nederland naar t’leven: Landschapsprenten uit de Gouden Eeuw. Ausstellungskatalog: Rembrandthuis, Amsterdam 1993, S. 18-32.
]
Vor diesem Hintergrund wurde die von Wijnants gezeigte Reise auf der sandigen Landstraße, zumal vor der im Hintergrund gezeigten Kirche, zu einer den Zeitgenossen vertrauten Allegorie, die sich unmittelbar auf den menschlichen Lebensweg übertragen ließ.  [17
Vgl. Raupp (wie Anm. 12).
]
Da eine solche Belehrung vom gebildeten Kunstpublikum erwartet wurde, darf man sich kaum wundern, dass Wijnants den visuell kodierten Kanon sprechender Motive stetig wiederholte. Der tote Baum und das an seinem Fuß aufwachsende Gras oder Schilf begegnet deshalb auch in zahlreichen anderen Bildern.

Abb. 2: Jan Wijnants: Dünenlandschaft mit Teich, Öl auf Holz, 28,6 x 34,3 cm, Michaelis Collection, Kapstadt, Inv. 82.

<8>

Eine heute in Kapstadt bewahrte Dünenlandschaft mit Teich wiederholt nicht nur das wohlvertraute äsopische Fabelmotiv, sondern die gesamte kompositionelle Anlage des Londoner Bildes.  [18

Eisele (wie Anm. 4). Nr. 264, S. 182. HdG 638.
] Nur dass sich hier der Weg mit den Reisenden rechts über den Dünenkamm zieht, während sich im Mittelgrund ein Wasserlauf erstreckt, der wiederum zu unterschiedlichsten Deutungen Anlass geben mochte: Sind nicht alle Menschen »in der Hand des Herrn wie Wasser« (Prov 21, 1)?

<9>

Es begegnen aber nicht nur Wiederholungen einzelner Motive, sondern sogar getreue Kopien ganzer Bildkompositionen. So wurde zum Beispiel vor einigen Jahren bei Christie's in Amsterdam eine exakte Kopie des Londoner Bildes versteigert, die im Katalog einem Nachfolger des Jan Wijnants zugeschrieben wurde.  [19

»Follower of Jan Wijnants: Duinlandschap met wandelaars op een pad langs een groep bomen. Amsterdam“, Christie's, 2. September 2003, Losnr. 81, mit Farbabbildung. Vgl. URL: http://www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?from=searchresults&intObjectID=4137506&sid=410fa345-32df-43c7-9dac-5543c9220694. M. de Kinkelder vom KD merkt zu diesem Bild an: „mogelijk in zijn trant, maar wellicht een kopie naar een thans niet meer bekend voorbeeld.« Vgl. URL:http://www.rkd.nl/rkddb/dispatcher.aspx?action=search&database=ChoiceImages&search=priref=7738 (19.12.2010).
]

Abb. 3: Nachfolger des Jan Wijnants: Dünenlandschaft mit abgestorbenem Baum, Öl auf Holz, 29,7 x 36,3 cm, Privatbesitz.

Fraglos war auch dieses Gemälde im 17. Jahrhundert entstanden, das in seinen Abmessungen beinahe exakt dem Bild in London entspricht. Es liegt auch deshalb nahe, den Kopisten im unmittelbaren Werkstattumfeld Jan Wijnants’ zu suchen, oder ihm selbst auch die Kopien seiner eigenen Bilder zuzuschreiben. Wiederholungen der eigenen Bilder anzufertigen oder anfertigen zu lassen, war seinerzeit gängige Praxis. Das erweist ein Rechtsdokument aus Antwerpen, das sich der Maler Jacob Jordaens ausstellen ließ. Darin »sagte, erklärte und bestätigte« Jordaens, dass fünf Gemälde, die ein gewisser Martinus van Langenhoven vor zwei Jahren von ihm gekauft habe, »in jeder Weise mit seiner eigenen Hand gemalt, übermalt und verändert seien, unangesehen, dass diese von ihm, dem Antragsteller, im selben Sinn schon zuvor gemalt worden seien, nach welchem Entwurf auch die genannten Stücke ihren Anfang nahmen. Er, der Antragsteller, habe sich überlegt, dieselben kopieren zu lassen und dasjenige, was ihm, dem Antragsteller, im Vorhergehenden missfiel zu verbessern und zu korrigieren.«  [20

Nils Büttner: Herr P. P. Rubens: Von der Kunst, berühmt zu werden, Göttingen 2006, S. 208, Anm. 56.
] Er habe sie dabei alle verändert und mit eigener Hand gemalt, übermalt und neugemalt, und zwar dermaßen, dass er, der Antragsteller, sie für bedeutend hält, genauso gut wie seine anderen gewöhnlichen Werke, »heeft die veranderende alle met zyn eygen hant geschildert, overschildert ende herschildert, in der vuegen dat hy comparant die hout voor principalen, zoo goet als zyne andere ordinaere wercken«. Diese Stücke habe »er, der Antragsteller, zu Anfang begonnen. Ohne Arglist. Also ausgefertigt im Hause meines Notars in Gegenwart von Guilliam van Craesbeck, Meister der Münze seiner Majestät, und Caspar van Cantelbeck, Kaufmann, Einwohner dieser Stadt als Zeugen hierzu gerufen und erbeten.«  [21
Büttner (wie Anm. 57).
]
Jordaens hatte demnach gut verkäufliche Bilder kopieren lassen. Anschließend hatte er sie, ganz wie das auch für Rubens dokumentiert ist, mit einem Finish versehen, das es ihm angemessen erscheinen ließ, sie als ›eigenhändig‹ zu verkaufen.  [22
Vgl. auch Nils Büttner: Echtheitsfragen. Kunsthistorische Überlegungen zum Begriff des Originals in der Malerei der frühen Neuzeit, in: Echtheitskritik bei Bach. Bericht über das 5. Dortmunder Bach-Symposion 2004, hg. v. Reinmar Emans und Martin Geck, Dortmund 2008, S. 9-23.
]
Der skeptische Kunde erhielt als gerichtsfesten Beweis dieser Eigenhändigkeit eine notarielle Urkunde und war damit augenscheinlich zufrieden. Dass es sich bei den zur Rede stehenden Stücken nicht um neue Bilderfindungen handelte, scheint hingegen keine Rolle gespielt zu haben. Vermutlich ging es schlicht um die Preisdifferenz zwischen einer Gesellen- und einer Meisterarbeit, die in der Regel das Doppelte kostete.  [23
Ein weiteres Beispiel dafür referiert van den Branden: Geschiedenis der Antwerpsche Schilderschool (wie Anm. 34), S. 511 f., der von jenem Mechelner Auftrag berichtet, der auf der Basis einer Skizze von Rubens komplett durch dessen Lehrling Joost van Egmont ausgeführt wurde. »Er wird uitdrukkelijk verklaard, dat het schilderij geenszins aan den leerling, maar wel aan den Meester was besteld. Hij moest ze dus zelf komen malen. Rubens gaf tot antwoord, det hij, om aan al de bestellingen te kunnen voldoen, gewoon was slechts de schets te maken. Naar deze doodverfden en ontwikkelden zijne leerlingen de groote taferelen, aan welke hij zelf door de laatste penseelstreken hunnen vollen luister kwam bijsetten.«
]
Ein vergleichbares Zertifikat, in dem der offensichtlich geringe Eigenanteil des Meisters bei einem aus der Werkstatt hervorgegangenen Bild so explizit benannt würde, ließ sich für die nordniederländische Haarlemer Malerei des 17. Jahrhunderts bislang nicht auffinden. Doch erweisen im Fall von Jan Wijnants die erhaltenen zeitgenössischen Kopien seiner Bilder, dass es auch in Haarlem gängige Praxis war, sich selbst zu kopieren oder kopieren zu lassen. Denn sowohl aus den südlichen wie aus den nördlichen Provinzen der Niederlande ist für das 17. Jahrhundert die Praxis bezeugt, Bilder gleichsam seriell reproduzieren zu lassen.  [24
Hanns Floerke: Studien zur niederländischen Kunst- und Kulturgeschichte: Die Formen des Kunsthandels, das Atelier und die Sammler in den Niederlanden vom 15. – 18. Jahrhundert, München 1905, S. 95f.
]
Es war üblich, dass Maler andere Maler in Lohn nahmen, die für geringes Geld Bilder kopierten, die nicht selten Eingang in die Sammlung der Kunstkenner fanden. Im Wissen um diese gängige Praxis mahnte deshalb 1678 der Maler und Kunsttheoretiker Samuel van Hoogstraten, dass man besonders beim Beiwerk der Bilder gewärtig sein müsse, nicht die Hand des Meisters zu entdecken, sondern »die von Schülern und Neulingen oder von solchen, die da ein Handwerk von machen«.  [25
Samuel van Hoogstraeten: Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst: anders de zichtbaere werelt. Verdeelt in negen leerwinkels, yder bestiert door eene der zanggodinnen, Rotterdam 1678, Neudruck: [Utrecht] 1969, S. 76: »Zeker 't is onvermakelijk te hooren, als somtijts onweetende, doch verwaende lief hebbers, het beste deel in eenich stuk willende aenwijzen, iets zoo gemeens uitpikken, dat by den Meester schier als slapende, of ten minsten van zijn voornaemen arbeyt rustende, gemaekt is. Deeze dingen zijn by de ouden als overmaet of toegift tot het voornaemste werk geacht geweest, en wierden van hen Parerga genoemt; en zijn by groote Meesters gemeenlijk door de hand van jongers en aenkomelingen, of van de geene, die daer een handwerk van konden, gemaekt.«
]
Dafür, dass das Kopieren von Bildfindungen und malerischen Handschriften in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts gängige Praxis war, ist auch jener Prozess ein berühmtes Beispiel, in dem der Amsterdamer Kunsthändler Gerrit Uylenburgh 1672 die Echtheit der von ihm an den Kurfürsten von Brandenburg verkauften italienischen Gemälde beweisen lassen wollte, die auch von dem als Gutachter beigezogenen Jan Wijnants als minderwertige Kopien eingestuft wurden.  [26
Vgl. Eisele (wie Anm. 4), S. 3; Floerke (wie Anm. 24), S. 103-109; Abraham Bredius: Italiaansche schilderijen in 1672 door Amsterdamsche en Haagsche schilders beoordeeld, in: Oud Holland 34, 1886, S. 41-46.
]
Doch nicht alle Kopien mussten minderwertig sein und mancher Maler kopierte sich auch selbst, wie das wohl auch für Wijnants selbst anzunehmen ist.

<10>

So existiert beispielsweise von Wijnants Dünenlandschaft mit Jägern im Rijksmuseum Amsterdam eine beinahe exakte Kopie, die 1917 von der Kunsthandlung Goudsticker verkauft wurde.  [27

Eisele (wie Anm. 4), Nr. 108, S. 141f. HdG 213. Für die im Kunsthandel bezeugte Version vgl. Eisele, Nr. U16, S. 213f. HdG 214.
]

Abb. 4: Jan Wijnants: Dünenlandschaft mit Jägern, Öl auf Leinwand, 37 x 34 cm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. A490.

 

Abb. 5: Jan Wijnants (?): Dünenlandschaft mit Jägern, Öl auf Leinwand, 37 x 35cm, Kunsthandel Goudstikker, Amsterdam.

Es liegt nahe, für das Entstehen dieser zumeist exakt maßgleichen Wiederholungen kooperative Praktiken anzunehmen. So zum Beispiel, dass, wie für Jordaens bezeugt, Mitarbeiter oder Gehilfen derartige Arbeiten ausführten, die dann vom Meister vollendet und gegebenenfalls signiert wurden. Ein solches kooperatives Herstellungsverfahren, das dem bis heute wirksamen goethezeitlichen Ideal künstlerischer Produktion eines schöpferischen Genies zuwider läuft, war zu Wijnants Zeiten gängige Praxis.  [28

Zur kooperativen Praxis vgl. auch Franziska Siedler: Die Rezeption von kooperativen Arbeitsweisen niederländischer Künstler in Frankfurt am Main ab dem 17. Jahrhundert, in: Grenzüberschreitungen. Deutsch-Niederländischer Kunst- und Künstleraustausch im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Nils Büttner und Esther Meier (im Druck).
] So hat Wijnants auch die Staffage in seinen Bildern stets durch andere Maler anfertigen lassen, die für eine von den Sammlern der Zeit besonders geschätzte Belebung des landschaftlichen Raumes begabter waren, als er selbst. Einer dieser Maler war Adriaen van de Velde, von dem Houbraken zu berichten weiß, dass er Wijnants Schüler gewesen sei, eine Aussage, die man mit guten Gründen bezweifeln kann.  [29
Eisele (wie Anm. 4), S. 84-87; Zu van de Velde und Wijnants vgl. auch Marietta Frensemeier: Studien zu Adriaen van de Velde (1636 - 1672), Aachen 2001, S. 8f.
]
Sicher ist, dass van de Velde für Wijnants als Staffagemaler arbeitete, genau wie der heute nurmehr Eingeweihten bekannte Maler Dirck Wijntrack.  [30
Eisele (wie Anm. 4), S. 90-92.
]
Ein anderer Maler mit dem Wijnants regelmäßig zusammenarbeitete, war Johannes Lingelbach, wobei ihre Kooperation in seltenen Fällen auch durch eine doppelte Signatur ausgewiesen und bestätigt wird.  [31
C. J. de Bruyn Kops, in: Ausstellungskatalog Amsterdam u.a. 1987 (wie Anm. 9), S. 525f. Zur Zusammenarbeit mit Lingelbach auch Eisele (wie Anm. 4), S. 88-90.
]
Da beispielsweise eine Hügellandschaft 1661 von Jan Wijnants und erst drei Jahre später, 1664, von Lingelbach signiert wurde, ist zugleich dokumentiert, dass zwischen der Entstehung eines Bildes und seiner endgültigen Fertigstellung einige Zeit vergehen konnte.  [32
»A Hilly Landscape with Figures«; Aukt. London, Christie’s, 5. April 1963, Nr. 6.
]
In jedem Falle bedeutete die kunstvolle Staffage eine Wertsteigerung, denn eine Landschaft galt nur dann als wirklich schön, wenn sie sich dem menschlichen Aufenthalt erschlossen und von Menschen belebt war.  [33
Vgl. Raupp (wie Anm. 12), S. 93. Vgl. auch Nils Büttner: Pulchrum et utilitas – Naturverständnis und Welterfahrung in der frühen Neuzeit am Beispiel der »Granvella-Gärten«, in: Ausstellung Gärten und Höfe der Rubenszeit. Beiträge der Tagung im Gustav-Lübcke-Museum Hamm, 12. bis 14. Januar 2001, hg. v. Ursula Härting, Worms 2002, S. 26-34.
]
Auktionskataloge wiesen schon im 17. Jahrhundert regelmäßig darauf hin, dass die Staffage in einem namentlich zugewiesenen Landschaftsbild von einem anderen Maler ausgeführt wurde. Diese von den Sammlern so geschätzte kooperative Praxis brachte es mit sich, dass der Stil besonders geschätzter Staffagemaler von anderen, weniger angesehenen Malern nachgeahmt wurde. So ist zum Beispiel von dem Maler Jan van der Heyden bezeugt, dass er die Staffage in seinen Gemälden von Adriaen van de Velde ausführen ließ. Es gibt deshalb kaum ein Bild von ihm, in dem die Figuren nicht van de Veldes Handschrift zeigen und das, obwohl manche der Bilder vierzig Jahre nach dessen Tod entstanden.  [34
HdG, Bd. 4, S. 479.
]
Wie so etwas vor sich ging, dokumentiert Johan van Gool in seiner Vita des Malers Robert Griffier. Er habe nämlich gesehen, heißt es in der Nieuwe Schouburg, dass »Stücke von Ruisdael verkauft wurden, in die unser Griffier Staffagefiguren und Pferde gemalt hat, die so kunstvoll und täuschend nach denen von Wouwerman kopiert waren, dass sie von großen Liebhabern für Originale dieses Meisters angesehen und gekauft wurden.«  [35
»Ik heb stukken van Ruisdael zien verkopen, waer in onze GRIFFIER beelden en paerden geschildert had, die hy zo kunstig en bedrieglyk naer die van Wouwerman had gecopiëert, dat ze voor Origineelen van dien Meester van groote Liefhebbers wierden aengezien en gekocht.« Zitiert nach van Gool (wie Anm. 3), Bd. 2, S. 141.
]
Derartige Kopien schuf auch der Maler Roelant Roghman, von dem Arnold Houbraken 1721 schrieb, dass er »manchenteils seinen Pinsel nach dem Winde eigenen Vorteils ausrichtete, indem er mal nach der Art Rembrandts, mal wie Poelenburch und mal wie Ruisdael und andere malte, so dass seine Werke manchmal gar für echte Stücke dieser Meister verkauft worden sind«.  [36
Houbraken (wie Anm. 2), Bd. 3, Amsterdam 1721, S. 360: »Tusschen beide dient ook aangemerkt dat hy zig niet altyd by eene wyze van fchilderen gehouden heeft; maar zomwyl zyn penceel liet zwieren naar den wint van voordeel, dan eens op de wyze van Rembrant, dan eens op de wyze van Poelenburg, Ruisdaal en anderen, zoo dat zyn werken dikwils voor egte stukken van die meesters verkocht zyn geworden.«
]
Houbrakens Bericht dokumentiert einerseits, dass bestimmte Maler schon zu Lebzeiten kopiert und nachgeahmt wurden, zumindest solche, die auf dem Kunstmarkt hohe Preise erzielten. Zugleich gibt diese kurze Passage aber auch einen interessanten Hinweis darauf, dass es zu Beginn des 18. Jahrhunderts durchaus einen Unterschied machte, ob es sich um »echte Stücke« eines Meisters handelte, um »egte stukken«, oder um eine von jemandem anders angefertigte Kopie. Doch wie sah man das im 17. Jahrhundert?

<11>

Die überlieferten Inventare und Besitzverzeichnisse bezeugen, dass den damaligen Käufern und Besitzern das Motiv eines Bildes zumeist wichtiger war als sein Maler. Kaum zehn Prozent der Abertausende von Gemälden, die damals in Nachlassinventaren verzeichnet wurden, waren nämlich einem Künstler zugeschrieben. Blickt man nun auf die Bestände der heutigen Museen, sind es kaum zehn Prozent der Bestände, die ›nicht‹ einem Künstler zugeschrieben werden.  [37

Auf diese paradoxe Situation hat schon Gary Schwartz: Was den Sammlern ins Auge sprang: Nicht der Künstlername sondern das Motiv, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. März 1993, Nr. 67, nachdrücklich hingewiesen. Vgl. auch Büttner (wie Anm. 20), S. 116 f.
] Mit Blick auf diese Zahlen will es beinahe scheinen, als würden im Laufe der Jahre die Informationen über einzelne Bilder und ihre Maler nicht etwa immer spärlicher fließen, sondern im Gegenteil immer reicher. Dabei ist jedoch durchaus anzunehmen, dass es damals ja sogar noch leichter gewesen sein dürfte, ein Bild einem bestimmten Maler zuzuweisen, als es das heute ist. Es lässt sich daraus also unschwer der Schluss ableiten, dass man sich für diese spezielle Information im Allgemeinen nicht in dem Maße interessierte, wie man dies heute tut. Einen eindringlichen Beleg dafür findet man in der Tatsache, dass etliche heute als Meisterwerke bestimmter Maler gepriesene Gemälde im 17. Jahrhundert und teils lange darüber hinaus als anonyme Schöpfungen galten oder mit den Namen anderer Meister versehen in Galerien und Sammlungen hingen.  [38
Ein herausragendes Beispiel dafür ist der heute Peter Paul Rubens zugeschriebene Bethlehemitische Kindermord (Öl auf Holz, 142x182 cm), der am 10. Juli 2002 bei Sotheby’s in London inklusive Aufgeld für 49,5 Million englische Pfund, umgerechnet ca. 77 Million Euro, versteigert wurde und der vorher als drittklassige Kopie des Rubens-Schülers Jan van den Hoecke (1611–1651) galt und deshalb als fast wertlos angesehen wurde. Jahrzehntelang wurde das Bild beinahe unbeachtet durch den Kunsthandel gereicht und als Dauerleihgabe in ein österreichisches Kloster abgeschoben, bis Sotheby’s es als unzweifelhaft authentischen Rubens deklarierte und für einen Auktionsrekord sorgte.
]
Dass die Namen der Künstler damals teilweise nicht verzeichnet und tradiert wurden, hatte seinen Grund vermutlich weniger in der Tatsache, dass man die vollständige Eigenhändigkeit der Werke bezweifelt hätte. Vielmehr war man vermutlich schlechterdings nicht in dem Maße an der Person des Künstlers interessiert, wie das heute der Fall ist. Es steht außer Frage, dass die Herstellungspraxis, die Marktbedingungen und die zu Lebzeiten der Maler noch anders gelagerten Interessen für eine Überlieferungssituation sorgen, die einer sicheren Zuschreibung eines Bildes an einen bestimmten Maler im Wege stehen. Doch gerade im Falle Wijnants ist hier zu verhältnismäßig sicheren Zuschreibungen zu kommen, da seine zumeist signierten Bilder wegen ihrer verhältnismäßig moderaten Preise für außerhalb der Werkstatt tätige Kopisten zu seinen Lebzeiten weit weniger interessant waren, als etwa Werke von Rembrandt, Poelenburch oder Ruisdael.  [39
Zu den Preisen von Wijnants im Vergleich vgl. Eisele (wie Anm. 4), S. 21-24.
]
Vor diesem Hintergrund leisten vor allem die Methoden und Ergebnisse der Kunsttechnologie einen gewichtigen Beitrag für die Zuschreibung von Gemälden, mit deren Hilfe es möglich ist, die Entstehungszeit eines Bildes über die vage stilistische Einordnung hinaus genauer zu bestimmen.

<12>

Exemplarisch sei hier eine in Öl auf Eichenholz ausgeführte Landschaft mit Herde angeführt, die unten rechts mit dem Namenszug versehen wurde und die hier Jan Wijnants zugeschrieben werden soll.  [40

Eisele (wie Anm. 4), Kat. D16, S. 203f., führt das Bild unter den zweifelhaften Werken und merkt an: »Zum Bild bestand Gutachten von Friedländer, gleichwohl erscheint es fraglich, ob es von Wijnants ist.« HdG 423. Provenienz: C. G. Baerle aus Utrecht u. A. in Amsterdam am 24.5.1921, Nr. 61; Bei der Versteigerung des Gemäldes im Jahr 1976 in Stuttgart (Nagel 252) lag ein Gutachten von Max J. Friedländer vor, das die Zuschrift Jan Wijnants bestätigt.
] Ein erdiger Weg mit Wagenradspuren, auf dem sich eine Figurengruppe mit Tieren befindet, grenzt auf der linken Bildhälfte an eine Dünenlandschaft mit Bäumen. Die rechte Seite wird von zwei hochragenden, knorrigen Bäumen dominiert. Im Hintergrund sind eine Kirchturmspitze und Hausdächer und eine bläuliche Hügellandschaft zu erkennen. Darüber wölbt sich ein blauer Himmel mit hoch aufgetürmten Wolken.

Abb. 6: Jan Wijnants: Landschaft mit Herde, Öl auf Eichenholz, 41,5 cm x 54,2 cm, Privatbesitz.

Das bemerkenswerte Gemälde wurde in Stuttgart am Institut für Technologie der Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste mittels Stereomikroskopie, Infrarotreflektographie (IR), Ultraviolett (UV) Fluoreszenz, Röntgenstrahlung und Pigmentanalysen kunsttechnologisch untersucht.  [41

Die von Christine Dörr durchgeführte Untersuchung wurde von Professor Volker Schaible betreut. Für Ihre Unterstützung gilt an dieser Stelle Professor Dr. Christoph Krekel und Peter Vogel besonderer Dank.
] Ziel der Untersuchung war es, die verwendeten Werkstoffe und deren Verarbeitung zu identifizieren und zu beschreiben sowie eine zeitliche und lokale Einordnung vorzunehmen. Der kunsthistorische Befund ging vor allem von einem Vergleich mit gesicherten Werken Wijnants’ aus. Motivisch und kompositionell ist die Landschaft mit Herde der Londoner Dünenlandschaft mit abgestorbenem Baum eng verwandt. Auf den ersten Blick scheint die kompositorische Anlage dieser Dünenlandschaft gleichsam gespiegelt, wobei sich die beiden Bilder in zahlreichen Details unterscheiden, die für die jeweils verschiedene Bildstimmungen verantwortlich sind. Im Londoner Gemälde hat der hochragende knorrige Baum im linken Vordergrund durch seine Größe und Beleuchtung eine wesentlich dominantere Rolle, als in der Landschaft mit Herde. Bei letzterem nimmt vor allem die sandige Dünenlandschaft einen flächenmäßig größeren Bereich der Darstellung ein. Ein Wanderer sitzt mit seinem Hund im Schatten der Dünen am Wegrand. Auch die Staffage unterscheidet sich sowohl in den Motiven wie in der malerischen Durchführung. Die Bildstimmung bei beiden Gemälden unterscheidet sich aber vor allem durch die Beleuchtung und die unterschiedliche Darstellungsgröße der Motive. Dennoch sprechen gerade die motivischen Übereinstimmungen für eine Zuschreibung an Wijnants.  [42
C. J. de Bruyn Kops: Jan Wijnants, in: Master of 17th-Century Dutch Landscape Painting, Ausstellungskatalog Rijksmuseum, Amsterdam und Museum of Fine Arts, Boston und Philadelphia Museum of Art 1987, S. 523-525.
]

<13>

Der Bildträger des Gemäldes Landschaft mit Herde besteht aus zwei auf Stoß zusammengeleimten Eichenholztafeln. Sowohl die Holzart als auch die Konstruktion und die Bearbeitungsweise des Bildträgers sind typisch für das niederländische 17. Jahrhundert.  [43

Jo Kirby: The Painter’s Trade in the seventeenth century. Theory and Practise, in: National Gallery Technical Bulletin 20, London 1999, S. 5-49, hier: S. 17.
] Die Bildgröße entspricht einem damals üblichen Tafelformat. Formatbezeichnungen von Rahmen und Holztafeln sind durch historische Kaufmanns- und Händlerlisten als Materialwert (Münzwert) bekannt.  [44
Cornelia Peres: Materialkunde, wirtschaftliche und soziale Aspekte zur Gemäldeherstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2, 1988, S. 263-296, hier: S. 269.
]
Eine 55 x 40 cm große Holztafel wurde im damaligen Maß 1,9 x 1,3 Fuß-Daumen mit drei groote stooter (1 stooter = 2,5 stuiver) gehandelt.  [45
Peres (wie Anm. 44), S. 268ff., S. 287.
]
Abweichungen von Standardgrößen sind dadurch erklärbar, dass jede niederländische Stadt ihr eigenes Daumenmaß hatte und so Unterschiede von Stadt zu Stadt entstanden. Der Künstler bestimmte mit der Wahl seiner Darstellung, welche Seite der Holztafel als Höhe oder Breite verwendet wurde. Landschaften sind in der Regel auf querformatige Tafeln mit horizontal verlaufenden Fasern gemalt.  [46
Peres (wie Anm. 44), S. 269.
]
Gemäß den damaligen Gildevorschriften ist der Bildträger des Gemäldes Landschaft mit Herde aus qualitativ hochwertigen, radial geschnittenen Brettern mit senkrecht stehenden Jahrringen gefertigt. Die heutige geringe Verwölbung des Holzes ist auf die einseitige Bemalung der Kernholzbretter zurückzuführen. Zu vermuten ist, dass die Holztafel während der Herstellung mit heißem Leinöl getränkt wurde.  [47
Volker Schaible: unveröffentlichtes Skript zur Vorlesungsreihe Werkstoffkunde Holz an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2007/2008.
]
Ein weiterer Anstrich, der heute unregelmäßig in einem dunkleren Farbton aufliegt, kam vermutlich später hinzu.

Abb. 7: Gesamtaufnahme der Rückseite im ausgerahmten Zustand.

<14>

Auf der Tafelrückseite lassen sich Bearbeitungsspuren entdecken. Mit leicht gerundetem Hobelmesser (Schropphobel) sind die auf Stoß verleimten Bretter geglättet und anschließend an allen Seiten abgefast. Die Stärke der Tafel ist in der Mitte dicker (1,1 cm) und verjüngt sich zum Rand (0,7 cm) hin, was in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts gängige Praxis war.  [48

Peres (wie Anm. 44), S. 269.
] Auf der Rückseite des oberen Eichenholzbretts befindet sich ein geometrisches Linienmuster. Das Muster ist mit einem scharfen, spitzen Werkzeug mit Hilfe eines Lineals ins Holz geritzt. Durch weitere Verarbeitungsgänge, wie Behobeln der Bretter, wurde die Ritzung angeschnitten und ist deshalb heute nur schwer erkennbar.

Abb. 8: Detailaufnahme der Holztafelrückseite (Ritzung) im Streiflicht.

Ähnliche Linienmuster sind typisch für Eichenhölzer, die bis 1650 aus dem baltischen Raum in die Niederlande und in die norddeutschen Städte importiert wurden, so genannte Wagenschott-Bretter.  [49

Kirby (wie Anm. 43), S. 17, sowie Michael Rief: Eingekerbte Hausmarken auf baltischen Wagenschott-Brettern des 14.-16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2, 2006, S. 309-324.
] Generell werden geritzte oder eingekerbte Muster auf Holztafelrückseiten in der Kunsttechnologie Hausmarken oder Hauszeichen genannt.  [50
Rief (wie Anm. 49), S. 311.
]
Die Hausmarken kennzeichneten die gehandelten Güter und besaßen anstelle von Unterschriften volle Rechtsverbindlichkeit. Derartige Marken können von verschiedenen Etappen der Holzproduktion und des Handels herrühren. Sie können einerseits Marken des Holzproduzenten und Lieferanten sein, oder aber Qualitätsmarken darstellen (Barkerzeichen). Tafelmacher in den Niederlanden waren zumeist gemeinsam mit den Malern in der St. Lukas-Gilde organisiert. Aus Qualitätsgründen wurden alle Tafeln vor dem Verkauf inspiziert und von einer Gildeaufsicht markiert. Die zumeist eingebrannten Marken aus der Stadt Antwerpen sind bekannt und in der Fachliteratur als Brandmarken oder -stempel publiziert.  [51
Malgorzata Schuster-Gawlowska: Studia i materialy. Wydzialu konserwacji dziel sztuki akademii sztuk pieknych w krakowie, Kraukau 1992, sowie Jørgen Wadum: The Antwerp Brand on Paintings on Panel, in: Looking through Paintings, the study of paintings techniques and materials in support of art historical research, Schoten 1998, S. 179-198.
]
Seit 1617 gab es in Antwerpen die zusätzliche Verordnung, dass die Hersteller von Holztafeln und Rahmen selbst mit einer persönlichen Marke ihre Produkte kennzeichnen mussten.  [52
Kirby (wie Anm. 43), S. 19ff.
]
Aus Listen aus den Jahren 1560 und 1617 sind Initialen, wie beispielsweise »MV« vom namentlich bekannten Tafelmacher Michiel Vriendts, erhaltenen. Über damalige Tafelmacherzeichen aus Haarlem und Amsterdam aus der Schaffensperiode von Wijnants haben sich derartige Listen leider nicht erhalten. Allerdings ähnelt die rückseitige Ritzung einer litauischen Holzhändlermarke, die für die Zeit um 1560 durch ein Kaufmannsbuch dokumentiert ist.  [53
Rief (wie Anm. 49), S. 313 (Abb. 9).
]

Abb. 9: Beispiel einer Auflistung litauischer Marken in einem Kaufmannsbuch um 1560, Stadtarchiv Münster.

<15>

Im 17. Jahrhundert wurden von den Malern häufig vorgrundierte Holztafeln gekauft. Der Erwähnung eines eigenen Berufstands für Grundierungsarbeiten auf hölzernen und textilen Bildträgern begegnet man sowohl im Zusammenhang mit der St. Lukas-Gilde in Leiden und Haarlem, wie auch bei Karel van Mander.  [54

Peres (wie Anm. 44), S. 276.
] In den Gildebüchern wird diese Berufsgruppe »plamuurders« und »makers van geplamuurde doeken en panelen« genannt. Es bleibt unklar, ob das Gemälde Landschaft mit Herde auf eine bereits vorgrundierte oder vom Künstler selbst grundierte Holztafel gemalt wurde. Die Grundierung ist komplett von der darauf liegenden Malerei bedeckt. Lediglich im Röntgenbild kann man erkennen, dass die Holzmaserung mit einer bleiweißhaltigen Ölgrundierung gefüllt ist. Der Grundierungsauftrag ist auf Grund der starken Craqueléausbildung in der dünnen Malschicht dick einzuschätzen. Auch wenn die niederländischen Eichenholztafeln in der Literatur als sehr dünn grundiert beschrieben sind.  [55
Peres (wie Anm. 44), S. 276 und Kirby (wie Anm. 43), S. 27 sowie Nico van Hout: Meaning and Development of the Ground-layer in Seventeenth Century Paintings, in: Looking Through Paintings. The study of paintings techniques and materials in support of art historical research, Schoten 1998, S. 199-225, hier: S. 204.
]
Die Oberfläche der Grundierung ist, nach Beschreibungen, wohl mit einem Grundiermesser geglättet.  [56
Kirby (wie Anm. 43), S. 27.
]
Darauf ist eine opake, farbige Imprimitur angelegt. Der Landschaftsbereich in der unteren Hälfte des Gemäldes ist in einem dunkleren Grau-Blau, der Himmelbereich dagegen in einem Hellgrau getönt. Mittels Infrarotreflektographie (IR) und Untersuchungen mit dem Stereomikroskop ergeben sich keine Hinweise auf eine zeichnerische Kompositionsplanung.

 

Abb. 10: Detailaufnahme einer Fehlstelle in der Malerei mit Sicht auf die dunkelgraue Imprimitur (Markierung mit rotem Pfeil, Skala 1 mm).

<16>

In der Literatur finden sich zum Grundierungsaufbau einige Vergleichsbeispiele, die in diesem Zusammenhang ergänzend erwähnt werden sollen. Im De Mayerne- Manuskript von 1620 wird beispielsweise eine speziell für Holz erwähnte Grundierung aus klassischem Leim-Kreide-Grund empfohlen. Darauf folgt eine mit Sikkativen (Erden und Bleipigmente) versetzte Ölschicht, die gleichzeitig eine farbige Imprimitur darstellt.  [57

Gudrun Bischoff: Das De Mayerne-Manuskript. Die Rezepte der Werkstoffe, Maltechniken und Gemälderestaurierung, Diplomarbeit am Institut für Technologie der Malerei, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2002, S. 216.
] Eine ähnliche Grundierungstechnik wird 1692 von Wilhelmus Beurs aus Amsterdam beschrieben, der ebenfalls eine Grundierung aus Kreide-Leim empfiehlt, um die Holzmaserung zu bedecken.  [58
Van Hout 1998 (wie Anm. 55), S. 210, zitiert aus Wilhelmus Beurs: De Groote Waereld in’t Kleen geschildert, Amsterdam 1692, S. 19f.
]
Bei Landschaftsdarstellungen soll anschließend eine ölhaltige Imprimitur mit Schwarzpigmenten und Bleiweiß folgen.  [59
Peres (wie Anm. 44), S. 278, erwähnt für die Niederlande des 17. Jahrhunderts die Verwendung von weißen Kreide-Leim-Gründen, die mit öl- und bleiweißhaltigen, ein- bis mehrschichtigen Isolierungen bedeckt sind. Der Isolierschicht werden Pigmente hinzugemischt, um das reflektierende Weiß zu brechen. Peres beschreibt für die Wahl einer farbigen Unterlage in den Aufbau der Malschicht einen Farbton, der von gelbbraun bis graubraun variiert.
]
Auf diese Grundierung erfolgt der mehrschichtige, jedoch allgemein dünne Auftrag von Ölfarbschichten. In der Regel wurde dabei »im allgemeinen eher Leinöl [als Bindemittel] gebraucht, da es genug Flachsanbaugebiete gab«.  [60
Peres (wie Anm. 44), S. 283.
]
In der Landschaft mit Herde ist auf Grund von Überlappungen an den Grenzflächen eine Chronologie der Farbaufträge erkennbar. Nach dem Farbauftrag des hellblauen Himmels mit Bleiweiß und dem Farbstoff Indigo folgt der Farbauftrag der Landschaftsdarstellung im Vordergrund. Einzelmotive sind zunächst in einem Grundton tupfend mit einem trockenen Pinsel form- und farbgebend angelegt. Diese Aufträge sind meist einfarbig und sind in der Malerei durch Aussparungen als Halbschattentöne sichtbar. So ist der hochragende Baumstamm mit braunem Ocker unterlegt. Das Laub der Bäume auf der linken Seite des Gemäldes ist dünn und frottierend in verschiedenen grünen Farbtönen untermalt. Die Grüntöne setzen sich dabei hauptsächlich aus Ausmischungen mit blauen, gelben und braunen Pigmenten und Farbstoffen zusammen. Der Grundton der im Vordergrund liegenden sandigen Dünen dagegen besteht aus der grau-blauen Imprimitur. Auf die angetrocknete Untermalung folgen in lasierenden, mehrschichtigen Farbaufträgen dunkle Schattentöne und helle Lichtpunkte. Häufig ist der Farbauftrag mit einem trockenen Pinsel verrieben, so dass die graue Imprimitur oder der frottierende Grundton durch die dünne Malerei scheint. Einzelne Blätter in den Laubbäumen, Pflanzen und Bäume im Vorder- und Hintergrund sowie die gesamte Figurengruppe sind nass in nass im Zuge des Malprozesses aufgetragen. Die Auftragsart ist sehr gleichmäßig und homogen. Trotz des geringen Reliefs ist der Pinselduktus gut zu erkennen. Die Pinselführung richtet sich nach den dargestellten Motiven. So sind beispielsweise die Wolken geschwungen und mit überkreuzten Pinselstrichen ausgeführt. Die Malerei ist – typisch für die damalige Maltechnik – ökonomisch, aber dennoch sehr detailliert ausgeführt.  [61
Bischoff (wie Anm. 57), S. 224f. Wenn man das De Mayerne-Manuskript heranzieht, ähneln die dort beschriebenen praktischen Malanweisungen und die Informationen über die zu verwendeten Pigmente stark der Umsetzung der Malerei im Gemälde Landschaft mit Herde.
]

<17>

Mit Hilfe von Elementanalysen und mikrochemischen Nachweismethoden konnten der Farbstoff Indigo und zwei Pigmente (Bleiweiß, brauner Ocker) nachgewiesen werden, die in der Malerei des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden verwendet wurden. Der wasserunlösliche Küpenfarbstoff Indigo erscheint in Öl nahezu schwarz und erhält durch das Ausmischen mit Bleiweiß seine blaue, deckende Farbe.  [62

Volker Schaible: Unveröffentlichtes Skript zur Vorlesungsreihe Werkstoffkunde Pigmente an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2009.
] Im Vergleich zu anderen Farbstoffen ist Indigo lichtbeständig. Indigo kommt vor allem in Mischgrün (mit Ockergelb oder Schüttgelb) und als Smaltezusatz in Malereien des 17. Jahrhunderts vor.  [63
Kirby (wie Anm. 43), S. 30 und Manfred Koller: Das Staffeleibild der Neuzeit, in: Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken 1, 2. Auflage, Stuttgart 1988, S. 332-380, hier S. 367.
]
Im Gemälde Landschaft mit Herde ist die gesamte blaue Himmelpartie mit Indigo und Bleiweiß ausgemischt. Bleiweiß zählt bis 1835 als einziges Weißpigment in der Staffeleimalerei. Das giftige Pigment ist in Öl trocknungsfördernd. Für die Produktion und Anwendung der holländischen Malerei können zwei Bleiweißsorten unterschieden werden. Eine reine, teuere Sorte »schelpwit« und eine billigere mit der Bezeichnung »loddwit«, welche mit Kreide verschnitten ist.  [64
Koller (wie Anm. 63), S. 365.
]
Bei der Weißprobe in der Malerei Landschaft mit Herde konnte die reine Bleiweiß-Sorte ohne Verschnittmittel identifiziert werden.

Abb. 11: Detailaufnahme der Signatur.

<18>

Das Gemälde ist unten rechts mit dem vollen Namenszug »Wijnants« bezeichnet. Der Schriftzug ist 0,4 cm hoch und 1,3 cm breit. Die heute leicht beriebene Signatur »Wijnants« ist, trotz farblicher Integration in die Malerei, unter dem Stereomikroskop gut lesbar. Beriebene Buchstaben, wie das »ts« am Ende der Signatur, können rekonstruiert werden. Die Farbigkeit des Schriftzugs ist vergleichbar mit vorkommenden Farbtönen in der Malerei. Der lasierende Auftrag der Signatur mit einem feinen Pinsel erfolgt im Zuge des Malprozesses auf die angetrocknete Farbschicht. Die Signatur ist keine spätere Ergänzung, sondern ein gewichtiges Indiz dafür, diese Komposition Jan Wijnants zuzuschreiben.  [65

Die von Klaus Eisele (wie Anm. 4) weit vor der gründlichen technologischen Untersuchung vorgenommene Einordnung des Bildes in die Gruppe jener Bilder, »deren Authentizität mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist« (S. 109), kann zugunsten einer Einordnung in die Gruppe der authentischen Werke aufgegeben werden.
] Dafür spricht auch die freie Variation des bekannten Motivrepertoires. Der aus dem Londoner Gemälde vertraute tote Baum erscheint gespiegelt, genauso der Dünenabbruch, der von Wijnants auch in zahlreichen anderen Bildern variiert wird. Im Zusammenspiel mit der kunsttechnologischen Einordnung des Bildes in Wijnants’ Zeit wird gerade diese motivische Nähe, die den Verdacht genährt haben mag, es handele sich bei der Landschaft mit Herde um eine freie Kopie, zu einem starken Indiz für die Zuweisung an Wijnants. Das Bild fügt sich fraglos in sein Œuvre und dürfte im 17. Jahrhundert als Arbeit von seiner Hand die Werkstatt verlassen haben. Dabei ist es zugleich ein so bemerkenswertes wie typisches Zeugnis der Kunst einer Zeit, in der es gängige Praxis war, sich selbst zu kopieren und kopieren zu lassen.



[1] 1 Roeland van Eynden und van der Adriaan Willigen: Geschiedenis der vaderlandsche schilderkunst sedert de helft der XVIII eeuw, Bd. 1, Haarlem 1816, S. 120-122: »JAN WIJNANDS is een zoo uitmuntend Landschapschilder uit de Hollandsche school, en wiens werken zoo algemeen bekend zijn, dat men 'er zich zeer over verwonderen moet, dat Houbraken van hem geen ander maakt, dan alleen, dat hij de leermeester van Adriaan Van De Velde geweest is. Anderen hebben ook Philip Wouwerman als een' leerling van Wijnands opgegeven, en zeker is het, dat men in de werken van Wouwerman de kunstige verbeelding van zandheuvelen en duingronden, waarin Wijnands bijzonder uitmunt, niet kan miskennen, dan zij waren beide Haarlemmers en hebben de natuur in de omstreken hunner geboortestad bestudeerd. De geboortetijd van Wijnands wordt door sommigen bepaald omtrent het jaar 1600 geweest te zijn: het komt ons echter niet waarschijnlijk voor, alzoo hij in het Schilders Gildeboek, te Haarlem, wordt gevonden ingeschreven te zijn in het jaar 1677. Wijnands mag, met regt, worden gerangschikt onder de verdienstelijkste Landschapschilders, die uit de Nederlandsche school voortgekomen zijn. Op zijne Tafereelen vindt men eene verstandige en bevallige verdeeling van licht en schaduw; heldere luchten, waarin de wolken als drijven, wijkende verschieten; brokkelachtige gronden; breede zandheuvels; schoone boomen en malsche planten, die tusschen gevelde boomstammen welig opschieten of dezelve ten deele bedekken.«

[2] Arnold Houbraken: De Groote Schouburgh der Nederlantsche Konstschilders en Schilderessen, 3 Bde., Amsterdam 1718–1721, hier: Bd. 3, S. 90: »Maar alzoo hy zig niet geneigt vond het Konstspoor van zyn Vader of Broeder, te weten het Scheepschilderen in te slaan, vond men goed hem te bestellen by Jan Wynants. En het is opmerkelyk; dat wanneer aan Wynants vertoont wierd 't geen hy by zig zelven al geteekent en geschilderd had, deszelfs Vrouw dit mee beziende, tot haar Man, hem kloppende op zyn schouder zeide: ›Wynants uw Meester is geboren‹, gelyk ook de tyd deze voorzegging bewaarheit heeft.«

[3] Johan van Gool: De Nieuwe Schouburg Der Nederlantsche Kunstschilders En Schilderessen: Waer in de Levens- en Kunstbedryven der tans levende en reets overleedene Schilders, di van Houbraken, noch eenig an der Schryver, zyn aengeteekend, verhaelt worden, 2 Bde., Den Haag 1750-1751, hier: Bd. 2, S. 90f.: »Het zelve lot (des Vergessen werdens) is den fraejen Lantschapschilder J. Wynants te beurt gevallen, niet tegenstaende zyne Penseelkunst, uo lang als my mag heugen, om deszelfs natuurlyke aenlokkelykheit en fixe behandeling, van Liefhebbers gelieft en gezocht is geweest, en niet zonder reden, want zyne Lantschappen vertonen, zo in voor- als achtergronden, en alles wat ’er in voorkomt, een geestige natuurlykheit, die by niemant beter te vinden is; veele zyn fraei gestoffeert van Wouwerman en Adriaen van de Velden, het geen ons zynen leeftyt niet duister te kennen geeft; zo dat ’er, by Houbrakens tyt, noch wel Liefhebbers kunnen geleeft hebben, daer hy zekerlyk by bekent geweest is; en evenwel is hy in de pen gebleven, benevens zyn Tytgenoot Hobbema, die mede uitgemunt heeft in ’t schilderen van moderne Lantschappen, die almê door ’t vleiënt Kunstpeseel van Adriaen vande Velden, met beeltjes en beestjes geestig versiert zyn; insgeliyks een ontegenzeggelyk bewys, dat hy in die zelve tyt gebloeit heeft. Dit is ’t ook al, dat ik van deze Kunstenaers kann opgeven, die alleenig door hunne kunstwerken vereewigt blyven.«

[4] Zur Biographie vgl. die verdienstvolle Monografie von Klaus Eisele: Jan Wijnants (1631/32–1684): Ein niederländischer Maler der Ideallandschaft im Goldenen Jahrhundert, mit umfassendem Œuvrekatalog, Stuttgart 2000, bes. S. 1-19; vgl. auch Wolfgang Stechow: Dutch landscape painting of the seventeenth century, London 1966; Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts der SØR Rusche-Sammlung, Bd. 5: Stilleben und Tierstücke, hg. v. Hans-Joachim Raupp, Münster 2004, Nr. 60, S. 264f; Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts der SØR-Rusche-Sammlung, Bd. 3: Landschaften und Seestücke, hg. v. Hans-Joachim Raupp, Münster 2001, Nr. 78, S. 294f.

[5] Eisele (wie Anm. 4), S. 3.

[6] Eisele (wie Anm. 4), 103.

[7] Eisele (wie Anm. 4).

[8] Zugrundegelegt sind hier die von Wolfgang Stechow (wie Anm. 4) angewandten Kategorien.

[9] Peter C. Sutton: Introduction, in: Masters of 17th-century Dutch landscape painting, hg. V. Peter C. Sutton, Ausstellungskatalog: Amsterdam, Rijksmuseum, 2. Oktober 1987 – 3. Januar 1988; Boston, Museum of Fine Arts, 3. Februar – 1. Mai 1988; Philadelphia Museum of Art, 5. Juni – 31. Juli 1988, S. 1-63, hier: S. 54.

[10] C. J. de Bruyn Kops, in: Ausstellungskatalog Amsterdam u.a. 1987 (wie Anm. 9), S. 525; Anke Repp-Eckert: Niederländische Landschaftsmalerei von 1580-1680, Bildhefte zur Sammlung, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Köln 1989, S. 49.

[11] Das Bild ist unten rechts signiert und wird ungefähr in die Jahre 1665-75 datiert. Vgl. Eisele (wie Anm. 4), Nr. 110, S. 142; HdG 222.

[12] Grundlegend hierzu Hans Joachim Raupp: Zur Bedeutung von Thema und Symbol für die niederländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, 17, 1980, S. 85-110. Einen guten Überblick der emblematisch argumentierenden Literatur liefert Sergiusz Michalski: Die emblematische Bedeutung der Bleichen in den >Haarlempjes< des Jacob van Ruisdael, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte, 31, 1992, S. 68-76.

[13] Jacobus à Bruck: Emblemata Moralia & Bellica, [Frankfurt] 1615, Nr. 6b. – Henkel / Schöne [Anm. 85], Sp. 150f. Vgl. auch Raupp (wie Anm. 12), S. 91f.

[14] Aisop. fab. (ed. Hausrath) 71.

[15] Eine umfassende Untersuchung zum protestantischen Umgang mit Bildern liegt leider bis heute nicht vor. Eine Einführung in die komplexe Problematik geben Peter W. Parshall: Kunst en reformatie in de Noordelijke Nederlanden – enkele gezichtspunten, in: Bulletin van het Rijksmuseum, 35, 1987, S. 164-175; R. P. Zijp: De iconografie van de reformatie in de Nederlanden, een begripsbepaling, ebd., S. 176-192; Zur Bilderfrage auch Werner Hofmann: Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion, in: Luther und die Folgen für die Kunst. Ausstellungskatalog: Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1983, S. 23-71.

[16] »De geheele werelt is voor onsen ooghen als een schoon boeck, in welcken alle Creaturen, kleyne ende groote dienen, als letteren, om ons de onsienlicke dinghen Gods te doen aenmercken: te weten zijn eewighe kracht, ende Godheyt, ghelijck Paulus seydt [Rom. 1. V. 20].« Zitiert nach: A. van der Linde (Hg.): De Nederlandsche Geloofsbelijdenis. Naar den oorspronkelijken nederlandschen druk van 1562. Faksimile, Nijmegen 1865, fol. 10r. Zur calvinistischen Naturauffassung vgl. zusammenfassend Huigen Leeflang, in: Boudewijn Bakker/ Huigen Leeflang: Nederland naar t’leven: Landschapsprenten uit de Gouden Eeuw. Ausstellungskatalog: Rembrandthuis, Amsterdam 1993, S. 18-32.

[17] Vgl. Raupp (wie Anm. 12).

[18] Eisele (wie Anm. 4). Nr. 264, S. 182. HdG 638.

[19] »Follower of Jan Wijnants: Duinlandschap met wandelaars op een pad langs een groep bomen. Amsterdam“, Christie's, 2. September 2003, Losnr. 81, mit Farbabbildung. Vgl. URL: http://www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?from=searchresults&intObjectID=4137506&sid=410fa345-32df-43c7-9dac-5543c9220694. M. de Kinkelder vom KD merkt zu diesem Bild an: „mogelijk in zijn trant, maar wellicht een kopie naar een thans niet meer bekend voorbeeld.« Vgl. URL:http://www.rkd.nl/rkddb/dispatcher.aspx?action=search&database=ChoiceImages&search=priref=7738 (19.12.2010).

[20] Nils Büttner: Herr P. P. Rubens: Von der Kunst, berühmt zu werden, Göttingen 2006, S. 208, Anm. 56.

[21] Büttner (wie Anm. 57).

[22] Vgl. auch Nils Büttner: Echtheitsfragen. Kunsthistorische Überlegungen zum Begriff des Originals in der Malerei der frühen Neuzeit, in: Echtheitskritik bei Bach. Bericht über das 5. Dortmunder Bach-Symposion 2004, hg. v. Reinmar Emans und Martin Geck, Dortmund 2008, S. 9-23.

[23] Ein weiteres Beispiel dafür referiert van den Branden: Geschiedenis der Antwerpsche Schilderschool (wie Anm. 34), S. 511 f., der von jenem Mechelner Auftrag berichtet, der auf der Basis einer Skizze von Rubens komplett durch dessen Lehrling Joost van Egmont ausgeführt wurde. »Er wird uitdrukkelijk verklaard, dat het schilderij geenszins aan den leerling, maar wel aan den Meester was besteld. Hij moest ze dus zelf komen malen. Rubens gaf tot antwoord, det hij, om aan al de bestellingen te kunnen voldoen, gewoon was slechts de schets te maken. Naar deze doodverfden en ontwikkelden zijne leerlingen de groote taferelen, aan welke hij zelf door de laatste penseelstreken hunnen vollen luister kwam bijsetten.«

[24] Hanns Floerke: Studien zur niederländischen Kunst- und Kulturgeschichte: Die Formen des Kunsthandels, das Atelier und die Sammler in den Niederlanden vom 15. – 18. Jahrhundert, München 1905, S. 95f.

[25] Samuel van Hoogstraeten: Inleyding tot de hooge schoole der schilderkonst: anders de zichtbaere werelt. Verdeelt in negen leerwinkels, yder bestiert door eene der zanggodinnen, Rotterdam 1678, Neudruck: [Utrecht] 1969, S. 76: »Zeker 't is onvermakelijk te hooren, als somtijts onweetende, doch verwaende lief hebbers, het beste deel in eenich stuk willende aenwijzen, iets zoo gemeens uitpikken, dat by den Meester schier als slapende, of ten minsten van zijn voornaemen arbeyt rustende, gemaekt is. Deeze dingen zijn by de ouden als overmaet of toegift tot het voornaemste werk geacht geweest, en wierden van hen Parerga genoemt; en zijn by groote Meesters gemeenlijk door de hand van jongers en aenkomelingen, of van de geene, die daer een handwerk van konden, gemaekt.«

[26] Vgl. Eisele (wie Anm. 4), S. 3; Floerke (wie Anm. 24), S. 103-109; Abraham Bredius: Italiaansche schilderijen in 1672 door Amsterdamsche en Haagsche schilders beoordeeld, in: Oud Holland 34, 1886, S. 41-46.

[27] Eisele (wie Anm. 4), Nr. 108, S. 141f. HdG 213. Für die im Kunsthandel bezeugte Version vgl. Eisele, Nr. U16, S. 213f. HdG 214.

[28] Zur kooperativen Praxis vgl. auch Franziska Siedler: Die Rezeption von kooperativen Arbeitsweisen niederländischer Künstler in Frankfurt am Main ab dem 17. Jahrhundert, in: Grenzüberschreitungen. Deutsch-Niederländischer Kunst- und Künstleraustausch im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Nils Büttner und Esther Meier (im Druck).

[29] Eisele (wie Anm. 4), S. 84-87; Zu van de Velde und Wijnants vgl. auch Marietta Frensemeier: Studien zu Adriaen van de Velde (1636 - 1672), Aachen 2001, S. 8f.

[30] Eisele (wie Anm. 4), S. 90-92.

[31] C. J. de Bruyn Kops, in: Ausstellungskatalog Amsterdam u.a. 1987 (wie Anm. 9), S. 525f. Zur Zusammenarbeit mit Lingelbach auch Eisele (wie Anm. 4), S. 88-90.

[32] »A Hilly Landscape with Figures«; Aukt. London, Christie’s, 5. April 1963, Nr. 6.

[33] Vgl. Raupp (wie Anm. 12), S. 93. Vgl. auch Nils Büttner: Pulchrum et utilitas – Naturverständnis und Welterfahrung in der frühen Neuzeit am Beispiel der »Granvella-Gärten«, in: Ausstellung Gärten und Höfe der Rubenszeit. Beiträge der Tagung im Gustav-Lübcke-Museum Hamm, 12. bis 14. Januar 2001, hg. v. Ursula Härting, Worms 2002, S. 26-34.

[34] HdG, Bd. 4, S. 479.

[35] »Ik heb stukken van Ruisdael zien verkopen, waer in onze GRIFFIER beelden en paerden geschildert had, die hy zo kunstig en bedrieglyk naer die van Wouwerman had gecopiëert, dat ze voor Origineelen van dien Meester van groote Liefhebbers wierden aengezien en gekocht.« Zitiert nach van Gool (wie Anm. 3), Bd. 2, S. 141.

[36] Houbraken (wie Anm. 2), Bd. 3, Amsterdam 1721, S. 360: »Tusschen beide dient ook aangemerkt dat hy zig niet altyd by eene wyze van fchilderen gehouden heeft; maar zomwyl zyn penceel liet zwieren naar den wint van voordeel, dan eens op de wyze van Rembrant, dan eens op de wyze van Poelenburg, Ruisdaal en anderen, zoo dat zyn werken dikwils voor egte stukken van die meesters verkocht zyn geworden.«

[37] Auf diese paradoxe Situation hat schon Gary Schwartz: Was den Sammlern ins Auge sprang: Nicht der Künstlername sondern das Motiv, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. März 1993, Nr. 67, nachdrücklich hingewiesen. Vgl. auch Büttner (wie Anm. 20), S. 116 f.

[38] Ein herausragendes Beispiel dafür ist der heute Peter Paul Rubens zugeschriebene Bethlehemitische Kindermord (Öl auf Holz, 142x182 cm), der am 10. Juli 2002 bei Sotheby’s in London inklusive Aufgeld für 49,5 Million englische Pfund, umgerechnet ca. 77 Million Euro, versteigert wurde und der vorher als drittklassige Kopie des Rubens-Schülers Jan van den Hoecke (1611–1651) galt und deshalb als fast wertlos angesehen wurde. Jahrzehntelang wurde das Bild beinahe unbeachtet durch den Kunsthandel gereicht und als Dauerleihgabe in ein österreichisches Kloster abgeschoben, bis Sotheby’s es als unzweifelhaft authentischen Rubens deklarierte und für einen Auktionsrekord sorgte.

[39] Zu den Preisen von Wijnants im Vergleich vgl. Eisele (wie Anm. 4), S. 21-24.

[40] Eisele (wie Anm. 4), Kat. D16, S. 203f., führt das Bild unter den zweifelhaften Werken und merkt an: »Zum Bild bestand Gutachten von Friedländer, gleichwohl erscheint es fraglich, ob es von Wijnants ist.« HdG 423. Provenienz: C. G. Baerle aus Utrecht u. A. in Amsterdam am 24.5.1921, Nr. 61; Bei der Versteigerung des Gemäldes im Jahr 1976 in Stuttgart (Nagel 252) lag ein Gutachten von Max J. Friedländer vor, das die Zuschrift Jan Wijnants bestätigt.

[41] Die von Christine Dörr durchgeführte Untersuchung wurde von Professor Volker Schaible betreut. Für Ihre Unterstützung gilt an dieser Stelle Professor Dr. Christoph Krekel und Peter Vogel besonderer Dank.

[42] C. J. de Bruyn Kops: Jan Wijnants, in: Master of 17th-Century Dutch Landscape Painting, Ausstellungskatalog Rijksmuseum, Amsterdam und Museum of Fine Arts, Boston und Philadelphia Museum of Art 1987, S. 523-525.

[43] Jo Kirby: The Painter’s Trade in the seventeenth century. Theory and Practise, in: National Gallery Technical Bulletin 20, London 1999, S. 5-49, hier: S. 17.

[44] Cornelia Peres: Materialkunde, wirtschaftliche und soziale Aspekte zur Gemäldeherstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2, 1988, S. 263-296, hier: S. 269.

[45] Peres (wie Anm. 44), S. 268ff., S. 287.

[46] Peres (wie Anm. 44), S. 269.

[47] Volker Schaible: unveröffentlichtes Skript zur Vorlesungsreihe Werkstoffkunde Holz an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2007/2008.

[48] Peres (wie Anm. 44), S. 269.

[49] Kirby (wie Anm. 43), S. 17, sowie Michael Rief: Eingekerbte Hausmarken auf baltischen Wagenschott-Brettern des 14.-16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2, 2006, S. 309-324.

[50] Rief (wie Anm. 49), S. 311.

[51] Malgorzata Schuster-Gawlowska: Studia i materialy. Wydzialu konserwacji dziel sztuki akademii sztuk pieknych w krakowie, Kraukau 1992, sowie Jørgen Wadum: The Antwerp Brand on Paintings on Panel, in: Looking through Paintings, the study of paintings techniques and materials in support of art historical research, Schoten 1998, S. 179-198.

[52] Kirby (wie Anm. 43), S. 19ff.

[53] Rief (wie Anm. 49), S. 313 (Abb. 9).

[54] Peres (wie Anm. 44), S. 276.

[55] Peres (wie Anm. 44), S. 276 und Kirby (wie Anm. 43), S. 27 sowie Nico van Hout: Meaning and Development of the Ground-layer in Seventeenth Century Paintings, in: Looking Through Paintings. The study of paintings techniques and materials in support of art historical research, Schoten 1998, S. 199-225, hier: S. 204.

[56] Kirby (wie Anm. 43), S. 27.

[57] Gudrun Bischoff: Das De Mayerne-Manuskript. Die Rezepte der Werkstoffe, Maltechniken und Gemälderestaurierung, Diplomarbeit am Institut für Technologie der Malerei, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2002, S. 216.

[58] Van Hout 1998 (wie Anm. 55), S. 210, zitiert aus Wilhelmus Beurs: De Groote Waereld in’t Kleen geschildert, Amsterdam 1692, S. 19f.

[59] Peres (wie Anm. 44), S. 278, erwähnt für die Niederlande des 17. Jahrhunderts die Verwendung von weißen Kreide-Leim-Gründen, die mit öl- und bleiweißhaltigen, ein- bis mehrschichtigen Isolierungen bedeckt sind. Der Isolierschicht werden Pigmente hinzugemischt, um das reflektierende Weiß zu brechen. Peres beschreibt für die Wahl einer farbigen Unterlage in den Aufbau der Malschicht einen Farbton, der von gelbbraun bis graubraun variiert.

[60] Peres (wie Anm. 44), S. 283.

[61] Bischoff (wie Anm. 57), S. 224f. Wenn man das De Mayerne-Manuskript heranzieht, ähneln die dort beschriebenen praktischen Malanweisungen und die Informationen über die zu verwendeten Pigmente stark der Umsetzung der Malerei im Gemälde Landschaft mit Herde.

[62] Volker Schaible: Unveröffentlichtes Skript zur Vorlesungsreihe Werkstoffkunde Pigmente an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Studiengang Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen, Stuttgart 2009.

[63] Kirby (wie Anm. 43), S. 30 und Manfred Koller: Das Staffeleibild der Neuzeit, in: Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken 1, 2. Auflage, Stuttgart 1988, S. 332-380, hier S. 367.

[64] Koller (wie Anm. 63), S. 365.

[65] Die von Klaus Eisele (wie Anm. 4) weit vor der gründlichen technologischen Untersuchung vorgenommene Einordnung des Bildes in die Gruppe jener Bilder, »deren Authentizität mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist« (S. 109), kann zugunsten einer Einordnung in die Gruppe der authentischen Werke aufgegeben werden.

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Empfohlene Zitierweise

Büttner N., Dörr C.: Jan Wijnants oder die Kunst sich selbst zu kopieren. Kunsthistorische und kunsttechnologische Überlegungen zu einer wiederendeckten Landschaft mit Herde. In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2011-11 (urn:nbn:de:0009-23-28544).  

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