<1>

Am Schnittpunkt von Sozial- und Kunstgeschichte beschäftigt sich die Forschung erst seit kurzem mit den visuellen Implikationen sozialen Aufstiegs  [1] , welche sich in dem Begriff der ›Aufsteigerrepräsentation‹ konkretisieren.  [2] Dabei ist die Frage nach einer spezifischen Aufsteigerrepräsentation zwar immer wieder für einzelne Familien gestellt worden, kaum aber für eine Gruppe von Aufsteigern innerhalb eines Staates und Zeitraums; wenn dies geschah, dann nur mit einem ausschließlich historischen Methodenspektrum.  [3] Daher soll hier erstmals eine umfassendere kunstgeschichtliche Analyse vorgenommen werden.

<2>

Soziale Mobilität ist seit dem 17. Jahrhundert ein europaweit zunehmendes Phänomen  [4] , welches auch in Venedig beobachtet werden kann. Zur Finanzierung des venezianischen Krieges gegen die Türken konnte man zwischen 1646 und 1718 allein durch ein entsprechendes Vermögen den venezianischen Adelstitel erwerben.  [5] Von dieser Möglichkeit machten über 100 Familien sehr heterogener sozialer und geografischer Herkunft Gebrauch.  [6] Der neue Titel mündete nicht sofort in konkrete Privilegien und eine faktische Gleichstellung mit dem venezianischen Uradel. Hierfür war neben Heiratsverflechtungen mit dem alten Adel und politischem Engagement eine angemessene Repräsentation nötig.  [7]

<3>

Resultierten aus diesem Streben nach Anerkennung kollektive Muster in der Repräsentation des neuen Adels? Auf den ersten Blick scheinen Indizien in der Kunst dies eindeutig zu bejahen: Von zehn heute noch vorhandenen Innenausstattungen des neuen Adels weisen fünf das Thema Aurora – Göttin der Morgenröte – auf. Die bisherige Forschung hat diesen Topos der Villenausstattungen hinsichtlich des venezianischen neuen Adels stets als Allusion auf den Anbruch eines glorreichen Zeitalters für diese Aufsteigerfamilien gedeutet, ohne die Darstellungen genauer zu analysieren.  [8] Daher soll eine gründlichere, ikonografisch-ikonologische, bildwissenschaftliche und funktionsgeschichtlich fundierte Analyse  [9] von Auroradarstellungen im Folgenden die bisher vorausgesetzte Affinität überprüfen. Da das Thema Aurora in Venedig immer in einen bildkünstlerischen Kontext eingebettet worden ist und daher nicht isoliert betrachtet werden kann, eignen sich hierfür besonders Auroradarstellungen in Repräsentationsräumen mit vollständig erhaltenem Dekorationssystem. Solche finden sich in den zentralen Sälen in den Piani nobili des Stadtpalastes der Zenobio und der Villa Baglioni sowie in der östlichen Sala terrena der Villa Manin, dem prächtigsten Saal dieser Villa. Lodovico Dorigny war 1699/1702 im Palazzo Zenobio  [10] und 1708/1711 in der Villa Manin  [11] tätig. Giambattista Tiepolo malte 1719/1720 den zentralen Saal der Villa Baglioni  [12] aus.

Der Salone des Palazzo Zenobio: Aurora als Legitimation des Adelstitels

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Bereits beim Betreten des Piano nobile ist erkennbar, dass die Ausstattung einen Kriegsbezug hat: Im ersten Raum des Piano nobile (Abb. 1), dem Portego  [13] , werden alle Fresken von monochromen Kampfszenen gerahmt. Schaut man vom Portego durch den Triumphbogeneingang in den Salone, so erblickt man zuallererst die Waffen und Trophäenbündel aus Stuck an der Fensterwand. Über diesen ist im Mezzanin diejenige Version der Tugend Vernunft von Cesare Ripa  [14] freskiert, deren Attribute Rüstung, Helm, Schild und Speer ebenfalls auf die Kriegsthematik verweisen (Abb. 2). Auch das zentrale Deckenfresko des Salone (Abb. 3) weist durch die Darstellung von Apolls Ausfahrt auf dem Sonnenwagen auf die Kriegsthematik: Dieses Motiv symbolisierte den Sieg über Feinde in der Kaiserikonografie der Antike.  [15] Aurora, welche im Zentrum der Decke von Winden empor getragen und vom Licht des Sonnenwagens angestrahlt wird, ist durch ihren triumphierend hoch gehaltenen Arm ebenfalls in einem Sieger-Gestus dargestellt. Apoll und Aurora sind hier Triumphatoren über die Nacht, deren Geschöpfe sie zu allen Seiten vertreiben: Auroras Flugrichtung verdrängt die Stunden der Nacht, welche am rechten Bildrand gedrängt aufgereiht sind. Unter ihr ist die Nacht schlafend mit ihren Attributen Schlafmohn und schlafendem Kind dargestellt. Neben ihr erwacht, erschreckt durch das Sonnenlicht, der Schlaf, welcher unter einer dunklen Decke hervorblickt. Und über dem Sonnenwagen schieben Horen die dunklen Wolken der Nacht fort.  [16]

1 Portego des Palazzo Zenobio, Venedig, 1699/1702, Blick in Richtung des Salone

2 Lodovico Dorigny: Ragione, 1699/1702, Fresko,
Salone des Palazzo Zenobio, Venedig

3 Lodovico Dorigny: Apoll und Aurora mit rahmender Quadratur, 1699/1702,
Deckenfresko, Salone des Palazzo Zenobio, Venedig

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Im Kontext dieser Ausstattungselemente und des Ausstattungsdatums 1699/1700 nimmt dieses Bildprogramm möglicherweise Bezug auf ein geschichtliches Ereignis kurz vor der Entstehung der Fresken  [17] : den am 26.1.1699 geschlossenen Frieden von Karlowitz, welcher den Venezianern wichtige, an die Türken verlorene Gebiete zurückbrachte. Der im Mezzanin des Salone rechts neben dem Eingang dargestellte Zwerg, welcher orientalisch – und nicht anders – kostümiert ist (Abb. 4), erscheint wie eine diese These unterstützende Fußnote.  [18]

4 Lodovico Dorigny: Orientalisch gekleideter Zwerg, 1699/1702,
Fresko, Salone des Palazzo Zenobio, Venedig

<6>

Dieser türkisch-venezianische Krieg hatte für die Zenobio eine besondere Bedeutung, da sie durch diesen ihren gekauften Adelstitel legitimieren konnten: Der für ihren Adelstitel bezahlte Betrag war für die Finanzierung dieser Kriege bestimmt. Auch wenn die Zenobio diese Summe nicht aus patriotischen Gründen allein zum Wohl Venedigs gespendet hatten, sondern weil ihnen dafür der Titel in Aussicht gestellt worden war, versuchten sie – wie viele andere venezianische Neuadelige auch –, ihr finanzielles Engagement als uneigennützige, tugendhafte Tat darzustellen, durch welche sie eines Adelstitels würdig wurden und diesen in der Folge als Belohnung erhielten.  [19] Diese ›tugendhafte‹ Beteiligung der Zenobio an den Türkenkriegen klingt in Auroras ikonografisch auffallender Darstellungsweise an: Auroras Flügel lassen sich nicht narrativ begründen, da sie nicht selber fliegt, sondern empor getragen wird. Darüber hinaus wird Aurora im Veneto sehr selten mit Flügeln dargestellt. Zudem sind ihre vogelartigen Flügel von den schmetterlingsartigen der Horen und Winde augenscheinlich unterschieden. Vogelflügel sind im Deckenfresko auch an einer anderen Stelle zu sehen: Im Wappen der Zenobio, welches zwei Adler aufweist. Durch diese visuelle Parallelisierung könnte von einer Verschmelzung von Wappenzeichen und Sujet gesprochen werden.  [20] Dann würde Aurora auf die Zenobio alludieren, wodurch der Kampf von Apoll und Aurora gegen Feinde auch die Zenobio einschließen würde.  [21]

Der Portego der Villa Baglioni: Aurora als Präfiguration der Verheißungen des Adelstitels

<7>

Anders als im Palazzo Zenobio hat die Ausstattung des Portego der Villa Baglioni keine kriegsbezogene Thematik, durch die der gekaufte Adelstitel als Belohnung für Verdienste legitimiert werden soll. Doch auch hier steht der neue, kurz vor der Freskierung erworbene Adelstitel im Zentrum des Programms: Der narrative Ablauf des Mythos und die Farbsymbolik legen nahe, diese Fresken zugleich als Metaphern und Allegorien der Aufstiegschronologie der Baglioni zu lesen. Die erste Szene, welche der Betrachter beim Betreten des Piano nobile sieht, ist die Bitte Phaetons (Abb. 5) an seinen Vater Apoll, dessen Sonnenwagen lenken zu dürfen. Hiermit beginnt der Mythos in Ovids Metamorphosen. Ausgedehnte Himmelsflächen, Wolken, Sonnenlicht und der Sonnenwagen schaffen geradezu eine Dominanz von Gelb, Weiß und Blau im Fresko, den Farben der Baglioni. Aufgrund dessen könnte Apolls Gewährung der Bitte Phaetons, den Sonnenwagen lenken zu dürfen, eine Metapher darstellen für die Gewährung der Bitte der Baglioni, in den venezianischen Adelsstand erhoben zu werden und somit an der Lenkung bzw. Regierung Venedigs beteiligt zu sein.

5 Giambattista Tiepolo: Die Bitte Phaetons, 1719/1720,
Fresko, Portego der Villa Baglioni, Massanzago

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Blickt der Betrachter nun nach oben, so sieht er hier Aurora, die nächstfolgende Szene des Mythos: Nachdem Apoll seinem Sohn den Sonnenwagen überlassen hat, schließt Aurora ihm bei Ovid das Wolkentor auf. Auch hier ist an der Decke Aurora dargestellt (Abb. 6). Sie trägt nicht nur ihr übliches gelb-rosafarbenes Gewand, sondern zusätzlich ein blauweiß gestreiftes, die Baglionifarben wiedergebend.  [22] Der Perlenschmuck Auroras in der Villa Baglioni, für den es keine ikonografische Tradition im Umkreis der Morgenröte gibt, deutet auf den neuen Adelstitel der Baglioni: Kette und Diadem sind nach Ripa die Attribute der Grazia.  [23] ›Grazia‹ bezeichnet auch das Verfahren der Adelstitelvergabe in Venedig.  [24] Obwohl bei Ripa dieser Begriff mit ›Anmut‹ zu übersetzen ist, könnte Tiepolo hier ein Wortspiel intendiert haben. Mit Aurora würden dann die Verheißungen des Adelstitels der Baglioni gefeiert.

6 Giambattista Tiepolo: Aurora, Detail, 1719/1720,
Deckenfresko, Portego der Villa Baglioni, Massanzago

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Beim Verlassen des Raums sieht der Betrachter schließlich an der Eingangswand den Sturz des Phaeton (Abb. 7), welcher bei seiner Sonnenwagenfahrt der Erde zu nahe kam und ihre Vegetation verbrannte, weshalb Jupiter ihn vom Himmel stürzen musste. Diese Szene weist auf mögliche Gefahren beim unsachgemäßen Umgang mit dem Sonnenwagen bzw. analog dazu mit dem gerade erhaltenen Adelstitel und den damit verbundenen Rechten und Pflichten hin. Die Ursache des Sturzes ist durch das Fehlen Jupiters im Bild nicht präsent. Weshalb die Familie Baglioni zu Fall kommen könnte, wird hier nicht dargestellt; offenbar soll allgemein vor der Vergänglichkeit ihres neu erworbenen Glücks gewarnt werden.  [25] Auf diese Vanitasthematik weisen Blicke und Gesten in fast jedem narrativen Bildfeld hin, da ihr Ziel jeweils der Phaetonsturz ist. Gleiches ist auch der Zweck der Darstellung von Chronos an der Decke, der personifizierten Vergänglichkeit, welcher ebenfalls zum stürzenden Phaeton blickt. Dass es sich dabei aber nur um eine Warnung vor einer fernen Zukunft handelt, zeigt der Vergleich mit anderen Darstellungen des Phaetonsturzes, etwa Sebastiano Riccis in Belluno von 1705 (Abb. 8). Hier wird deutlich, dass Tiepolo den Sturz nicht in seiner üblichen Dramatik dargestellt, sondern in eine entfernte Landschaft versetzt hat. Zurückgenommen wird diese Warnung auch dadurch, dass nicht der Phaetonmythos als Bildfeld herausgehoben wird, sondern die Auroraszene (Abb. 9). Sie ist als einziges narratives Bildfeld des Portego gerahmt und wird so als ›Bild‹ gegenüber den ›Realität‹ bezeichnenden Wandszenen nobilitiert.  [26] Darüber hinaus bezeichnet nur dieser Rahmen als einziges Element im Saal Gold und wertet die Auroraszene dadurch weiter auf. Die Baglioni sind sich der Vergänglichkeit ihres Glücks zwar durchaus bewusst, feiern mit dem Bildprogramm aber vor allem die Verheißungen ihres neuen Adelstitels.

7 Giambattista Tiepolo: Der Sturz des Phaeton und Die trauernden Heliaden,
1719/1720, Fresko, Portego der Villa Baglioni, Massanzago

8 Sebastiano Ricci: Der Sturz des Phaeton, 1704,
Öl auf Leinwand, Belluno, Museo Civico

9 Giambattista Tiepolo: Aurora, 1719/1720,
Deckenfresko, Portego der Villa Baglioni, Massanzago

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Die Vergänglichkeitsthematik ist ein Memento Mori, welches zu einer Familie passt, die den Bürgerstatus erst 1684, nachdem sie fast 100 Jahre in Venedig ansässig gewesen war, beantragte – möglich wäre dies bereits nach 25 Jahren gewesen. Auch der Adelstitel, den die Familie im letztmöglichen Moment erwarb, wäre bereits früher käuflich gewesen.  [27] Aber auch in anderen neuadeligen Ausstattungen wird vor der Vergänglichkeit des momentanen Glücks gewarnt: Im Palazzo Zenobio zeigen die Stucksupraporten und gemalten Kartuschen der Schmalseiten im Mezzanin Szenen des Apollmythos, welche ›mala exempla‹ des Hochmuts sind (Abb. 10): Apoll bestraft Marsyas und die Niobiden für ihren Hochmut, Phaeton scheitert, weil er nicht auf Apolls Rat gehört hat. Im Mythos von Apoll und Daphne ist Apoll selbst der Hochmütige: Er verspottete Amor und muss fortan unglücklich lieben. Diese Darstellungen gehören im Gegensatz zur Villa Baglioni nicht zur Betrachterrealität, sondern sind als Kartuschen und Supraportenreliefs in einem niedrigeren Realitätsgrad dargestellt, zudem im Gegensatz zum lebensgroßen Figurenmaßstab der Villa Baglioni in kleinem Format. Die Mahnung erscheint hier daher weniger prominent als in der Villa Baglioni.

10 Salone des Palazzo Zenobio, Venedig, 1699/1702

Die östliche Sala terrena der Villa Manin:
Aurora als Verherrlichung der Villeggiatura

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Im Gegensatz zu den Zenobio und den Baglioni nehmen die Manin in der Ausstattung der östlichen Sala terrena in ihrer Villa in Passariano weder Bezug auf ihren Adelstitel noch auf ihre Familie und deren Verdienste. Wie in den beiden zuvor besprochenen Ausstattungen ist Aurora  [28] mit ihren Begleitern, den Horen und Winden, direkt gegenüber dem Eingang im Zentrum der Decke dargestellt (Abb. 11). Die Anordnung dieser Figuren am äußeren Bildrand, an welchem der Himmel im Uhrzeigersinn immer heller wird, spricht bereits für die Verwendung Auroras als Figur im Tageszeitenverlauf. Der dem Aurorathema immanente Zeitaspekt wurde in den Ausstattungen der Zenobio und der Baglioni hingegen nicht eingehender thematisiert.

11 Lodovico Dorigny: Aurora mit rahmender Quadratur und Jahreszeiten, 1708/1711,
Deckenfresko, östliche Sala terrena der Villa Manin, Passariano

<12>

Auch die das zentrale Scheinkuppelfeld rahmenden Nischen nehmen Bezug auf die Zeit, hier nun aber auf die Jahres- statt Tageszeit: Venus und Amor symbolisieren den Frühling, Ceres den Sommer und die weinrebengeschmückte Figur alludiert auf den Herbst  [29] . In der letzten Nische symbolisieren Kind, Palmen- und Olivenzweig jedoch keine Jahreszeit, sondern Freude und Frieden.  [30]

<13>

Das Jahreszeitenthema der Nischen wird an den Wänden fortgeführt, hier nun aber vollständig mit dem Winter: Links vom Eingang sind als fingierte Marmorskulpturen vor gemaltem Goldmosaik die Allegorien des Frühlings und des Winters dargestellt, rechts befinden sich die Allegorien von Sommer und Herbst (Abb. 12). Die Anordnung im Raum nach den tatsächlichen Himmelsrichtungen betont einmal mehr, dass es sich um ein auf den Zeitablauf bezogenes Programm handelt.

12 Östliche Sala terrena der Villa Manin, Passariano, 1708/1711

<14>

Und weil die mythologischen Skulpturen der Eingangs- und Rückwand von dem gleichen goldfarbenen Mosaikgrund hinterfangen werden wie die Jahreszeitenskulpturen der Wände und die Figuren der Deckennischen, ist es naheliegend, auch in diesen gemalten Skulpturen Jahreszeitenallegorien zu vermuten. Paris und Venus befinden sich direkt unterhalb des Frühlings in der Nische an der Decke, Apoll und Daphne unter dem Sommer, Bacchus und Ariadne unter dem Herbst und Apoll und Marsyas unter Freude und Frieden. Venus, Apoll und Bacchus stellen in diesem Kontext Jahreszeitengötter dar.  [31] Apoll tritt jedoch zweimal auf, in der Deckennische und als fingierte Wandskulptur, was durch Vergils vierte Ekloge erklärt werden kann: Dort herrscht Apoll über das Goldene Zeitalter voller Freude, Friede und Fruchtbarkeit. Die Götter sind so in einem nicht spezifischen, aber bekannten szenischen Kontext dargestellt, dessen alleinige Funktion es ist, diese im Ausstattungsprogramm vorkommen zu lassen; wichtig ist nur der Jahreszeitengott, nicht der szenische Kontext, in welchen er eingebettet ist.  [32]

<15>

Da der Winter in zwei der drei dargestellten Jahreszeitenzyklen fehlt, geht es hier nicht um die sonst mit dieser Ikonografie verbundene Darstellung einer kosmischen Ordnung, in welche sich die Manin einordnen wollen. Vielmehr werden durch die Beschränkung der Auswahl auf die fruchtbaren Jahreszeiten, welche auch jenen der Villeggiatura entsprechen, die Funktionen einer Villa gepriesen: Die Landwirtschaft und die Erholung vom Stadtleben.

Gibt es eine spezifische Aufsteigerrepräsentation?

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Die These der bisherigen Forschung, Aurora symbolisiere auf dem Gebiet der Republik Venedig immer den Anbruch eines glorreichen Zeitalters für den neuen Adel, kann widerlegt werden: Nur in der Villa Baglioni bezieht sich Aurora tatsächlich auf den Beginn einer strahlenden Gegenwart aufgrund eines neu erworbenen Adelstitels. Die Wahl desselben Themas spricht noch nicht für den gleichen Sinngehalt, allein in den drei betrachteten Ausstattungen ist er jeweils grundverschieden. Die Aurora Zenobio hat eine legitimatorische Funktion hinsichtlich des Adelstitels, die Aurora Baglioni hat eine auf den Adelstitel bezogene präfigurierende Funktion, und die Aurora Manin hat eine verherrlichende Funktion hinsichtlich des Landlebens.  [33] Im Palazzo Zenobio bezieht sich Aurora auf die Vergangenheit der Zenobio, in der Villa Baglioni auf die Zukunft der Baglioni und in der Villa Manin auf die zeitlose Villeggiatura ohne jeglichen Familienbezug. Die Wahl eines gemeinsamen Themas ist daher noch kein Indiz für ein kollektives Repräsentationsmuster, zumal Aurora auch vom alten Adel gewählt wurde.  [34]

<17>

Dennoch gibt es auch gemeinsame Referenzpunkte: Bescheidenheits-bezeugungen durch Memento Mori oder Mala exempla in den Ausstattungen der Baglioni und der Zenobio  [35] sowie die Bezugnahme beider Familien auf den neu erworbenen Adelstitel. Diese Thematisierung des Adelstitels ist auch in weiteren Innenausstattungen des neuen Adels anzutreffen.  [36] Für die davon abweichende Repräsentationsstrategie der Manin liefert die soziale und geografische Heterogenität dieser Auftraggeber, welche die heterogene Zusammensetzung des neuen Adels insgesamt widerspiegelt, eine Erklärung: Die Manin stammten aus dem Friaul  [37] , die Zenobio aus Verona  [38] und die Baglioni waren bereits seit ca. 100 Jahren in Venedig ansässig.  [39] Die Manin gehörten zum Hochadel der Terraferma,  [40] die Baglioni waren immerhin bürgerliche Buchhändler.  [41] Die Zenobio hingegen standen gesellschaftlich als ›ausländische‹ Gewürzhändler  [42] am unteren Ende des neuen Adels. Die Manin gehörten mit einem Jahreseinkommen von 80.000 Dukaten  [43] zu den reichsten Adeligen Venedigs. Das Einkommen der Zenobio hingegen lag bei 24.000 und jenes der Baglioni bei nur 8.000.  [44] Für die Manin stellte der venezianische Titel durch ihre adelige Abstammung und ihren unvergleichlichen Reichtum keinen weiteren sozialen Aufstieg mehr dar. Sie erwarben den Titel vielmehr, um dem venezianischen Adel in ihrer von Venedig regierten Heimat auch rechtlich gleichgestellt zu sein. Der neue venezianische Titel spielte daher in ihrer Repräsentation keine Rolle. Für die Zenobio und Baglioni hingegen bedeutete er gleichermaßen den Beginn ihres sozialen Aufstiegs. Auf dieser ikonologischen Ebene kann daher nur von einer partiellen Gemeinsamkeit der Repräsentation gesprochen werden.

<18>

Dies ist jedoch eine Ebene, welche vermutlich nur solche Besucher wahrnehmen konnten, welche zum Zweck der Kunstbetrachtung diese Villen und Paläste aufsuchten und vom Künstler oder Hausherren zum intensiven Studium dieser Ausstattungen angeregt wurden.  [45] Die meisten zeitgenössischen Betrachter jedoch, deren Hauptinteresse nicht die Kunst war, sondern welche sich aufgrund von Festlichkeiten oder im Rahmen des Zeremoniells in diesen Sälen aufhielten, werden vor allem auf Augenwirkung ausgelegte Ausstattungselemente wahrgenommen haben: Elemente der Pracht wie Material, Raumgröße, Proportionen, Säulenordnung, architektonischer Schmuck, Relief, Farbe und Illusionismus.  [46] Aber auch auf dieser ästhetischen Ebene kann nicht von kollektiven Repräsentationsmustern des neuen Adels gesprochen werden. Der Salone im Palazzo Zenobio übersteigt eindeutig die Pracht der Säle in den beiden Villen: Er ist mit den Maßen 9,2 x 14 x 8,3 m mehr als eineinhalbmal so groß wie der Portego der Villa Baglioni. Darüber hinaus ist der Salone Zenobio eineinhalbgeschossig, die Säle der Villen hingegen nur eingeschossig. In der Villa Manin wird indessen Pracht über Proportionen hergestellt, doch kann der exakt quadratische Grundriss dieses Saales natürlich nicht die Raumwirkung des Saales der Zenobio überbieten. Auch die Ausstattung des Salone der Zenobio ist viel prächtiger als die der Villensäle  [47] : Nur hier wurden reale plastische Elemente eingesetzt. Architektonische Würdeformeln wie das Triumphbogenmotiv des Eingangs mit seinen Säulen (Abb. 1) sowie die ranghöchste, die komposite Ordnung finden in den Villen keine Entsprechung. Fingierte kostbare Materialien wie Gold, Marmor und Porphyr befinden sich zwar auch dort, jedoch werden diese nirgendwo sonst in solch einer Fülle eingesetzt; gleiches gilt für das Ornament. Diese Unterschiede nur mit der Differenz von städtischen und ländlichen Repräsentationserfordernissen zu erklären, greift zu kurz: Die Villa Baglioni hatte wie ein Stadtpalast die Funktion eines Familienstammsitzes, da die Baglioni, ähnlich wie viele weitere Neuadelige  [48] , zu dieser Zeit noch keinen repräsentativen Stadtpalast in Venedig hatten erwerben können. Darauf weist auch der ikonografisch-ikonologische Gehalt ihrer Ausstattung hin. Darüber hinaus gab es auch innerhalb des Stadtgebiets von Venedig unterschiedliche Grade an Pracht in neuadeligen Innenausstattungen.  [49]

<19>

Aber es gibt auch ästhetische Gemeinsamkeiten in diesen Ausstattungen: Gemalte Realität, gerahmt von gemalter Architektur dominiert in allen drei Ausstattungen. Während aber Dorigny im Palazzo Zenobio und der Villa Manin (Abb. 3 und 12) nur tatsächlich Vorstellbares malte, brach Tiepolo in der Villa Baglioni bewusst seine eben geschaffene Illusion: Der Portego ist optisch zu zwei Seiten hin erweitert, obwohl sich hier offensichtlich bereits reale Architektur befindet. Der Betrachter kann scheinbar durch die Eingangswand ins Freie treten. Die Eingangswand gibt aber auch den Blick auf die reale Innentreppe frei, welche in die gemalte Landschaft einschneidet (Abb. 7). Die Illusion eines Blicks ins Freie wird so wieder gebrochen. Dieses bewusst gewählte Spiel von Täuschung und Enttäuschung soll beim Betrachter Vergnügen erzeugen und gehört zum barocken Konzept von Pracht.  [50] Neben diesem Raum schaffenden Illusionismus existieren durch Illusionismus geschaffene objektbezogene Realitätsgrade  [51] , welche unter rein ästhetischen Aspekten der Varietas dienen und somit ebenfalls Pracht steigernde Funktion haben.

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Beide Arten von Illusionismus sind in dieser Zeit allerdings Elemente, welche auch in Ausstattungen des alten Adels  [52] Verwendung finden und auf eine europaweit vom Adel verwendete Sprache zurückgehen. Darüber hinaus rekurrieren neuadelige Ausstattungen immer wieder auf Elemente venezianischer altadeliger Ausstattungen: Im Palazzo Zenobio sind Dorignys sitzende Musen im Mezzanin ein Motiv, welches der Betrachter von im Cinquecento bemalten Palastfassaden kannte.  [53] Und die Baglioni wählten als Wandgliederung ein ähnliches System wie die altadeligen Loredan in ihrer Villa bei Treviso um 1710 (Abb. 13).  [54] Die heterogenen Hintergründe der neuadeligen Auftraggeber liefern auch hier eine Erklärung für diese Anpassung an den alten Adel: Durch die Heterogenität konnte der neue Adel keine kohäsive Gruppe und damit keine Gegenmacht zum alten Adel bilden. Darüber hinaus konnten die Neuadeligen auch nicht mit Unterstützung durch ihre Herkunftsgruppen rechnen, galten sie doch in diesen als ›Verräter‹. Eine Vielzahl von Einzelkämpfern strebte so die Anerkennung ihres neuen Status an – ein nur durch zumindest punktuelle Anpassung an den alten Adel erreichbares Ziel.

13 Salone der Villa Valier-Loredan, Vascon di Cabonera, um 1710

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Andererseits beziehen sich sowohl die Zenobio als auch die Manin auf ein nicht-venezianisches adeliges Vorbild: Der Wandaufbau des Salone der Zenobio – vertikale Dreiachsigkeit, horizontale Teilung in Piano Nobile und Mezzanin, von Putten gehaltene ovale Supraporten und die von Türen flankierten Spiegel – rekurriert auf den des privaten Schlafzimmers Ludwigs XIV. in Versailles (Abb. 14).  [55] Und in der Villa Manin erinnert die Wahl von Nischen in den Deckenecken, in welchen ›Realität‹ dargestellt ist, an jene in zwei Sälen der Grands Appartements in Versailles (Salon d’Apollo und Salon de Mercure) (Abb. 15). Während die venezianischen Baglioni sich ästhetisch allein auf venezianische Vorbilder beziehen, orientieren sich die Zenobio und Manin, welche nicht aus der Dominante stammten und im letzteren Fall überdies einen alten nicht-venezianischen Adelstitel besaßen, auch an nicht-venezianischen Ausstattungen. Ihr Repräsentationsziel scheint daher nicht nur eine Anerkennung ihres neuen Status in Venedig gewesen zu sein, sondern auch eine Einreihung in den europäischen Adel.

14 Victor Navlet: Schlafzimmer Ludwigs XIV. in Versailles, 1861, Öl auf Leinwand, Versailles

15 Charles de la Fosse: Deckenmalerei im Salon d’Apollon, Versailles, um 1680

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Die bisherige Forschung  [56] hat immer wieder versucht, Aufsteigerrepräsentationen dem antithetischen Begriffspaar Innovation/Imitation im Bezug auf ihre Referenzgruppen zuzuordnen, und beschränkte sich dabei auf eine bilaterale Beziehung zwischen Aufsteigern und Etablierten. Hier konnte nun gezeigt werden, dass die Repräsentation des neuen Adels weder gänzlich als spezifische Aufsteigerrepräsentation noch als absolute Anpassung an den alten Adel charakterisiert werden kann. Eine Orientierung an einer altadeligen ›Sprache‹ ist nicht zu leugnen, doch ist diese durchaus einem Prozess progressiver kulturell-künstlerischer Autonomisierung gegenübergestellt durch Integration eigener, spezifisch neuadeliger Elemente, hier einer neuadeligen Ikonologie (Baglioni und Zenobio). Diese Vereinnahmung und Adaption – bis hin zur Zurückweisung venezianischer altadeliger Vorbilder (Manin) – zeigen neben Anpassungsnotwendigkeit gleichzeitig ein gewisses Selbstbewusstsein dieser Neuadeligen, welche sich ihres neuen Titels durchaus würdig befanden. Außerdem wird deutlich, dass der venezianische alte Adel nicht der alleinige Orientierungspunkt war, sondern eine mehrgleisige Rezeption vorliegt.  [57]

Bildnachweis

Archiv der Autorin: Abb. 2, 4, 6, 9.

Foto Böhm, Venedig: Abb. 5, 7.

Reproduktionen nach:

Francesca d’Arcais, Franca Zava Boccazzi u. Giuseppe Pavanello (Hg.): Gli affreschi nelle ville venete, Bd. 2, Venedig 1978, Abb. 329 = Abb. 13.

Nicholas D'Archimbaud: Versailles, München 2001, S.138 = Abb. 14.

Philippe Minguet: France Baroque, Paris 1988, S. 205 = Abb. 15.

Aldo Rizzi: Sebastiano Ricci, Mailand 1989, S. 71 = Abb. 8.

Giandomenico Romanelli (Hg.): Venedig. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 586-587 = Abb. 3.

Francesca Venuto: La Villa di Passariano, Passariano di Codroipo 2001, S. 150 = Abb. 11; S. 151 = Abb. 12.

Alvise Zorzi: Paläste in Venedig, München 1989, S. 440 = Abb. 1, S. 442 = Abb. 10.



[1] Hierzu jüngst Christina Strunck (Old nobility versus new: Colonna Art Patronage during the Barberini and Pamphilj Pontificates (1623-1655), in: Court Culture of Early Modern Rome, hg. v. Michael Bury u. Jill Burke, Aldershot 2008, S. 135-154) für Rom sowie Martin Gaier (Mecenatismo e collezionismo della nuova nobiltà veneziana nel Seicento: l'esempio di Girolamo Cavazza, in: Il collezionismo a Venezia e nel Veneto ai tempi della Serenissima, hg. v. Bernard Aikema, Venedig 2005, S. 181-208) für Venedig.

[2] Repräsentation bezeichnet die Visualisierung von sozialen Relationen wie z. B. Macht, Stand oder Status in der Öffentlichkeit auf künstlerisch-kultureller Ebene. Vgl. Niels Werber: Repräsentation, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. 5, hg. v. Karlheinz Barck u. a., Stuttgart 2003, S. 268-269.

[3] Vgl. Daniel Büchel u. Volker Reinhardt (Hg.): Die Kreise der Nepoten: neue Forschungen zu alten und neuen Eliten Roms in der frühen Neuzeit, Bern 2001.

[4] Vgl. Ronald G. Asch: Zwischen defensiver Legitimation und kultureller Hegemonie. Strategien adliger Selbstbehauptung in der frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 4, 2005, Nr. 2,
http://www.zeitenblicke.de/2005/2/Asch/index_html, Abs. 12.

[5] Vgl. Dorit Raines: L'invention du mythe aristocratique: l'image de soi du patriciat vénitien au temps de la Sérénissime, Venedig 2006, S. 654-655. Eine Ablehnung erhielten nur Bewerber, welche eine niedrigere Summe als die geforderten 100.000 Dukaten für den Adelstitel geboten hatten.

[6] Den Adelstitel erwarben Festlandadelige, bürgerliche Staatsbedienstete sowie ausländische Handelsunternehmer, Rechtsgelehrte und Marktverkäufer, die noch nicht einmal den Status von Bürgern in Venedig besaßen. Dazu zuerst Ernst Rodenwaldt: Untersuchungen über die Biologie des venezianischen Adels, in: Homo 8, 1957, S. 1-26.

[7] Zur Aggregation des neuen Adels in Venedig zuletzt Raines 2006 (wie Anm. 5), S. 631-817.

[8] Etwa Giuseppe Pavanello (I Manin: dalla Villa di Passariano al Duomo di Udine, in: Arte in Friuli-Venezia Giulia, hg. v. Gianfranco Fiaccadori, Udine 1999, S. 256-269, hier S. 264) und Francesca Venuto (La villa di Passariano: dimora e destino dei nobili Manin, Passariano di Codroipo 2001, S. 155) für die Manin, Adriano Mariuz und Giuseppe Pavanello (I primi affreschi di Giambattista Tiepolo, in: Arte veneta 39, 1985 [1986], S. 101-113, hier S. 112) für die Baglioni sowie Heike Zech (Louis Dorignys Fresken im Palazzo Zenobio in Venedig, [Magisterarbeit 2002, unveröffentlicht], S. 95) und Matthias Bleyl (Deckenmalerei des 18. Jahrhunderts in Venedig: die hohe Kunst der Dekoration im Zeitalter Tiepolos, München 2005, S. 108-109) für die Zenobio. Es ist ein allgemeiner Topos in der Kunstgeschichte, Aurora als Neuanfang zu deuten. Vgl. etwa Karl-Siegbert Rehberg: Aurora – Anmerkungen zu einigen antikisch-höfischen Motivverflechtungen, in: Aurora – Indikator kultureller Transformationen, hg. v. Christoph Oliver Mayer u. Elisabeth Tiller, Heidelberg 2007, S. 83-95, hier S. 85.

[9] Es gibt weder Programme noch zeitgenössische Beschreibungen zu diesen Ausstattungen.

[10] Diese Datierung kann durch den Abschluss des Palastumbaus 1699 (vgl. Francesca d’Arcais: Dorigny, in: Dizionario Biografico degli Italiani, hg. v. Alberto M. Ghisalberti u. Mario Caravale, Bd. 41, Rom 1992, S. 487) und einen Auftrag Dorignys 1700 in einem anderen Palast (vgl. Massimo Favilla u. Ruggero Rugolo: Dorigny e Venezia: Da Ca’ Tron a Ca’ Zenobio e ritorno, in: Louis Dorigny 1654-1742: un pittore della corte francese a Verona, Venedig 2003, S. 50) begründet werden. Die Stuckarbeiten müssen nach dem Zeugnis Odellis, dem Biografen des im Palazzo Zenobio tätigen Abbondio Stazio, nach jenen im Palazzo Albrizzi, welche eine Inschrift im Eingangssaal auf das Jahr 1701 datiert, um 1702 entstanden sein. Vgl. Massimo de Grassi: Filippo Parodi, Pietro Roncaioli e lo stucco tardobarocco a Venezia, in: Arte veneta 54, 1999, S. 55-79, hier S. 70-72.

[11] Dazu zuerst Laura Coggiola Pittoni: Louis Dorigny, in: Gazette des beaux-arts 13, 1935, S. 321- 335, hier S. 334.

[12] Stilistische Gründe sprechen für diese Zuschreibung und Datierung. Vgl. hier zuerst Pavanello u. Mariuz 1986 (wie Anm. 8), S. 103 und 112.

[13] Portego bezeichnet den zentralen flurartigen Saal eines venezianischen Palastes, von welchem aus alle übrigen Säle eines Geschosses sowie die zentrale Treppe zu erreichen sind. Vgl. auch Patricia Fortini Brown: Private lives in Renaissance Venice: art, architecture, and the family, New Haven 2004, S. 63.

[14] Vgl. Yassu Okayama: The Ripa index: personifications and their attributes in five editions of the Iconologia, Dornspijk 1992, S. 17 und 234.

[15] In der Frühen Neuzeit hatte dies etwa Philipp II. als seine Devise gewählt. Vgl. Elisabeth Oy-Marra: Profane Repräsentationskunst in Rom von Clemens VIII. Aldobrandini bis Alexander VII. Chigi: Studien zur Funktion und Semantik römischer Deckenfresken im höfischen Kontext, München 2005, S. 64 f.

[16] Vgl. Okayama 1992 (wie Anm. 13), S. 198-199. Nach Favilla u. Rugolo 2003 (wie Anm. 10), S. 46, seien dies nur menschliche Figuren.

[17] Nach Alessio Pasian: Per un catalogo di Louis Dorigny, in: Arte in Friuli, arte a Trieste 18/19, 1998/1999, S. 17, sei der Anlass der Neugestaltung die Hochzeit von Carlo Zenobio 1698 gewesen. Dafür spricht, dass Hochzeiten häufig Anlass für Neuausstattungen waren. Die inhaltliche Ausgestaltung wurde dann aber meiner Ansicht nach vom aktuellen Zeitgeschehen beeinflusst.

[18] Zech 2002 (wie Anm. 8), S. 102-103, bezeichnet diese Figur einerseits als figura buffa, andererseits aber ebenfalls als Türken.

[19] Der alte Adel propagierte selbst solch eine Umdeutung, um seinen eigenen, auf Abstammung und Tugendhaftigkeit beruhenden Titel nicht zu entwerten. Vgl. Raines 2006 (wie Anm. 5), S. 675-687.

[20] Vgl. analog Carolyn H. Wood: The Indian summer of Bolognese painting: Gregory XV (1621-23) and Ludovisi art patronage in Rome, Ph.D. thesis Univ. of North Carolina, Chapel Hill 1988, S. 84, für das Casino Ludovisi.

[21] Zwar gibt es keine ikonografische Tradition, in welcher Apoll oder Aurora eine Metapher für Venedig darstellen, allerdings wird Aurora häufig als Vertreiberin fremdgläubiger Türken eingesetzt, wie etwa im Casino Ludovisi in Rom (vgl. Axel Christoph Gampp: Aurora oder: Päpstliches Morgenrot, in: Aurora – Indikator kultureller Transformationen, hg. v. Christoph Oliver Mayer u. Elisabeth Tiller, Heidelberg 2007, S. 121-143, hier S. 143), im Palais Liechtenstein in Wien (1697/1704) und im Rastatter Schloss (1701/1707). Durch die im Mezzanin dargestellten Musen sind Apoll und Aurora auch als Musenführer zu lesen, eine Allusion auf die Kunstförderung der Zenobio, welche ebenso den neuen Titel legitimieren soll.

[22] Solch eine Farbsymbolik ist im Barock europaweit verbreitet; vgl. etwa Wood 1988 (wie Anm. 19), S. 84, bzgl. des Casino Ludovisi.

[23] Vgl. Okayama 1992 (wie Anm. 14), S. 114.

[24] Vgl. Raines 2006 (wie Anm. 5), S. 650 ff.

[25] Vgl. Mariuz u. Pavanello 1986 (wie Anm. 8), S. 112.

[26] In den Galerien der Farnese und Colonna in Rom enthalten ebenfalls die gerahmten Bildfelder die Hauptaussagen des Programms. Vgl. etwa Christina Strunck: Berninis unbekanntes Meisterwerk: die Galleria Colonna in Rom und die Kunstpatronage des römischen Uradels, München 2007, S. 261-278.

[27] Vgl. Alfredo Cioni: Baglioni, Tommaso, in: Dizionario biografico degli italiani, hg. v. Alberto M. Ghisalberti u. Mario Caravale, Bd. 5, Rom 1963, S. 249-250.

[28] In der Literatur wurde diese Figur auch als Flora bezeichnet. Vgl. zuletzt Venuto 2001 (wie Anm. 8), S. 154-155. Nur Pavanello 1999 (wie Anm. 8), S. 264, benannte sie richtig als Aurora. Die gelb-rosafarbene Kleidung, der Rosenschmuck und die Blumen streuenden Horen kennzeichnen diese Figur eindeutig als Aurora.

[29] Das grüne Gewand und die Öllampe symbolisieren auch das ›Leben‹, was ebenfalls auf die Erntejahreszeit Herbst Bezug nimmt. Vgl. Okayama 1992 (wie Anm. 14), S. 290.

[30] Vgl. Okayama 1992 (wie Anm. 14), S. 7-9 und 207-209. Die dargestellten Attribute schließen die bei Aldo Rizzi (La villa Manin di Passariano e le grandi ville venete, Bassano del Grappa 1986, S. 21) und Venuto 2001 (wie Anm. 8), S. 154, genannten Allegorien von Liebe, Ruhm, Reichtum, Überfluss und Einigkeit aus.

[31] Vgl. Okayama 1992 (wie Anm. 14), S. 263.

[32] Diese Szenen sind daher weder wörtlich noch moralisch zu lesen, vergleichbar etwa mit den Reliefs in der Sala d’Apollo im Palazzo Pitti.

[33] Vgl. analog dazu Oy-Marra 2003 (wie Anm. 15), S. 63, zum Casino dell’Aurora Pallavicini in Rom.

[34] Etwa im Festsaal des Palazzo Pisani di Santo Stefano (um 1721) und im Alkoven im Piano Nobile des Palazzo Sagredo di Santa Sofia (um 1718).

[35] Ebenso im Festsaal des Palazzo Sandi. Vgl. Annika Höppner: Repräsentation des venezianischen Adels am Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Bildzyklen in den Saloni der Ca’ Dolfin und der Ca’ Sandi, hg. v. Stephanie Hahn u. Michael H. Sprenger, Berlin 2008, S. 183-203, hier S. 198.

[36] Etwa in den Palästen der Albrizzi und Sandi.

[37] Vgl. etwa Roberto Sabbadini: L'acquisto della tradizione: tradizione aristocratica e nuova nobiltà a Venezia (sec. XVII-XVIII), Udine 1995, S. 37-38.

[38] Vgl. Sabbadini 1995 (wie Anm. 37), S. 105.

[39] Vgl. Cioni 1963 (wie Anm. 27), S. 249 f.

[40] Vgl. Francesca Venuto: Un'esemplare residenza barocca in Friuli: villa Manin a Passariano, in: Arte lombarda 141, 2004, 2, S. 46-56, hier S. 48.

[41] Vgl. Adriano Mariuz u. Giuseppe Pavanello: Le decorazioni settecentesche della villa e del palazzo dei Baglioni, in: Arte veneta 44, 1993, S. 48-61, hier S. 49.

[42] Vgl. Sabbadini 1995 (wie Anm. 37), S. 105.

[43] Vgl. Sabbadini 1995 (wie Anm. 37), S. 78.

[44] Raines 2006 (wie Anm. 5), S. 974 und 984.

[45] Vgl. etwa Edward Wright: Some Observations made in Travelling through France, Italy etc., in the Years 1720, 1721 and 1722, Bd. 1, London 1730, S. 77, welchem Niccolò Bambini den Festsaal der Dolfin di San Pantalon zeigte.

[46] Vgl. zum barocken Konzept der Pracht Axel Christoph Gampp: Santa Rosalia in Palestrina: die Grablege der Barberini und das ästhetische Konzept der ›Magnificentia‹, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 29, 1994, S. 345-350, und Alain Merot: The Role of the Ornamentation. Le Brun, a Decorative Artist of Genius, in: La galerie des Glaces: histoire & restauration, Dijon 2007, S. 162-168. Zeitgenössische Beschreibungen von Innenausstattungen stellen besonders auf materielle Pracht und Kunstfertigkeit ab; daneben werden auch Bildthemen und ihre Künstler benannt. Eine Deutung des Bildprogramms wird jedoch sehr selten vorgenommen. Siehe etwa die anonyme Beschreibung des venezianischen Stadtpalastes der Manin: Lettera del Conte di N.N. a Madama la Marchesa di N.N. a Parigi, in cui si dà conto delle solenni Pompe Nuziali vedute nel Palazzo di S.E. il Signor Conte Manin in Venezia, in: Galleria di Minerva, Venedig, 18.2.1708, S. 83-85, oder die Beschreibungen von Leonhard Christoph Sturm: Durch Einen grossen Theil von Teutschland und den Niederlanden biss nach Pariss gemachete Architectonische Reise Anmerckungen, Zu der Vollständigen Goldmannischen Bau-Kunst VIten Theil als ein Anhang gethan, ...; Augspurg 1719.

[47] Ob die Spiegel im Festsaal Zenobio zur ursprünglichen Ausstattung gehören oder ob sich hier, wie Elena Bassi (Episodi dell'architettura veneta nell'opera di Antonio Gaspari, in: Saggi e memorie di storia dell'arte 3, 1963, S. 55-108, hier S. 75) ohne Quellennennung behauptet, ganzfigurige Familienporträts von Tiepolo befunden haben, ist nicht geklärt.

[48] Etwa die Giovanelli (in Noventa Padovana, bei Padua) und die Poli (in San Pietro di Cadore, bei Belluno).

[49] Während die Albrizzi (um 1701) eine ähnliche Pracht wie die Zenobio wählten, stellen die Repräsentationsräume der Maffetti (1693/1709), Widmann (1717), Farsetti (1720/1723) und Sandi (1725/1726) Beispiele geringerer materieller Pracht dar.

[50] Vgl. Gampp 1994 (wie Anm. 46), S. 345-350.

[51] Vgl. Sven Sandström: Levels of unreality: studies in structure and construction in Italian mural painting during the Renaissance, Uppsala 1963, S. 9-11.

[52] Illusionismus ist aber auch europaweit in Ausstattungen des Adels zu finden. Vgl. dazu etwa Bernd Lindemann: Bilder vom Himmel: Studien zur Deckenmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts, Worms 1994, und Holger Schulten: Französische Deckenmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts: Theorie und Entwicklung der Dekorationssysteme, Frankfurt am Main 1999 u.v.a.

[53] Zech 2002 (wie Anm. 8), S. 98-100.

[54] Zu dieser Datierung vgl. Francesca d’Arcais: Villa Valier-Loredan, in: Gli affreschi nelle ville venete, Bd. 1, Venedig 1978, S. 254-255. Auch die Sandi nehmen durch einen Fries in ihrem Salone Bezug auf ein älteres altadeliges Dekorationssystem. Vgl. Höppner 2008 (wie Anm. 35), S. 187.

[55] Vgl. Fabrizio Magani: Abbondio Stazio e Carpoforo Mazzetti: una società di stuccatori tra Venezia e il Friuli, in: L'arte dello stucco in Friuli nei secoli XVII-XVIII. Storia, tecnica, restauro, interconnessioni, hg. v. Giuseppe Bergamini u. Paolo Goi, Udine 2001, S. 249-258, hier S. 252.

[56] Vgl. Francis Haskell: Maler und Auftraggeber. Kunst und Gesellschaft im italienischen Barock, Köln 1996, S. 350-388; Simona Savini Branca: Il collezionismo veneziano nel '600, Padua 1965, S. 33; Fabio Zanzotto: Per una storia del gusto a Venezia tra Sei- e Settecento, in: Saggi e memorie di storia dell'arte 20, 1996, S. 277-313, und Linda Borean: La quadreria di Agostino e Giovan Donato Correggio nel collezionismo veneziano del Seicento, Udine 2000, S. 75. Nur Gaier 2005 (wie Anm. 1), S. 182, weist hier auf die Implikationen der Heterogenität des neuen Adels hin.

[57] Was die Kulturtransferforschung bereits für den künstlerisch-kulturellen Transfer über territoriale Grenzen erkannt hat, kann hier für den Transfer über soziale, statusbedingte Grenzen fruchtbar gemacht werden. Eva-Bettina Krems z.B. (Modellrezeption und Kulturtransfer: Methodische Überlegungen zu den künstlerischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Alten Reich (1660-1740), in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 31, 2004 (2007), S. 7-21) stellt im Kontext der Kulturtransferforschung die These auf, dass erstens künstlerisch-kulturelle Vorbilder nicht in ihrer Gänze imitiert noch vollkommen negiert werden in Form von allein innovativen Repräsentationsstrategien. Vielmehr seien Innovation und Imitation als Pole eines breiten Spektrums zu begreifen, zwischen denen sich der kulturell-künstlerische Transfer bewegen kann. Krems fasst dies mit dem Begriff der Adaption. Zweitens kann Krems am Beispiel Kurbayerns und Kursachsens zeigen, dass Repräsentation nicht nur von einer bilateralen Beziehung – dort Reichsstände/Frankreich, hier Aufsteiger/Etablierte –, sondern von einem multilateralen Spannungsfeld bestimmt wird.

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Empfohlene Zitierweise

Höppner A.: Zur Visualisierung sozialen Aufstiegs: Innenausstattungen des venezianischen ›neuen Adels‹ zwischen kollektiven Mustern und Standesanpassung?. In: Kunstgeschichte. Texte zur Diskussion, 2009-37 (urn:nbn:de:0009-23-19956).  

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